Hermann Kutzer Vom Abstieg der Aktie
26.01.2009, 08:10 UhrEnttäuschende Kursentwicklung, enttäuschte Anleger - die Aktie ist nicht mehr was sie einmal war. Hohe Renditen zu erzielen und sein Investment sinnvoll zu diversifizieren, ist inzwischen so schwierig geworden wie seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr. Nur eine zyklische Erscheinung? Vielleicht.
Ältere Anleger werden sich erinnern, kennen die populäre These: "Langfristig, wirklich langfristig kommt kein Anleger an der Aktie vorbei, denn über Zeiträume von 10, 20 Jahren und länger ist sie anderen Anlageformen überlegen." Das stimmt nicht mehr. Und das ist eine für alte Aktienförderer (zu denen auch ich mich zähle) ernüchternde, ja erschreckende Erkenntnis. Jahrzehntelang haben wir uns mit eindrucksvollen Statistiken für die Aktie stark gemacht - im Interesse der Anleger, der Aktiengesellschaften und der Volkswirtschaft insgesamt. Die Zahlenreihen belegten eindrucksvoll, dass Aktien - trotz ihrer Kursschwankungen - auf Dauer eine viel höhere Durchschnittsrendite pro Jahr abwerfen als Anleihen oder Geldmarktanlagen. Nur mit Aktien konnte man über 10, 20 oder 30 Jahre zweistellige Bruttorenditen erzielen; je nach Berechnungsmethodik waren etwa 10 bis 12,5 Prozent pro Jahr drin.
Maue Performance
Davon haben wir uns inzwischen weit entfernt, denn im vergangenen Vierteljahrhundert gab es einfach zu viele schwere Börsen-Baissen. Die jüngste Sparplan-Statistik des Investmentverbands BVI bringt es an den Tag: Wer zehn Jahre lang mit Aktienfonds Deutschland gespart hat, muss sogar ein Minus von 9,7 Prozent p.a. hinnehmen, bei 20 Jahren wird daraus ein bescheidenes Plus von 3,2 Prozent. Und selbst wer 30 Jahre durchhält, fährt nur 6,4 Prozent pro Jahr ein (Ergebnisse nach Abzug sämtlicher Fondskosten). Bei Aktienfonds Europa und International ist die Performance noch schlechter. Damit liegen Aktien nur noch unwesentlich besser - wenn überhaupt - als die risikoärmeren Rentenanlagen. Lesen Sie den Bericht auf www.bvi.de mit seinen Tabellen - Sie werden sich wundern! Und vergessen Sie bei der Betrachtung der bescheidenen Wertzuwächse der einzelnen Fondsgattungen nicht, dass es sich natürlich nicht um Nettorenditen handelt, weil zwar die Kosten, nicht aber Inflationsrate und Steuern berücksichtigt sind.
Dass es den Profis der Investmentgesellschaften nur all zu selten gelingt, besser als der Markt zu sein, trifft bei den privaten Anlegern auf Unverständnis, weckt den Frust. Die Folge: Viele Fondsinhaber haben die Nase voll und steigen aus. Zeitgleich können wir das Phänomen paralleler Kursverläufe beobachten. War es früher stets so, dass eine Anlageklasse stieg, während die andere fiel, so haben wir seit 2003 zunächst steile Kursanstiege von Aktien bis Öl erlebt und seit Ausbruch der internationalen Finanzkrise eine fast harmonische Gegenbewegung, die noch anhält. Auch sind die in aller Regel erkennbaren Unterschiede nach Ländergruppen im Zeitalter der Globalisierung weitgehend verschwunden - wenn schwache Tendenzen, dann von Japan bis Amerika.
Mehr Bescheidenheit
Es klingt banal, aber die Rückkehr zu mehr Bescheidenheit ist angesichts dieser Entwicklungen wohl unumgänglich. Gleichzeitig gibt es so etwas wie eine Gegenbewegung: Immer mehr - meist fortgeschrittene - Privatanleger nehmen ihr Glück selbst in die Hand und werden Trader. Sie stellen sich also auf ganz kurzfristiges, systematisches Rein und Raus an der Börse um, mit den Charts als wichtigstem Hilfsinstrument. Die These von einer langfristigen Überlegenheit der Aktienanlage kann jedoch nicht mehr uneingeschränkt vertreten werden. Damit sollte man auch die Buy-and-hold-Strategie ad acta legen. Mit der Zeit ist die erhofft relativ höhere Rendite der Aktie eben nicht mehr sicher. Das und die sehr unterschiedlichen Performance-Ergebnisse in der Investmentindustrie sollten die Anleger zum Anlass nehmen, auch in Fonds selektiver und flexibler als früher zu investieren - einfach kaufen und halten macht keinen Sinn mehr.
Was es für die Wertentwicklung der Wertpapiere längerfristig bedeutet, dass der Staat seinen Einfluss auf die Märkte verstärkt, dass der neue US-Präsident schärfere Regeln ankündigt und die Bundesregierung weitere Maßnahmen zum Anlegerschutz plant - wer weiß das schon?
Quelle: ntv.de