Verkennt offensichtlich die Gefahren von Kinderfotos im Netz: Tanja Szewczenko.
(Foto: picture-alliance /dpa)
Tanja Szewczenko ist nach Dubai ausgewandert. Die ehemalige Eiskunstläuferin teilt Einblicke ihres Alltags auf Social Media. Nun wollte sie auf ein wichtiges Thema aufmerksam machen, lichtete dafür ihren kleinen Sohn halb nackt ab und kassierte einen Shitstorm. Über die Naivität und Ignoranz prominenter Mami-Blogger.
Hach, Dubai! Ist das schön da! Es scheint fast immer die Sonne, das miesepetrige Deutschland ist ganz weit weg und wenn man das Gehirn ein paar Stockwerke runterfährt und die Menschenrechte ausblendet, lässt es sich im Golfstaat prima leben! Dass ein Großteil der Bevölkerung, insbesondere die Gastarbeiter, unter unfairen Arbeitsbedingungen und menschenunwürdigen Lebensverhältnissen leidet - geschenkt!
Das Emirat ist ein Eldorado für Influencer. Auswandern nach Dubai liegt im Trend. Im Steuerparadies scheint das Leben wie ein ewiger Urlaub zu sein, während die Follower sich mit geschönten Bildern vom angeblichen Luxus-Alltag verhohnepipeln lassen und sich in einen ewigen Sommer wegträumen. Liebe Leser, lassen Sie uns in dieser Woche doch mal einen Blick hinter die Kulissen der ach so tollen Dubai-Influencer werfen! Vielleicht sollte ich es am Anfang dieser Promi-Kolumne genauso machen, wie die Eiskunstläuferin Tanja Szewczenko und eine Triggerwarnung voranstellen mit der Bitte, sich bloß nicht aufzuregen.
Viel Dummes hat man von Influencern in den vergangenen Jahren mit ansehen müssen. Es reicht nicht, auf irgendwelchen Protz-Partys eines peinlichen Pseudo-Prinzen zugegen zu sein, auf denen Pferde durch ein Feuerwerk gescheucht oder Riesen-Schildkröten mit Fußbällen abgeschossen werden. Nein! Die Arroganz der Dubai-Posse ist grenzenlos.
Da lässt man auch schon mal die Follower an seiner Empörung teilhaben, wenn "das Putzmädchen" wieder nicht ganze Arbeit leistet oder man mal eben Lust hat, sich einen Hund zu holen. Welpen, die in kargen Schaufenster-Glaskästen feilgeboten werden. Wer all das kritisiert, ist, Sie ahnen es, natürlich nur neidisch und mit seinem eigenen Leben im kalten, hässlichen Deutschland unzufrieden.
"Raus aus dem Netz mit solchen Fotos"
Viele Influencer in Dubai zeigen aber nicht nur ihren protzigen Alltag im Wüstenstaat, sondern auch ihre zum Teil sehr kleinen Kinder. Da werden die Babys vor der Kamera gebadet und pausenlos abgelichtet. Und na ja, all jene, die stets vor der Gefahr von Kinderfotos im Netz warnen, übertreiben doch bestimmt, frei nach dem Motto: Ich bin eine liebende Mutter, ich verletze weder die Privat- noch die Intimsphäre meines Kindes, noch hat das Kind zu mir gesagt, dass es nicht fotografiert werden möchte. Ja, weil es in den meisten Fällen noch zu klein ist und nicht sprechen kann!
Inzwischen kann man all die warnenden Kampagnen, keine Fotos seiner oft nackten Kinder im Netz zu veröffentlichen, nicht mehr zählen. Doch immer wieder sind es vor allem Prominente, die die Intimsphäre und das Recht am Bild ihrer Kinder für Klicks und Likes ignorieren. Vor mehr als drei Jahren etwa fotografierte die Schauspielerin Wolke Hegenbarth ihren damals einjährigen Sohn Avi nackt am Pool. "Raus aus dem Netz mit solchen Fotos", forderten die Follower. Und es ist nahezu tragisch, dass fremde Leute sie erst darauf hinweisen müssen, weil sie da allem Anschein nach selber nicht drauf gekommen ist.
