"'Ne Riesenkollektion" Guido Maria Kretschmer, der Sonnenkönig
30.06.2016, 14:31 Uhr
(Foto: imago/Future Image)
Guido Maria Kretschmer ist wirklich so reizend, wie man ihn sich vorstellt. Und er ist ein Workaholic. Ein Frauenversteher. Ein Teamplayer. Ein Meister seines Fachs. Seine Show bei der Mercedes Benz Fashion Week in Berlin ist sensationell - anders kann man es nicht nennen. So ist es, wenn einem Schönheit den Atem nimmt, wenn man sich in eine andere Welt träumen darf, als ob man im Kino sitzt. Nur ohne böse Überraschungen. Kretschmers Frühjahr/Sommer 2017-Kollektion steht unter dem Motto "Rayon de Soleil" (Sonnenstrahl) und entführt die Trägerin der exquisiten Teile in die fabelhafte Welt der französischen Lebensart. Feminine Designs mit floralen Elementen bestimmen die Entwürfe, die sich dem "Laissez faire"-Lebensstil Frankreichs verschrieben haben. Sanft fließende Stoffe, die Kretschmer in die für ihn typischen Seidenkleider, Kaftane, zarte Blusen und luftige Röcke verarbeitet, prägen die Kollektion. Kurz vor der Show nutzt n-tv.de die Gelegenheit, mit Guido Maria Kretschmer zu sprechen.
Guido Maria Kretschmer: Süßer Look.
n-tv.de: Danke. Aus Marrakesch.
Und jetzt sind die Hintergrundgeräusche doch zu heftig, so dass ich leider nicht verstehe, was GMK wirklich sagt. Es gäbe die Möglichkeiten A und B.
A: Ja, ich bin auch so ein Maroc-Typ.
Oder B: Ja, ich bin auch so ein Barock-Typ.
A wäre okay, der Fummel ist vom Bazar, B macht mich nachdenklich, denn Barock will ich nun echt nicht genannt werden. Auch nicht von Guido. Obwohl, er meint es ja nie böse, und eine Gräte bin ich nicht. Also weiter.
Ich liebe diesen Arabian Look sehr!
Ist das etwas, das in deiner neuen Kollektion auch eine Rolle spielt?
Nein, dieses Mal leider gar nicht, das hatte ich schon vor ein paar Jahren, eine ganz wunderbare Hommage an den Nil. Nee, jetzt ist es so ein bisschen (zögert) viel (lacht). Es ist eine große Kollektion. Aber ich wollte das auch. Ich hatte so Lust, das alles zu zeigen. Ich hab' mir gedacht, ach komm' Guido, ich mach' mal 'ne Riesenkollektion.
Und was heißt "alles"?
Es ist sehr feminin. Sehr leicht, auch mal mini, sehr frei. Ja, meine Mode kommt aus einer Welt, die sehr frei ist. Ich wollte mal eine Kollektion zeigen, die die Freiheit würdigt, die zeigt, dass man alle Momente in der Welt nutzen kann; dass es schön ist, wenn Menschen aus aller Welt zusammen kommen, aus Oslo, aus Neuguinea, aus Australien, aus Buxtehude. Darauf habe ich dieses mal wieder besonders geachtet, dass meine Mädchen von überall her kommen, weil ich das wichtig finde in unserer Zeit, in der man so aufpassen muss.
Deine Inspiration ist also die Welt und deswegen liebst du es, wenn die Welt bei dir ist?
Ja, und dass die Leute merken, dass diese Mischung toll ist. Ich denke, wir Modeleute sind das beste Beispiel dafür, offen zu sein. Wir sind offen für alles, was da kommt, wir profitieren doch davon, wenn alles möglichst bunt ist. Wir profitieren von der Mischung, und ich will gerne weitergeben, dass man sich darum bemühen sollte, alles und alle unter ein Dach oder einen Hut zu bekommen, dass man keine Angst zu haben braucht. Ich möchte, dass man das Fremdsein schätzt, und nicht verurteilt!
Als Künstler, als Kreativer, nimmt man die Welt ja noch sensibler wahr, denke ich mir. Wie gehst du mit der momentanen Lage - Brexit, Fremdenhass, Terroranschläge - denn um, beeinflusst dich das in deiner Arbeit?
