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Die Busch-Trommel Das Ende der Glaubwürdigkeit

Der gute Ruf der Europäischen Zentralbank ist schwer beschädigt: Nach mehr als drei Jahren Krise ist die einstige Trutzburg der Stabilität zu einem "Steinbruch der Politik" verkommen, schreibt Börsenkommentator Friedhelm Busch. Was steht Europa nach dem Wechsel an der EZB-Spitze bevor?

Friedhelm Busch

Friedhelm Busch

Im Grunde kann einem der scheidende EZB-Präsident Jean-Claude Trichet leidtun. Aus den Kreisen der Finanzmarktspekulanten wird sein Abgang mit Häme begleitet, und die besorgten Sparer machen ihn für die wachsenden Inflationsgefahren im Euroland mitverantwortlich.

Dass die Finanzinvestoren ihm keine Träne nachweinen, ist verständlich, war es doch Trichet gewesen, der sich noch im Mai 2008, also nur vier Monate vor dem Zusammenbruch der Lehman-Bank, mit einer Erhöhung der europäischen Leitzinsen auf über 4 Prozent aus Angst vor der Inflation gegen die Politik des billigen Geldes seitens der US-Notenbank gestemmt hatte. Die Finanzspekulanten waren damals empört, deutsche Sparer und Rentner erleichtert.

Nach der Lehman-Pleite am 15. September sah sich dann allerdings auch Trichet genötigt, ohne Rücksicht auf Inflationssorgen das Ruder herumwerfen, also die Leitzinsen in der Eurozone drastisch zu senken und die Geldschleusen der EZB zu öffnen; denn ein dramatischer Vertrauensverlust der Banken untereinander drohte das internationale Kreditgeschäft und damit die Basis allen wirtschaftlichen Handelns durch fehlende Liquidität zu lähmen. Liquidität konnte zu diesem Zeitpunkt nur noch von den Notenbanken kommen.

Die Fed funktioniert anders

Doch Trichet folgte lange Zeit nur höchst unwillig seinem amerikanischen Kollegen Bernanke. Mit gutem Grund, denn schließlich war und ist die überstaatliche europäische Notenbank in ihrer Geldpolitik – dem guten Geist der deutschen Bundesbank folgend – vor allem der Stabilität der europäischen Währung verpflichtet und erst danach der Wirtschaft in Europa.

Ganz anders die US-Notenbank. Als private Gründung amerikanischer Banken sieht sie ihre vornehmste Pflicht darin, für einen reibungslosen Konjunkturaufschwung in den USA zu sorgen. Aktuell kommt sie ihrem Gründungsauftrag mit Leitzinsen bei 0 Prozent und einer schier unerschöpflichen Versorgung der Finanzmärkte mit frischem Geld nach.

Zwar ist die EZB mit von der Partie, wenn auch nicht mit derselben Begeisterung wie die US-Notenbank. Trichet hat aber hin und wieder auf die Notwendigkeit hingewiesen, diese Geldflut eines Tages wieder abschöpfen zu müssen, um inflationäre Gefahren erst gar nicht entstehen zu lassen. Was die Finanzinvestoren, für die das billige Notenbankgeld Manna vom Himmel bedeutet, natürlich zutiefst verärgert, die Verfechter einer stabilen Währung hingegen vorübergehend beruhigt.

Doch seitdem sich die Bankenkrise – auch oder gerade wegen der staatlichen Milliardenhilfen für die Banken – zu einer weltweiten Staatsschuldenkrise gemausert hat, hat sich auch die Gemengelage um den EZB-Chef dramatisch verändert, ist es zum entscheidenden Sündenfall der europäischen Notenbank gekommen.

Mit ihrem langjährigen und erfolgreichen Einsatz für die Stabilität des Euro ist der EZB in ihrer Geldpolitik immer wieder ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit von der Politik attestiert worden. Doch mit ihrer Entscheidung, Staatsanleihen überschuldeter Länder der Eurozone unterhalb der Marktkonditionen aufzukaufen, hat die EZB nicht nur gegen den EU-Vertrag verstoßen, wonach es ihr untersagt ist, maroden Staaten der Eurozone finanziell unter die Arme zu greifen. Sie hat dadurch, wie ein gehorsamer Büttel der Politik, den Regierungen überschuldeter Staaten geholfen, ihre Ausgabeorgien auf Pump fortzusetzen, ohne die Bestrafung der Finanzmärkte durch höhere Zinsen befürchten zu müssen.

Der Krise den Boden bereitet

Darüber hinaus ist sie ohne größere Bedenken den Banken zur Hilfe gekommen, indem sie ihnen Milliardenkredite zu extrem niedrigen Zinsen und für einen immer längeren Zeitraum zur Verfügung gestellt und die minderwertigen Staatsanleihen hochverschuldeter Euromitglieder als Sicherheit akzeptiert hat. Auf diese Art entwickelt sich die EZB allmählich zur Mülldeponie der Finanzinvestoren und Regierungen. Zweifellos der Steinbruch sein, aus dem sich die Politiker bedienen, wenn sie neue Euro-Milliarden benötigen für die Rettung Europas. Von einer grundlegenden Korrektur dieser großzügigen Geldpolitik ist aus Kreisen der EZB nichts mehr zu hören.

Zu Recht hat Trichet auf die Staatsverschuldung als die Wurzel allen Übels hingewiesen, doch hat er dabei unterschlagen, dass die Notenbank selbst mit ihrer expansiven Geldpolitik hierfür den Boden aufbereitet hat.

Wenn die EZB jetzt wieder ihre reichhaltige und wohlfeile Auswahl an Rettungsprogrammen für Banken und Stabilitätssünder offen ins Schaufenster stellt, darf sie sich nicht wundern, wenn eine wirkliche Reform der Finanzmärkte nur in Fensterreden stattfindet, genauso wie eine tatsächliche Konsolidierung der Staatshaushalte.

Warum sollte sich etwas ändern, wenn am Ende doch die EZB als bereitwilliger Retter in die Bresche springt? Als Erfüllungsgehilfe der Politik und der Banken hat Trichet bei den Bundesbürgern seine Glaubwürdigkeit als Stabilitätsapostel eingebüßt. Und mit ihm auch die EZB als Institution.

Quelle: ntv.de

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