Unterhaltung

"Tatort" aus dem Schwarzwald Die Stille nach dem Schuss

Ermittler Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) im neuen SWR-Tatort "Goldbach".

Ermittler Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) im neuen SWR-Tatort "Goldbach".

(Foto: Alexander Kluge/SWR/dpa)

Hohe Tannen, schneebedeckte Gipfel, langes Echo: Das neueste "Tatort"-Franchise kommt als naturalistischer Wald-und-Wiesen-Krimi daher. Das ist nicht nur landschaftlich reizvoll, auch sonst ist "Goldbach" ein rundum gelungener Auftakt.

Es ist an der Zeit, einfach mal "Danke" zu sagen. Danke, Tatort. Danke, SWR. Danke, ARD. Danke dafür, dass der Kommissar im neuen "Tatort" nur ein gemeingebräuchlicher Grantler ist und kein verhaltensgestörter Alki, keine tranige Type mit tausenden Ticks oder ein Motzkopp auf einem Mofa. Danke dafür, dass das Revier nicht aussieht wie eine Bauhaus-Installation aus "Schöner Wohnen". Danke, dass hier kein zeitgenössisch aktueller Kontext zum Tat-Hintergrund gebogen wird. Dafür, dass man dem Zuschauer mit den neuen Kommissaren nicht gleich eimerweise Biografie ins Wohnzimmer kippt, dass die Dialoge klingen wie etwas, das in freier Wildbahn so tatsächlich gesprochen werden könnte, dass hier ein tolles Ensemble ein exquisites Drehbuch mit Leben füllt und man am Sonntag gegen 21.45 Uhr nicht gen Programmplaner schielt, um nachzuschauen, wann es endlich einmal wieder den Rostocker "Polizeiruf" gibt.

Der neue "Tatort" aus dem Schwarzwald – er tritt die Nachfolge von Eva Mattes und ihrem Bodensee-Team an. Das sind vielleicht nicht die größten Fußstapfen, in die man treten kann, die Konkurrenz – oder wie der Zuschauer sagen würde: die Unübersichtlichkeit – ist dennoch groß. Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner als Franziska Tobler und Friedmann Berg bilden das 22. aktive Ermittlerteam des Sonntagsklassikers. Kein Wunder, dass zur Premiere zuweilen gleich aus allen Rohren gefeuert wird, aus den Rookies gleich ein paar Zampanos konstruiert werden, die sich mit Spleens und Spielchen, Marotten und Manien schnell ins TV-Bewusstsein spielen sollen.

Zurückgenommen und souverän

Gutes Team: Regisseur Robert Thalheim und die "Tatort"-Fernsehkommissare Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner.

Gutes Team: Regisseur Robert Thalheim und die "Tatort"-Fernsehkommissare Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner.

(Foto: dpa)

Umso erstaunlicher, wie zurückgenommen und souverän "Goldbach" daherkommt: Schon der ruhige Auftakt mit der verschneiten Landschaft und dem Blick ins Massiv ist ganz und gar "Tatort"-untypisch und gemahnt eher an Skandic noir denn an urbane Currywurst-Ermittlung. Der Ausgangspunkt des Falles ist schnell erzählt: Ein elfjähriges Mädchen wird tot aufgefunden, erschossen aus nächster Nähe. Ihr Kumpel Linus ist vermisst, ein weiterer Schulkamerad sitzt unversehrt zu Hause und gibt vor, nicht zu wissen, was da draußen im Wald geschehen ist.

Was folgt, ist ein intensives, düster inszeniertes Ensemblespiel, das die Eltern der beteiligten Kinder in den Fokus nimmt und sich dabei auf einen tollen Cast verlassen kann: Godehard Giese und Barbara Reutter als trauernde Eltern, Felix Knopp und Isabella Bartdorff, die ahnen, dass ihr Sohn Paul (Aaron Kissiov) mehr weiß, als er zugibt, und dann ist da noch der Vater des Vermissten, Martin Benzinger (Shenja Lacher), der mit Pistole unterm Bett schläft.

Überzeugende, hochspannende Premiere

Regisseur Robert Thalheim mag den Verlockungen der Krimi-Premiere ausgesetzt gewesen sein, am Ende erliegt er keiner davon, im Gegenteil: Seine Umsetzung des Buches von Bernd Lange hält in der Verbindung von Naturkulisse, dem perfekten Timing zwischen Ruhe und Tempo, zwischen Kommissariat und Außenszenen eine überaus packende Balance, die auch ein paar, wohl unvermeidliche Nebenschauplätze nicht nur wegsteckt, sondern stimmig in den Plot einpasst. Hans-Jochen Wagner überzeugt als pfundiger Eigenbrötler Berg, seine Partnerin Eva Löbau als Kommissarin Tobler ist aus dem Stand so präsent, wie es zuweilen Kolleginnen nicht in ihrem letzten Fall gewesen sind.

Eine rundum überzeugende, hochspannende Premiere, die Lust auf die Fortsetzung macht und manch einem "Tatort"-müden Sonntagsgucker beweist, dass es auch anders geht. Ach ja, danke auch dafür, dass Harald Schmidt hier nun doch nicht, wie ursprünglich geplant, seinen Dienst angetreten hat. So sehr man Dirty Harry schätzen mag, mit der Balance wäre es damit im Schwarzwald dann wohl von Beginn an vorbei gewesen.

Quelle: ntv.de

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