Meine Oma hat immer gesagt: "Das einzige was in der Welt gerecht verteilt wurde ist Dummheit." Da ist leider viel Wahres dran. Ich glaube daran, dass wir aufpassen müssen, dass wir freiheitsliebenden Menschen, die wissen, dass es uns gut geht, dass wir die Fahne der Toleranz hochhalten. Ich zum Beispiel habe eine tägliche Sendung (Anm.: "Shopping Queen"), da kann ich das jeden Tag vermitteln, wenn ich es möchte. Ich sag' dann: "Passt auf, Leute, und passt vor allem auf eure Kinder auf, es gibt so viele Bekloppte unterwegs." Hat man ja gerade in England gesehen.
Das war ja eine Entscheidung der "Alten" ...
Ja, die kann man vergessen, aber ich glaube, man darf die Kinder nicht vergessen. Man muss Vorbild sein. Die werden gerade in einer Zeit groß, wo man wieder das Gefühl kriegen könnte, dass man Angst haben muss vor dem Neuen, dem Fremden, dem, was da kommt. Meine Generation gehört zu der "goldenen Generation" glaube ich, da waren die Eltern alle noch ein bisschen Hippie, und es ging um Friede und Freude und Freiheit. Jetzt muss man echt drauf achten, dass alle sich wieder ein bisschen besinnen.
Hoffen wir das Beste. Ich habe den Eindruck, dass Modeleute ein besonders großes Herz haben.
Ja, aber schon immer. Weil wir schon immer in dieser Welt unterwegs sind. Isoliert können wir nicht existieren, ganz einfach. Wir brauchen die Inspiration, und die holen wir uns überall. Kunst, Kreativität, und auch das Kommerzielle funktionieren nur, wenn wir uns öffnen, wenn wir kommunizieren. Die Welt ist mir nicht fremd. Wenn man mal woanders gelebt oder studiert hat, wenn man eine andere Sprache spricht, damit man klarkommt, dann kommt man gar nicht auf die Idee, Fremdes abzulehnen oder Angst davor zu haben. Das hat mich alles geprägt, und deswegen kann ich jetzt auch nicht aufhören. Ich habe jedenfalls keine Angst davor, in Zukunft nur noch Couscous zu essen (lacht). Und wenn schon, is' ja lecker.
Also, dein Motto ist Vielfalt und Toleranz ...
... ja, auf jeden Fall, das ist das Thema.
Suchen wir mit dir eigentlich bald wieder "Deutschlands schönste (normale) Frau"?
Ja, klar, warum denn nicht. Ich habe dieses Format geliebt. Ein paar Änderungen, und los geht's (lacht). Ich mach' da natürlich sehr frauenaffine Dinge. Aber jetzt hab' ich schon eine andere Sendung abgedreht, eine sehr schöne Talk-Show auf dem Land, die kommt im Herbst, da freu' ich mich sehr auf die Ausstrahlung. Die entspricht mir. Und jetzt mal Jammern auf hohem Niveau: Ich habe so viele Angebote, Möglichkeiten, Ideen, dass ich gar nicht hinterherkomme.
Der Tag eines Guido Maria Kretschmer hat also auch nur 24 Stunden, die Woche sieben Tage?
(lacht) Ja, leider. Aber ich mache das, was mir guttut.
Mein Lieblingsspruch war, als eine etwas, sagen wir mal, korpulentere Kandidatin am Pool lag, in einem Meerjungfrauenkostüm, und du sagtest, aus dem Off: "Ich möchte sie mit Fisch füttern."
Ja, und ich bin heute noch mit ihr befreundet.
Du hast das ja auch gar nicht bösartig gesagt ...
... nein, natürlich nicht. Ich bin ja lieb. Solche Menschen wie die Alexandra, die gehen mir nicht verloren. Ich habe einen großen Vorteil: Als ich erfolgreich wurde, war ich schon erwachsen. Ich habe also nicht verlernt, der zu sein, der ich bin. Ich dachte nicht, dass ich jetzt ein anderer werden muss, bloß weil ich Erfolg habe.
Hast Du noch alte Freunde von "damals"?
Natürlich. Und Neue kommen dazu. Das ist es, was für mich zählt. In der Mode ist es eh besser, auf dem Boden zu bleiben.
Mit Guido Maria Kretschmer sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de