Und was ist das Besondere? Genesis GV60 - edler und teurer Elektriker
15.05.2022, 09:49 Uhr
Technisch ist das, was den Genesis GV60 auszeichnet, bereits bekannt.
(Foto: Genesis)
Der Genesis GV60 ist das luxuriösere Schwestermodell von Hyundai Ioniq 5 und Kia EV6 – Plattform, Antriebs- und Ladetechnik sind gleich. Was berechtigt also am Ende einen so üppigen Preis für ein Auto aufzurufen, dessen Besonderheiten man besser mit der Lupe sucht?
Wohl keine Marke schlägt derzeit schneller den Bogen von der alten zur neuen Mobilität wie Genesis. Wurden in Deutschland die ersten Modelle ab Herbst letzten Jahres noch ausschließlich mit Verbrenner-Motoren vorgestellt, folgt nun mit dem GV60 (ab 56.370 Euro) bereits das erste Elektroauto - und mit dem G80 Electrified steht das zweite schon in den Startlöchern. Ab 2025 sollen sogar alle Modelle mit elektrischem Antrieb angeboten werden.
Wie viele neue Elektroautos ist auch der 4,52 Meter lange GV60 ein Crossover, und zwar einer der Mittelklasse. Damit ist der Fünftürer etwa mit einem VW ID.5 vergleichbar. Aber eigentlich hat er vor allem Konkurrenz im eigenen Hause. Denn aus dem gleichen Baukasten und mit identischer Antriebs- und Ladetechnik offeriert der Hyundai-Konzern mit dem Kia EV6 und dem Ioniq 5 gleich zwei Schwestermodelle, die bereits auf dem Markt sind. Da mussten sich der GV60 beziehungsweise seine Techniker und Designer schon was einfallen lassen.
Haben sie auch. Denn statt normaler Außenspiegel sind hier Kameras in ein Gehäuse eingebaut, deren Bild auf zwei Monitore in den Türen übertragen wird. Da gewöhnt man sich schnell dran und erfreut sich dann auch bei schlechterem Wetter an den gestochen scharfen Bildern. Ob das einem die verlangten 1460 Euro Aufpreis wert ist, muss jeder selbst entscheiden.
Der mit 318 PS angebotene GV60 ist das Basismodell, eine leistungsstärkere Variante mit satten 435 PS soll dann die richtigen Sportfreunde locken. Allradantrieb ist immer an Bord, weil die Achsen jeweils von einem eigenen Elektromotor angetrieben werden. Der Akku fasst 77,4 kWh und verspricht damit Normreichweiten von bis zu 470 Kilometern. Wie die Schwestermodelle hat auch der Genesis die 800-Volt-Ladetechnik an Bord, die, wenn man einen Schnelllader mit 350 kW gefunden hat, ein Aufladen von 10 auf 80 Prozent in 18 Minuten ermöglichen soll.
350 Kilometer Reichweite im Realbetrieb
Der GV60 ist erstaunlich routiniert gemacht, im Fahrbetrieb überzeugte er mit gutem Fahrverhalten, präziser Lenkung und gewaltigen Spurtkräften sowie einem akzeptablen Realverbrauch von gut 21 kWh auf 100 Kilometern. Das wiederum sollte eine Praxisreichweiten von mindestens 350 Kilometern ermöglichen. Was natürlich gemessen an den versprochenen 470 Kilometern deutlich weniger ist. Das Fahrwerk könnte noch ein wenig Feintuning gebrauchen, denn der Crossover rollt doch recht kernig über den Asphalt und hat vor allem mit Querrillen und bei langsamer Fahrweise so seine Problemchen.
Angesichts der Motorleistung sind die Fahrwerte keine Überraschung: In der Sport-Plus-Version spurtet der GV60 in vier Sekunden auf Tempo 100, der Sport benötigt 5,5 Sekunden. Bei der Höchstgeschwindigkeit bremst der Hersteller kaum ein - 235 bzw. 200 km/h sind möglich. Das wird der normale E-Autofahrer allerdings selten bis kaum nutzen, wenn er denn nicht alle 150 Kilometer an die Säule will.
Tolle Bedienung, heftiger Preis
Innen erfreut der Edel-Koreaner mit tadelloser Verarbeitung, vorzüglichen Sitzen und einer Bedienung, die ziemlich narrensicher ist. Da wünscht man sich, der eine oder andere deutsche Hersteller würde hier mal genauer hinschauen. Außen trägt der GV60 wie alle Genesis-Modelle die markentypische Signatur mit zweireihigen LED-Scheinwerfern und -Rückleuchten. Von seinen Schwestermodellen, dem kastig-imposant auftretenden Hyundai Ioniq 5 und dem eher wie ein Shooting-Brake wirkenden Kia EV6, unterscheidet sich der GV60 mit einem eher gefälligen Design, das auch ein bisschen an Porsche erinnert.
Das Datenblatt verspricht für den Genesis GV60 470 Kilometer Reichweite, real sind 350 möglich.
(Foto: Genesis)
So gut gemacht der GV60 ist, so teuer lässt sich Genesis Qualität und Leistung bezahlen. Da es anders als in anderen Märkten wie etwa der Schweiz das rein hinterradgetriebene, einmotorige Basisfahrzeug in Deutschland nicht geben wird, sind schon die Grundpreise von 56.370 und 71.010 Euro happig. Wer diverse Zusatzpakete und Einzeloptionen ordert, kann den Preis wie bei unserem Testwagen leicht auf knapp 85.000 Euro treiben. Denn selbst Dinge wie ein Head-up-Display, eine 360-Grad-Kamera oder adaptive LED-Scheinwerfer sind zum Beispiel im Technik-Paket für 3430 Euro versteckt, das dadurch eigentlich zum Muss wird. Da tröstet es nur ein wenig, dass bei Genesis immerhin für fünf Jahre nicht nur eine Vollgarantie gilt, sondern auch alle Inspektionen und Kartenupdates im Preis enthalten sind.
Und noch eine Besonderheit, die allerdings nicht nur für den GV60, sondern für alle Genesis-Modelle gilt: Interessenten und auch Käufern sollen es nur mit einem persönlichen Assistenten zu tun haben - und zwar immer dem gleichen. Der bringt das Fahrzeug zur Probefahrt, berät und verkauft es auch. Und wenn es zur Inspektion soll oder repariert werden muss, wird es abgeholt und zurückgebracht. Im besten Fall sieht der Kunde niemals eine Werkstatt, einen Händler im konventionellen Sinn gibt es sowieso nicht. Momentan ist diese Betreuung aber eher ein Wunschdenken. Denn Interessenten der Marke berichten momentan von toten Leitungen und nicht beantworteten Mails. Man darf also sehr gespannt sein, ob dieses Geschäftsmodell dazu führt, dass tausende Autos verkauft werden und wenn, wie die Kundschaft dann zufriedengestellt wird.
Quelle: ntv.de, hpr/sp-x