Praxistest

Geheimtipp mit Riesenakku Tesla Model S Long Range - der funktioniert besser

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Schlichtes Design macht die große Tesla-Limousine zeitlos.

Schlichtes Design macht die große Tesla-Limousine zeitlos.

(Foto: Patrick Broich)

Beim Thema Tesla Model S denken viele Interessenten immer gleich an den Plaid mit über 1000 PS. Dabei gibt es da noch ein anderes Modell, das viel sinnvoller ist und sogar besser funktioniert. Doch lesen Sie selbst.

Tesla Model S Plaid, diese Kombination von Wörtern scheint gesetzt bei der Diskussion über den US-amerikanischen Langstrecken-Stromer im Businessklasse-Format. Doch warum eigentlich? Erstens braucht niemand wirklich so viel Leistung (wenngleich sie einzelnen Enthusiasten gegönnt sei) und zweitens ist das Derating, also der Leistungsverlust bei Beanspruchung so hoch, dass der Plaid bei höheren Geschwindigkeiten keinen Spaß mehr macht.

Erkennbar wird das Model-S-Facelift nicht zuletzt an zackig gestalteten Scheinwerfern.

Erkennbar wird das Model-S-Facelift nicht zuletzt an zackig gestalteten Scheinwerfern.

(Foto: Patrick Broich)

Der sogenannte Long Range hat dieses Problem ausdrücklich nicht, lässt sich auch stabil für eine längere Zeit mit zügigem Tempo über leere Autobahnabschnitte jagen. Hier verspricht Tesla allerdings auch keine absurde Pace von exakt 322 Sachen, die sowieso eher theoretischer Natur sind, sondern bleibt bei den handelsüblichen 250 km/h.

Doch warum Model S Long Range? In erster Linie ist der mit 92.990 Euro generell gar nicht so günstige Tesla ein recht kommoder Tourer mit vorzüglichen Platzverhältnissen. Klar, bei 2,96 Metern Radstand kann das Packaging in der zweiten Reihe schon für ordentlich Beinfreiheit sorgen.

Eigentlich ist das Model S mit rund zwölf Jahren Bauzeit schon ganz schön betagt. Mit neueren, filigranen Rückleuchten verjüngen die Amis ihren Businessklässler.

Eigentlich ist das Model S mit rund zwölf Jahren Bauzeit schon ganz schön betagt. Mit neueren, filigranen Rückleuchten verjüngen die Amis ihren Businessklässler.

(Foto: Patrick Broich)

Vorn ist Raum sowieso kein Thema, sodass das Augenmerk auf andere Dinge fällt. Beispielsweise auf das Infotainment, das hier anders als beim kleineren Model 3 vielfältiger ist. So muss der User nicht immer nach rechts auf das mittig angeordnete Riesendisplay schielen (gibt es hier obendrein ebenso und darüber hinaus sogar elektrisch im Winkel verstellbar), sondern kann den Blick auf eine klassische Tachoeinheit richten. Die besteht natürlich aus reiner Displayfläche, aber das ist ja okay. Aber was findet der geneigte Tesla-Interessent nicht? Richtig, ein Head-up-Display. Scheint Elon Musk zu langweilen oder es ist zu teuer. Die Spiegelverstellung muss über den Touchscreen laufen, was allerdings eher unpraktisch ist.

Apple CarPlay gibt es bei Tesla nicht

Genauso unpraktisch wie für manche User zumindest, dass sie bei etwaigem Umstieg von einer anderen Automarke nicht ihr gewohntes Apple CarPlay nutzen können. Hält Tesla einfach nicht für nötig. Bezahlen kann man den Tesla im Konfigurator allerdings mit Apple Pay. Aber hey, der Verzicht der Smartphone-Integration ist zu verschmerzen, da das fahrzeugeigene Betriebssystem wirklich schnell und intuitiv reagiert. Wohl kaum ein anderes Human-Machine-Interface lässt sich so kinderleicht bedienen wie dieses hier. Und wenn man ein Ziel in das Navi klimpert, werden selbstverständlich die Ladestopps an den entsprechenden Superchargern eingeplant.

Das können die Ladeplaner anderer Autohersteller inzwischen zwar auch, bloß läuft es hier etwas besser geordnet ab. Will heißen: Es wird ja auch lediglich auf das Tesla-eigene Supercharger-Netzwerk zurückgegriffen, während bei den allgemeinen Ladeplätzen immer wieder Ladesäulen vorgeschlagen werden, die man als User nicht möchte, weil ein bestimmter Typ schlecht funktioniert oder die Ladeperformance nicht passt.

Allerdings hat sich das Model S im Praxistest nicht als der schnellste Lader erwiesen. Zwar gehen rund 30 Minuten für das Befüllen von knapp unter 100 kWh Nettokapazität in Ordnung. Und die nominale Ladepower von 250 Kilowatt ist für eine 400-Volt-Architektur akzeptabel. Aber Teslas Versprechen auf der Website, binnen 15 Minuten 322 Kilometer Reichweite nachfassen zu können, hat diesmal nicht geklappt. Stattdessen waren es rund 260 Kilometer.

Fairerweise muss man allerdings sagen, dass der Test bei hoher sommerlicher Außentemperatur von 25 Grad und mehr stattfand. Damit bleibt allerdings das Problem für den Elektroautonutzer vorerst bestehen, dass Ladeperformance und Reichweite nicht reproduzierbar sind. So erreicht der 2,1-Tonner zumindest bei warmem Wetter auch seine versprochene WLTP-Reichweite von deutlich über 600 Kilometern nicht, sondern kommt selbst bei moderater Autobahnfahrt mit 120 km/h (unter Richtgeschwindigkeit) lediglich rund 450 Kilometer weit.

