"Der Cyberkrieg ist ein Medienhype" Interview mit CCC-Mitglied Burkhard Schröder
20.03.2001, 17:36 UhrBurkhard Schröder, Dozent für Internet-Recherche an der Berliner-Journalisten-Schule und Mitglied des Chaos Computer Clubs befasst sich schon seit einigen Jahren mit den Vor- und Nachteilen des Internet. Mit seinem Buch "Tron - Tod eines Hacker " lenkte Schröder im vergangenem Jahr die Aufmerksamkeit der Bevölkerung verstärkt auf die Hacker-Szene und deren Aktivitäten. n-tv.de befragte den freien Journalisten und Lateinamerika-Experten Burkhard Schröder zum Thema Sicherheit im Internet .
n-tv: Welche Gefahren verstecken sich Ihrer Meinung nach im Internet?
Schröder: Keine. Eine Gefahr besteht nur dann, wenn man ohne Führerschein
auf der Datenautobahn fährt (z.B. seine E-Mails nicht verschlüsselt)
und Autos benutzt, die weder Bremsen noch Türen haben (wie zum
Beispiel Outlook Express).
Eine zeitweilige Gefahr besteht darin, dass die heutige Software
ungefähr den Sicherheitsstandards der Autos in den 1940ern entspricht.
Das hat mit dem Interessenkonflikt zwischen dem E-Commerce und
den Nutzern des Internet zu tun. Die meisten Unternehmen der New
Economy leben davon, die Surfer auszuspionieren und Nutzerprofile zu
verkaufen. Das funktioniert nur so lange, wie die Kunden sich das
gefallen lassen. Webdesigner haben zur Sicherheit ein Verhältnis wie
Klaus Störtebeker zum Handelsrecht Das wird sich in naher Zukunft -
hoffentlich - ändern. Und dann gehen viele WWW-Portale pleite, was
mich völlig ungerührt lassen, ja sogar amüsieren wird.
n-tv: Stellen Hacker eine Gefahr dar?
Schröder: Wenn es keine Hacker gäbe, glaubten die meisten Firmen, ihre
"Experten" hätten Ahnung. Fragen Sie mal bei Netz-Verwaltern (falls
sie falsche Rückübersetzungen aus dem Englischen lieben:
Netzwerk-Administratoren), warum es so genannte offene News-Server
gibt, über die jeder in den Foren des Usenet Pornografie posten kann.
Antwort: weil dort fast ausnahmlos Microsoft-Software eingesetzt wird,
die zur Fahrlässigkeit und schlechten Konfiguration verführt.
n-tv: Wie stehen sie zur Forderung der Hacker: "alle Informationen müssen frei sein"?
Schröder: Positiv. Die Gesetze der Ökonomie gehen ohnehin in diese Richtung. In
naher Zukunft wird niemand mit Software für den täglichen Bedarf noch
Geld verdienen können, weil es für jeden Bedarf eine Freeware-Version
geben wird (Linux ist erst der Anfang).
n-tv: Brauchen wir neue Gesetze, um die alten im Zeitalter des WWW schützen zu können? Welche?
Schröder: Wir brauchen keine neuen Gesetze. Wir brauchen nur
Nutzer der Dienste des Internet, die sich der Risiken und Gefahren
bewusst sind und sich demgemäß verhalten (zum Beispiel die Tipps des
Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik
https://www.bsi.bund.de) befolgen und aktive Inhalte beim Surfen
ausschalten und/oder den JAP nutzen https://anon.inf.tu-dresden.de, um
keine Datenspur zu hinterlassen. Und natürlich keine elektronischen
Postkarten, sondern Briefe schreiben.)
n-tv: Droht der Dritte Weltkrieg im Cyberspace?
Schröder: Nein.
n-tv:Wie könnten sich die Staaten gegen einen Cyberkrieg effektiv schützen?
Schröder: Der "Cyberkrieg" ist ein Medienhype, keine Realität, auch nicht in der
Zukunft. Man könnte auch boshafterweise sagen: eine
Arbeitsbeschaffungsmassnahme für Geheimdienstler. Bisher ist von
denen, die so genannten Abwehrmassnahmen" fordern, nur heisse Luft
gekommen, wenn man nach Details fragt, worum es eigentlich gehen soll.
Die Diskussion trägt sowohl hysterische als auch absurde Züge.
Quelle: ntv.de