Unterhaltung

"König von Deutschland" Großes Theater für den Systemverweigerer

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Alessa Kordeck (r.) verkörpert in dem Stück Peter Fitzek.

Alessa Kordeck (r.) verkörpert in dem Stück Peter Fitzek.

(Foto: Peter Littger / ntv.de)

In einem Berliner Dachgeschoss führen Schauspieler vor, wie ein demokratiefeindlicher Mensch zur Tat schreitet und eine autoritäre Alternative für Deutschland errichtet. Der Stoff von "König von Deutschland" ist keine Fiktion - sondern Realität.

Haben Sie auch schon einmal darüber nachgedacht, aus dem gegenwärtigen System der Bundesrepublik auszusteigen - ohne Deutschland allerdings wirklich zu verlassen? Was für Kinder beim Fangen der sichere Ort "Klippo", ist für manche Erwachsene der Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden: vom Finanzamt, von den Behörden, von der Bank. Eine Welt mit weniger Steuern, weniger Regeln, weniger Zinsen. Wie schön wäre Klippodeutschland!

"König von Deutschland" live

"König von Deutschland - Eine interaktive Reise ins Reichsbürger-Land" ist am 19. und 20 Oktober im Theater unterm Dach, Danziger Straße 101, 10405 Berlin zu erleben. Eintritt für Erwachsene: 15 Euro. Es gibt Studenten- und Seniorenrabatt

Das ist es, was Peter Fitzek vorgibt zu wollen - und noch ein bisschen mehr, wenn er nur König von Deutschland wär'! Hatte er in der real existierenden Bundesrepublik eine kleinbürgerliche Existenz als Koch und Karatelehrer, sucht er die Alternative im Größenwahn: Er will vollständig enthoben sein - wie einst Adolf Hitler von der Einkommenssteuer.

Im September 2012 hatte sich Fitzek auf napoleonische Weise selbst gekrönt und in einem Zug einen neuen Staat gegründet. Seitdem nennt er sich "Peter der Erste": "Der oberste Souverän im Königreich Deutschland". Er meint toternst, was der Punkrocker und Anarchist Rio Reiser einst ironisch besang. Er witzelt nicht - und er steigt auch nirgendwo aus. Vielmehr vollzieht er den totalen Einstieg: in einen Kampf gegen das System, das er als "Wohlfühldiktatur" beschimpft, während er selbst ein "Gemeinwohlreich" erschaffen will. Fitzek weiß, dass er gewinnen muss, um nicht im Gefängnis zu landen. Oder schlimmer noch: in der Irrenanstalt.

Verzicht auf jede Bewertung

Vor genau diesem Mann warnt das Theaterstück "König von Deutschland", das in diesen Tagen im Berliner "Theater unterm Dach" aufgeführt wird. Es ist anschaulicher und eindringlicher als jeder Bericht des Verfassungsschutzes, der Fitzek dem Milieu der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" zuordnet und sein Königreich als "gefährliche Staatssimulation" einordnet.

Im März erschien Peter Fitzek überraschend selbst zu einer Aufführung von "König von Deutschland" an der Volksbühne Kaulenberg.

Im März erschien Peter Fitzek überraschend selbst zu einer Aufführung von "König von Deutschland" an der Volksbühne Kaulenberg.

(Foto: picture alliance/dpa)

Regisseur Fabian Rosonsky verzichtet auf jede Bewertung. Stattdessen konfrontiert er das Publikum mit vielen Originaldokumenten wie Chatprotokolle und Reden, Gerichtsurteilen und Einsprüchen. Er lässt die Zuschauerinnen und Zuschauer noch einmal teilhaben und mitspielen am Akt der Krönung und der Staatsgründung. Und er lässt immer wieder Auszüge aus Fitzeks "spirituellen Seminaren" für sich sprechen: "Die Macht der Gedanken 1 und 2" oder "Entwicklungsgesetze des Lebens". Oder das "Basismodul Systemausstieg".

Im Laufe des Abends wird deutlich, dass der selbsternannte König mit ultralinken wie mit ultrarechten Positionen nach Legitimation strebt - sozialnationalistisch, nationalsozialistisch und dazwischen angenehm bodenständig und grün. Schließlich ist der Traum vom Königtum nicht nur so alt wie der Krieg. Er erfordert auch dieselbe List und dasselbe treue Völkchen. Laut Verfassungsschutz hat das Königreich schon mehr als 5000 Vereinsmitglieder gewonnen. Sie alle wollen gesund essen und geduzt werden. Also schwärmt König Peter von Selbstverwaltung, isst demonstrativ Wurst und Käse aus eigener Herstellung und bezeichnet sich immer wieder mit aufgesetzter Demut und Gottesfurcht als "Menschensohn des Horst und der Erika aus dem Hause Fitzek".

Perfekte Simulation

Es ist die perfekte Simulation einer vormodernen Welt auf gegenseitiger Augenhöhe. Das Königreich soll ganz bewusst aus der Zeit gefallen wirken: wie ein schrulliges DDR-Märchen oder die heimelige "Feuerzangenbowle" mitten im Krieg. Da gibt es eine eigene "Gemeinwohlkasse" und eine eigene "Reichsbank". Und es gibt einen eigenen digitalen Marktplatz "Kadari". Dessen Imperativ "Kauf das Richtige!" ist programmatisch für Fitzeks Anmaßung und Gier. Wie viele andere Sekten lebt sein System von hohen Seminargebühren und bedingungslosen Spenden. Fitzek nennt sie "Kapitalübertragungen" - ohne jede Gegenleistung.

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Mehrere Millionen Euro sind dem Pseudokönig bereits von treuen Gefolgsleuten zugegangen. Die Immobilien und Grundstücke, die er davon gekauft hat, umfassen zwei Schlösser und einen Gutshof. Die Fläche des Pseudokönigreichs soll mehr als 140 Hektar betragen und wäre damit schon größer als der berühmteste und berüchtigtste aller Zwergstaaten: der Vatikan in Rom. Der Vergleich ist passend, denn auch Fitzek herrscht in einer "Wahlmonarchie", die ihn auf Lebenszeit bestellt hat. Im Unterschied zum Kardinalskollegium, das den Papst wählt und dem immerhin 120 Wahlberechtigte angehören, sind es im "Königreich Deutschland" allerdings nicht mehr als ein Dutzend.

Wer Fitzeks verführerische wie undemokratische Klippowelt mit ihren Pseudoreichspässen und Pseudoreichsführerscheinen erleben will, sollte entweder das wahre Theater besuchen und für 11 Pseudomark ein Pseudovisum für das Pseudokönigreich erwerben. Der nächste Tag der offenen Tür kommt bestimmt! Alternativ kann man sich aber heute und morgen auch auf den Grund und Boden des Bezirksamts von Berlin Pankow begeben, dem das "Theater unterm Dach" gehört. Es hat die Inszenierung der Theatergruppe "Polyformers" unter die einzig vernünftige Frage gestellt: Wieso rebellieren Menschen gegen Autoritäten, um sich dann neuen, viel krasseren Autoritäten zu unterwerfen?

Quelle: ntv.de

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