Praxistest

Gleiten im Meer der Stille Ist der Passat-Hybrid die Diesel-Alternative?

Beim Passat mit Plug-In-Hybrid, bringen es Vierzylinder und E-Maschine  zusammen auf 218 PS Systemleistung.

Beim Passat mit Plug-In-Hybrid, bringen es Vierzylinder und E-Maschine zusammen auf 218 PS Systemleistung.

(Foto: Busse/Textfabrik)

Zwar scheint sich bei Volkswagen momentan alles um Diesel zu drehen, aber es gibt noch Fahrzeuge die bislang als unverdächtig gelten. Sparsam sind sie auch, zumindest auf dem Papier. Der Passat GTE Plug-In-Hybrid zum Beispiel, hier im n-tv.de-Praxistest.

Die Passat-Limousine ist zu einem stattlichen Viertürer heran gereift.

Die Passat-Limousine ist zu einem stattlichen Viertürer heran gereift.

(Foto: Busse/Textfabrik)

Den Rückruf von 2,4 Millionen VW-Fahrzeugen hat das Kraftfahrtbundesamt für den Beginn nächsten Jahres angeordnet, Benziner sind keine dabei. Von den fast 577.000 Volkswagen, die bis Ende Oktober in Deutschland neu angemeldet wurden, war der Passat mit fast 81.500 Exemplaren das nach dem Golf am häufigsten bestellte Modell. Zwar fahren 89 Prozent der Passat-Kunden auf einem Diesel ab, doch hat VW bekanntlich die Plug-In-Hybride zur Zukunfts-Technologie erklärt. Da die Autos erheblich teurer sind als gleich stark motorisierte Benziner, müsste den Kunden der Mehrpreis durch sparsamen Verbrauch und umweltschonenden Betrieb schmackhaft gemacht werden.

Die im Praxistest zum Einsatz kommende Passat-Limousine kostet nackt ab Werk 44.250 Euro, worin das sonst kostenpflichtige 6-DSG-Doppelkupplungsgetriebe schon enthalten ist. Der edel möblierte Testwagen kostete sogar 56.386 Euro. Das sind Preisregionen, in denen sich manche Kunden nach einem konventionell angetriebenen Audi A6, 5er BMW oder Mercedes E-Klasse umsehen. Freilich muss man bei BMW für die Hybrid-Variante des 5ers noch einmal gut 10.000 drauflegen. Soviel zur Positionierung der VW-Alternative im Markt.

Vorsicht Hochspannung: Im Motorraum des Passat GTE geht es eng zu

Vorsicht Hochspannung: Im Motorraum des Passat GTE geht es eng zu

Um eine vorzeigbare Leistung für die inzwischen 4,77 Meter lange Limousine zusammen zu bekommen, hat Volkswagen die im Golf GTE verwendete Antriebskombination ein wenig modifiziert. Der Verbrenner, ein 1,4 Liter großer Vierzylinder, leistet im Passat 156 PS, der Elektromotor 85 kW, entsprechend 115 PS. Daraus resultieren für das Gesamtsystem 160 kW oder 218 PS. Das sollte reichen, um einem etwas mehr als 1720 Kilogramm schweren Viertürer ein hinreichendes Temperament zu verleihen. Mit 120 Kilogramm steht allein die Batterie in der Rechnung, was bedeutet, das andernorts im Fahrzeug intelligent und leicht gebaut worden sein muss. Natürlich wollen die Kunden umweltverträglich unterwegs sein, aber bestimmt nicht jeden Kleinwagen passieren lassen. Damit das nicht passiert, stehen dem Werte wie 7,4 Sekunden von Null auf Hundert und 225 km/h Top-Tempo entgegen.

