Carola Ferstl Wir brauchen mehr Finanzwissen!
16.10.2008, 14:56 UhrEs ist traurig, jeden Tag im Fernsehen Geschädigte zu erleben, die fassungslos darüber berichten, wie im Zuge der Bankenkrise ihr ganzes Geld verschwunden ist. Beispielsweise, weil sie auf Anraten ihrer Bank Lehman-Zertifikate gekauft haben, die jetzt nichts mehr wert sind. Oder weil sie ihr Erspartes auf ein gut verzinstes Tagesgeldkonto der isländischen Kaupthing-Bank getragen haben, ohne zu wissen, dass die - und der isländische Staat als Garantiegeber - kurz vor der Pleite steht.
Das Fazit vieler Menschen lautet dieser Tage: Finger weg vom Geldanlegen, ja überhaupt: Finger weg von Geldthemen! Die einseitige Fixierung aufs Geld sei schuld. Geld mache nicht glücklich, sondern im Gegenteil oft unglücklich. Neulich schimpfte bei Anne Will sogar einer der Gäste lauthals darüber, dass die ARD zur besten Sendezeit Börsennachrichten präsentiere, obwohl doch nur die wenigsten Menschen in Deutschland Aktien besäßen.
Darüber habe ich mich dann schon ein wenig aufgeregt. Denn unser Problem ist nicht die übermäßige Präsenz von Geldthemen, sondern ihr Fehlen. Das ist nicht nur in den Medien so, sondern es geht schon in der Schule los. Fremdsprachen, Deutsch, Politik, Geschichte, Bio, Chemie, Physik und Mathe, das müssen die Kinder lernen. Aber Wirtschaft? - Fehlanzeige!
Bis heute ist das Fach Wirtschaft an den wenigsten Schulen vertreten. Dabei wäre es ein Leichtes, schon den Kindern ein praxisnahes Handwerkszeug mitzugeben, das sie im späteren Leben unbedingt brauchen. Sie müssten keine abstrakten volkswirtschaftlichen Theorien lernen, aber doch die Grundbegriffe dessen, was einen erfolgreichen Umgang mit Geld möglich macht.
Dann wüssten sie, dass hohe Zinsen meist auch hohe Risiken bedeuten. Dass es bei Zertifikaten ein Emittentenrisiko gibt. Dass die Aktienmärkte starken Schwankungen unterlegen und deshalb nur für die langfristige Geldanlage geeignet sind. Dass es sich bei Bankkrediten (sei es fürs erste Mofa, sei es für ein späteres Häusle) das Vergleichen lohnt. Und dass sie aufpassen müssen, um nicht in eine Verschuldungsfalle zu geraten. Und sie wüssten auch, wie eng verwoben das Geschehen an den Aktienmärkten, über das das Fernsehen tagtäglich zur besten Sendezeit berichtet, mit dem realen Wirtschaftsleben ist. Und dass diese Informationen nicht nur für Aktionäre von Belang sind.
Das Fach Wirtschaft muss in die Schule, finde ich. Deshalb gründe ich die "Initiative lehrreich" (Mehr auf meiner Homepage). Ich will mich dafür einsetzen, dass die Kinder all das lernen. Nicht mit sturer Büffelei, sondern spielerisch und alltagsbezogen. Und auch nicht, um später einem sinnlosen Kapitalismus zu frönen. Sondern um finanziell gut über die Runden zu kommen, um genügend Vorsorge zu betreiben, damit sie ein Leben in Wohlstand führen können, und nicht in Schulden oder ständiger Sorge um ihre Finanzen.
Quelle: ntv.de