Komfort bietet das Model S durchaus

Edelholzeinlagen verleihen dem Model S einen Hauch von Noblesse. Das Finish ist jetzt nicht superfein, aber angemessen für Marke und Preis.

Edelholzeinlagen verleihen dem Model S einen Hauch von Noblesse. Das Finish ist jetzt nicht superfein, aber angemessen für Marke und Preis.

(Foto: Patrick Broich)

Aber kein Ding, damit ist der komfortable, luftgefederte Tourer immer noch eine ordentliche Wahl, um lange Tagesetappen mit halbstündiger Verschnaufpause souverän zu meistern. Und Tesla hat sich bemüht, den Innenraum so adrett wie möglich zu gestalten. Klar ist immer Luft nach oben, aber eine Klapperkiste ist die 5,02 Meter lange Limousine keinesfalls. Und der Einsatz von Holzdekor (der Kunde kann sogar zwischen Ebenholz und Walnuss wählen) soll den Ami gar ein bisschen wohnlich machen. Ob das gefällt oder nicht, bleibt letztendlich Geschmacksache.

Weniger Geschmack-, dafür mehr Gewohnheitssache ist das optionale Yoke. Ganz ehrlich? Bitte auf keinen Fall bestellen! Dieses im wahren Wortsinne halbe Lenkrad mag irgendwie verrückt aussehen, aber die Praktikabilität lässt doch zu wünschen übrig. Vor allem bei hohen Geschwindigkeiten, da mehr Feingefühl nötig ist, lässt sich die Steuereinheit einfach nicht so stabil in der Hand halten wie ein konventionelles Lenkrad. Manche Dinge haben sich in der knapp 140 Jahre alten Automobilgeschichte eben doch bewährt.

Das Platzangebot in der zweiten Reihe des Tesla Model S kann man als üppig bezeichnen.

Das Platzangebot in der zweiten Reihe des Tesla Model S kann man als üppig bezeichnen.

(Foto: Patrick Broich)

Apropos Fahrleistungen. Das harmlos aussehende Model S ist auch als Long Range ein ganz schönes Biest - kein Wunder mit 670 Pferdchen unter dem Blech. Die vom Werk angegebenen 3,2 Sekunden bis 100 km/h sind absolut glaubhaft. Und auch im oberen Geschwindigkeitsbereich legt der obligatorischerweise mit Allradantrieb ausgerüstete Tesla immer noch ziemlich nachdrücklich an Geschwindigkeit zu. Ihn in den Begrenzer zu treiben, ist eine schnell abgehandelte Sache. Und das Beschleunigungsvermögen lässt auch nach einer Vielzahl von nacheinander erfolgenden Volllastorgien kaum nach. Hier ist der Tesla also standfest, und das ist gut so.

Unbedingt in den Griff bekommen sollten die Ingenieure allerdings das laute Lüftergeräusch je nach Fahrmodus. Wer den Tesla nachts im Drag-Strip-Modus abstellt, läuft Gefahr, Ärger mit den Nachbarn zu bekommen.

Zum Schluss noch der Blick auf das 7500 teure "volle Potenzial für autonomes Fahren". Die Ampelerkennung funktioniert zumindest ordentlich. Von autonomem Fahren kann trotz geführter Längs- und Querführung allerdings keine Rede sein, in Marketing ist Tesla eben richtig gut. Ein adaptiver Tempomat - Längsführung heißt ja, dass das Fahrzeug selbsttätig bremst und beschleunigt - hat sich allerdings inzwischen bewährt, und dieser funktioniert auch bei Tesla ausgezeichnet.

Datenblatt Tesla Model S Long Range

Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)

5,02 / 1,99 / 1,48 m

Radstand

2,96 m

Leergewicht (DIN)

2068 kg

Anhängelast, gebremst

1600 kg

Sitzplätze

5

Laderaumvolumen

709 bis 1828 l

Motorart

Zwei Elektromaschinen

Getriebe

Eine feststehende Übersetzung

Leistung, E-Maschine hinten

670 PS (493 kW)

Antrieb

Allradantrieb

max. Drehmoment

k.A.

Beschleunigung 0-100 km/h

3,2 Sekunden

Höchstgeschwindigkeit

250 km/h

Akkukapazität

100 kWh

Maximale Ladeleistung (Gleichstrom)

250 kW

Ladeleistung (Wechselstrom)

k.A.

Verbrauch (kombiniert)

17,5 kWh/100 km (WLTP)

kombinierte WLTP-Reichweite

634 Kilometer

CO₂-Emission kombiniert

0 g/km

Grundpreis

Ab 92.990 Euro

Fazit: Das Tesla Model S Long Range ist ein feiner Tourer mit hoher Reichweite, viel Platz sowie ungeahnt guter Performance. Auch die Verarbeitung geht tatsächlich in Ordnung. Spannend ist, dass der Businessklässler inzwischen kaum noch stattfindet hierzulande im Gegensatz zu Model 3 und Y. Mit einem Preis von 92.990 Euro ist der Tesla angesichts des Gebotenen keineswegs überbezahlt - ganz im Gegenteil. Eine Probefahrt lohnt also.

Quelle: ntv.de

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