Die Tücken der EU-Norm

Das Temperament ist also vorhanden. Eher ein Fall fürs Schaufenster ist der offizielle Verbrauchswert, der nach europäischer Norm bestimmt wurde und deshalb so auch in den Hersteller-Informationen verwendet werden darf: 1,7 Liter Superbenzin je 100 Kilometer. Wer früher mal Mofa gefahren ist, kennt solche Verbräuche, auch wenn die dort verwendeten Zweitakter Gemisch tanken mussten. Die Ursache für solche Fabelwerte liegt in der EU-Norm selbst. Das offizielle Regelwerk des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) bevorzugt das Hybrid-Antriebskonzept bei der Berechnung der durchschnittlichen Abgaswerte ganz erheblich gegenüber herkömmlichen Verbrennern. Weil bei den 50 Kilometern elektrischer Reichweite, die der Passat theoretisch schafft, kein CO2 anfällt, kann es in die Berechnung des Gesamt-Durchschnittsverbrauchs auch nicht eingehen.

Als Plug-In-Hybrid parkt der Passat GTE vor der heimischen Steckdose.

Als Plug-In-Hybrid parkt der Passat GTE vor der heimischen Steckdose.

(Foto: Busse/Textfabrik)

Die Nacht an der Steckdose veranlasste die Reichweitenanzeige des Testwagens am Morgen zu einem 46-Kilometer-Versprechen. Das deckt die meisten Fahrten, die der Durchschnitts-Autofahrer statistisch täglich zu erledigen hat, ab. Für weitere Strecken kann man beim Passat den automatischen Hybrid-Modus wählen oder die "Charge"-Taste drücken, dann wird nicht nur das Fahrzeug durch den Vierzylinder angetrieben, sondern nebenher auch noch die Batterie geladen. Selbst im Leerlauf, so weist es der Bordcomputer aus, können zwei bis drei Kilowatt je Stunde gewonnen werden. Der an der Hinterachse sitzende Akku beeinflusst die Gewichtsverteilung im Gesamtfahrzeug positiv, was wiederum die Agilität und das Handling des Fronttrieblers fördert.

Limousine zum Durchladen

Das Geräusch eines anspringenden Motors zu vermissen, bleibt keine Zeit. Zu wohlig und erhaben ist das Gefühl des lautlosen Losrollens, als das die Abwesenheit von Vertrautem stören könnte. Dass das Fahrzeug bei jedem Start erst einmal selbstständig in den E-Modus schaltet, bleibt während der folgenden Stadtfahrt noch das Abrollen der Reifen, was noch unterschwellig ans Ohr dringt. Und das Ticken des Blinkers. Die Lenkung ist griffig und handzahm, das Dirigieren durch den City-Verkehr von keinerlei Anstrengung begleitet. Geschmeidig gleitet der Viertürer zum Ziel, wo die Einkäufe für die nächste Woche verstaut werden sollen.

Das helle Interieur wirkt im Passat GTE edel, ist aber auch sehr empfindlich.

Das helle Interieur wirkt im Passat GTE edel, ist aber auch sehr empfindlich.

(Foto: Busse/Textfabrik)

Wer eine niedrige Ladekante braucht, greift sowieso zum Variant, so dass die 73 Zentimeter hohe Hürde verschmerzbar scheint. Das Gepäckfach des Viertürers ist mehr als einen Meter tief und nominal 586 Liter groß. Da die Rücksitzlehnen umlegbar sind, können maximal bis zu 1152 Liter genutzt werden – vorausgesetzt es sind keine sperrigen Güter dabei. Allzu oft möchte man diese Möglichkeit sowieso nicht in Anspruch nehmen, weil das nobel anmutende, helle Interieur bei jedem potenziellen Verschmutzer sofort ein schlechtes Gewissen auslöst. Das Ambiente mit den Alu-Dekoreinlagen wirkt so rein und unschuldig, dass selbst anscheinend unvermeidlich Hartplastik-Bauteile nicht unangenehm auffallen. Wenigstens haben sie eine genarbte Oberfläche und fügen sich so ins feudale Gesamtbild ein.

Um die Sonderstellung des GTE unter den Passats zu untermauern, hat VW für das Modell eine eigene Ausstattungslinie kreiert, die unter anderem Alufelgen, LED-Scheinwerfer (für Abblend- und Fernlicht), Müdigkeitserkennung, Multikollisionsbremse, Umfeldbeobachtungssystem, Front Assist inklusive City-Notbremsfunktion, ein Regensensor, Parkpilot für den Front- und Heckbereich, Chromleisten an den Seitenfenstern und Komfortsitze beinhaltet.

