"Bad Boy" und Künstlerfürst Julian Schnabel malt sich aus der Krise
17.06.2016, 13:04 Uhr
Die n-tv Dokumentation "Julian Schnabel - Im Pyjama in den Kunsthimmel" nähert sich einem der großen Phänomene der zeitgenössischen Kunst.
(Foto: picture alliance / dpa)
Exaltierter Kunststar, sensibler Regisseur und Heidi Klums Schwiegervater in spe. Der US-amerikanische Künstler Julian Schnabel galt lange als der talentierte Bad Boy der Malerei. Mit seinem extrovertierten Lebensstil, seinem toskanischen Palazzo in Manhattan und einem gesunden Ego stand er für Exzess, Größenwahn und Hedonismus. Auch nach vielen Beziehungen und sechs Kindern kommt er nicht zur Ruhe. Der pompöse Patriarch, der gerne im Seiden-Pyjama auftritt, malt sich aus Krisen einfach heraus.

Heidi Klums Freund Vito Schnabel (r.) hat es wie seinen Vater ins Kunstgeschäft gezogen - allerdings als Händler.
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In den 1980er-Jahren war Julian Schnabel nicht nur auf Ausstellungs-Eröffnungen ein gern gesehener Gast der New Yorker Society. Er war ein junger Maler, der auf einer Welle des Erfolgs ritt. Schnabel wurde 1951 in Brooklyn geboren, ging aber mit seiner Familie bald nach Texas, wo er aufwuchs und auch die Universität besuchte. Nach dem Kunststudium zog es ihn zurück nach New York.
Um sich für ein Programm des renommierten Whitney Museums zu bewerben, schickte er seine Arbeiten wie in einem Sandwich zwischen Brotscheiben gequetscht ein. Und er wurde angenommen. Schnell etablierte er sich als junger Künstler in der Szene. In den 1970er-Jahren folgten Einzelausstellungen in New Yorker Galerien und Museen. Dort präsentierte er auch erstmals seine "Plate Paintings", die ihn bekannt machen sollten: großformatige Scherbengemälde aus zerbrochener Keramik, Teile von Tellern und Gefäßen, Wachs und Farbe auf Leinwand. Er wurde Teil der aufkommenden Gruppe von Neo-Expressionisten, die sich gegen den kühlen Minimalismus und Informel stellte und eine spontane, gestische und impulsivere Kunst zeigte.
Der junge Wilde

Julian Schnabel: Childhood II, 2016, 130x93 cm. Derzeit zu sehen im Ludwig Museum in Koblenz.
(Foto: Geuer & Geuer ART GmbH)
Schnabel erarbeitete sich den Ruf eines jungen Wilden, malte auf Samt und Tierhäuten. Im Zeitalter der Yuppies, der Gier und steigender Börsenkurse verkauften sich seine Arbeiten gut an Wallstreet-Händler und Banker. Er galt als arrogant, rotzig und ehrgeizig, aber die Kunstwelt zollte ihm Respekt: Er war in den 1980er-Jahren bei der Biennale in Venedig vertreten und 1981 der jüngste Teilnehmer der Ausstellung "A New Spirit in Painting" in der Royal Academy of Arts in London. Unter den anderen gezeigten Künstler waren: Pablo Picasso, Francis Bacon, Gerhard Richter, Georg Baselitz und Sigmar Polke.
1987 war eines seiner erfolgreichsten Jahre als Maler, eine große Retrospektive wurde in London, Paris, Düsseldorf und im Whitney Museum in New York gezeigt. Er galt als einer der gefeiertsten und teuersten Maler seiner Generation, pflegte eine provokante Genieattitüde. Und fiel in Ungnade. Als seine Karriere zu stagnieren drohte, erfand er sich neu.
In den 1990er-Jahren begann er, neben der Malerei Filme zu drehen. Dem tragischen Kunst-Wunderkind und befreundeten Maler Jean-Michel Basquiat, der jung an einer Überdosis starb, widmete Schnabel 1996 mit "Basquiat" eine zarte Hommage. In "Before Night Falls" aus dem Jahr 2000 ehrt er den kubanischen Schriftsteller und Dissidenten Reinaldo Arenas.
"Mit der Malerei bin ich verheiratet"
Für "Schmetterling und Taucherglocke", sein Porträt des einstigen Herausgebers der französischen "Elle", Jean-Dominique Bauby, der durch einen schweren Schlaganfall aus dem Leben gerissen wurde und nur noch per Augenzwinkern kommunizieren konnte, gewann Schnabel 2007 bei den Filmfestspielen von Cannes den Regiepreis und auch einen Golden Globe. Er gilt als talentierter Regisseur, seine Filme werden als visuelle Meisterwerke gefeiert. 2010 nähert er sich im Film "Miral" dem israelisch-palästinensischen Konflikt auf poetische Weise. Sich selbst sieht er jedoch immer noch als Maler.
Der Kern seines Schaffens sei immer davon beeinflusst, dass er Maler sei und auch Filme aus der Perspektive eines Malers mache, sagt er in Interviews. "Mit der Malerei bin ich verheiratet, das Filmemachen ist meine Geliebte." Und seine Frau bleibt ihm treu, seine Malerei erlebt ein Comeback. Schnabels Arbeiten sind in vielen namhaften Sammlungen vertreten, große Museen widmen ihm Ausstellungen, so auch das Ludwig Museum in Koblenz, das derzeit mit "Palimpsest. Printed Works" eine umfassende Retrospektive seines grafischen Werks zeigt. Wie er in einem Interview bekräftigte: "Wenn ich ein Problem habe, male ich, bis es verschwindet."
Die n-tv "Inside Art" - Doku "Julian Schnabel - im Pyjama in den Kunsthimmel" mit Wolfram Kons und andere Beiträge aus der Reihe finden Sie hier.
Quelle: ntv.de