Die Influencerin Anne Wünsche zeigt ihre minderjährigen Töchter in vollkommen unangemessenen Posen und so heftig das jetzt auch klingen mag: Viele Influencer verdienen sich mit dem Einblick in ihr Privatleben auf dem Rücken ihrer wehrlosen Kinder ihren Lebensunterhalt!
Kleine Kinder, die für die Kamera posieren, die mit drei, vier Jahren schon stundenlange Shootings für Kinderkleidung machen oder denen 24/7 die Kamera ins Gesicht gehalten wird: alles seit Jahren in der Kritik.
"Warum tust du das? Für Klicks?"
Den Vogel in diesem Monat aber hat die Dubai-Auswanderin Tanja Szewczenko abgeschossen. Die ehemalige Soap-Darstellerin lebt mit ihrem Mann, ihrer Tochter und den Zwillingen Luis und Leo im Wüstenstaat. Kürzlich hatte sich eines ihrer Kinder am Kopf verletzt und die 46-Jährige wollte - so sagt sie zumindest - diesen unschönen Umstand nutzen, um auf ein wichtiges Thema aufmerksam zu machen: den Erste-Hilfe-Kurs für Eltern von kleinen Kindern. In einem Moment der Unachtsamkeit sei ihr Sohn beim Spielen gestürzt und habe sich, als er auf eine Steinstufe geknallt sei, am Kopf verletzt. Der kleine Junge zog sich dabei eine große Platzwunde zu.
Die Fotos der Wunde, die sie wohl erst ihrem Mann schickte, damit dieser die Situation besser einschätzen könne, stellte sie nun ins Netz. Dazu postet sie Bilder des kleinen blonden Jungen, die ihn mit einem Verband am Kopf zeigen.
Es genügt aber nicht, die Wunde oder den Kopfverband des Kindes zu zeigen - nein! Das Kind wird mit nacktem Oberkörper abgelichtet! Weil es doch so warm ist in Dubai! Und überhaupt: Was ist schon dabei, sein Kind nackt zu zeigen? Wir sind alle nackt auf die Welt gekommen. Nacktheit ist doch was ganz Normales! Die Ausreden sind so mannigfaltig, wie sie auch naiv sind.
Unter dem Foto ihres halb nackten, verletzten Kindes gibt es inzwischen mehr als 1000 Kommentare. Unter anderem ist dort zu lesen: "Es ist eine Sache auf Gefahren hinzuweisen, aber eine andere Sache seine Kinder so im Netz zu zeigen. (…) Das hat nichts mit Erste Hilfe zu tun! (…) Warum tust du das? Für Klicks? Warum stellt man ein Foto seines nackten Kindes ins Netz? (…)" Und weiter: "Unfälle passieren, gar kein Thema! Jedes Kind fällt mal auf die Nase, aber das hier noch zu vermarkten, unglaublich! (…) Kinder sollten/dürfen nicht so in der Öffentlichkeit bloßgestellt werden."
Zwei Kommentatoren bringen es schließlich auf den Punkt: "Man hätte für den Erste-Hilfe-Kurs auch ohne solche Fotos sensibilisieren können! (…) Das Oben-ohne-Bild gehört nicht ins Netz. Du weißt genau, dass solche Bilder im Darknet gevotet werden."
Liebe Tanja Szewczenko,
liebe Mami-Blogger, vielleicht sind Sie wirklich bis dato so ahnungslos gewesen, aber die Verbreitung von Kinderfotos im Netz, insbesondere solche, die nackte Oberkörper zeigen, birgt das Risiko einer unerwünschten Sexualisierung und Ausbeutung der Kinder durch potenzielle Täter! All diese Fotos können und werden von pädophilen Kreisen ausgenutzt!
Wer solche Bilder seiner Kinder ins Netz stellt, egal ob Promi, Influencer oder Mami-Blogger, hinterlässt dauerhafte digitale Fußabdrücke, die die Privatsphäre und Sicherheit der Kinder gefährden. Sie als Elternteil haben die Kontrolle und die Verantwortung über die Online-Präsenz Ihrer Kinder! Missachten Sie nicht deren Privatsphäre, indem Sie sie der potenziellen Gefahr von Online-Missbrauch und öffentlicher Bloßstellung aussetzen!
Quelle: ntv.de