Last ruft raue Stimme wach

Das Komfort-Design-Paket des Testwagens (+1480 Euro) rangiert da schon unter "entbehrlicher Luxus", es umfasst Edelstahl-Einstiegsleisten, beheizte Scheibenwaschdüsen und Sitzmittelbahnen in Alcantara sowie Sitz-Innenwangen in Leder. Wichtiger und sinnvoller sind da sicher das Assistenzpaket "plus" (1980 Euro) sowie der Umgebungs-Assistent inklusive Rückfahrkamera (865 Euro). Dass VW das Kabel für die Ladestation als Sonderausstattung mit 145 Euro berechnet, ist kein feiner Zug. Immerhin wird die Leitung für den Anschluss ans Haushaltsnetz gratis mitgeliefert.

Reisekomfort und Fahreindrücke sind schnell erklärt: Federung und Dämpfung geben sich auch auf Rüttelpflaster keine Blöße, gediegene Bequemlichkeit sichert entspanntes Ankommen. An dem hohen Komfortniveau ändert auch ein zartes Ruckeln im Hybrid-Modus nichts, das entsteht, wenn die Steuerungs-Elektronik bei niedrigem Tempo nicht so recht weiß, ob der Verbrenner arbeiten soll oder nicht. Lediglich der etwas raue Ton, den der Vierzylinder unter Last entfacht, wenn etwa ein schneller Überholvorgang erledigt werden soll, irritiert im sonst als Meer der Stille erlebten Passat-Innenraum. Aber vielleicht war der Fahrer einfach durch zu häufiges elektrisches Dahingleiten entwöhnt.

Bleibt der Blick auf die Betriebs-Statistik, die vom Bordcomputer minutiös protokolliert wird und nach den verschiedensten Parametern abgerufen werden kann. Ein erhöhtes Kurzstrecken-Aufkommen führte zu 55 Prozent elektrischem Anteil an der Gesamt-Testfahrt. Dies wiederum ließ den Benzin-Verbrauch am Ende auf 4,8 Liter sinken. Ein recht ordentliches Ergebnis, wenngleich nicht annähernd dem offiziellen Wert entsprechend. Der Stromverbrauch wurde mit 12,5 kWh je 100 Kilometer hochgerechnet.

Fazit: Das vergleichsweise teure Auto ist für bestimmte Einsatz- und Nutzungsprofile durchaus empfehlenswert, doch auf der Langstrecke verliert der Teilzeit-Stromer mit jedem Kilometer seinen Elektrobonus. Wer hohe Laufleistungen im Jahr zu erledigen hat, wird wohl weiterhin zum Diesel greifen – Abgas-Skandal hin oder her. Auch wenn die Kunden jetzt nicht in Scharen zum Plug-In-Hybrid wechseln, nutzt er seinem Hersteller – denn er senkt den Flottenverbrauch.

DATENBLATTVW Passat GTE
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)4,77 1,83/ 1,46 m
Radstand2,79 m
Leergewicht (DIN)1722 kg
Sitzplätze5
Ladevolumen586 / 1152 Liter
MotorReihenvierzylinder mit Turbolader und 1395 ccm Hubraum
Getriebe6-Gang Automatik (DSG)
Leistung115 kW/156 PS
max. Drehmoment250 Nm bei 1500 - 3500 U/min
Leistung Elektromotor85 kW
Drehmoment Elektromotor330 Nm
BatterieLithium-Ionen, 9,9 kWh
KraftstoffartBenzin
AntriebFrontantrieb
Höchstgeschwindigkeit225 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h7,4 Sekunden
Normverbrauch1,74 l / 100 km
Normverbrauch Strom12,8 kWh/100 km
Testverbrauch4,8 l
CO2-Emissionen39 g/km
Grundpreis44.250 Euro
Preis des Testwagens56.386 Euros

Quelle: ntv.de

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