Autor damals Soldat in Moskau Kaminer: Wir fanden Rust unglaublich cool
24.05.2017, 14:27 Uhr
Wladimir Kaminer fand Rusts Landung auf dem Roten Platz total cool - und sie inspirierte ihn, zu versuchen, in den Westen zu kommen.
(Foto: picture alliance / Wolfgang Kumm)
1987 mischt sich ein junger Mann aus Norddeutschland in den Kalten Krieg ein. Mathias Rust landet mit einer Cessna auf dem Roten Platz in Moskau. Hautnah erlebte dies Starautor Wladimir Kaminer mit - als Wehrdienstleistender in der Roten Armee.
30 Jahre ist es nun her, dass der Hobbypilot Mathias Rust mit einem Kleinflugzeug in Moskau auf dem Roten Platz landete. Der Schriftsteller und ehemalige Sowjetsoldat Wladimir Kaminer ("Russendisko") bewundert den Hobbypiloten Mathias Rust dafür noch heute - obwohl er ihn damals beinahe abgeschossen hätte, wie er einmal bei einer Lesung sagte. Damals war der heutige Wahlberliner Funker in der Sowjetarmee. "Natürlich hat er die sowjetische Armee und den Staat in eine lächerliche Lage gebracht. Aber er kam nicht mit Waffen, sondern mit einer Friedensbotschaft. (...) Vor allem die jungen Leute sahen in ihm einen Helden", sagte der 49-jährige Autor der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Kaminer war damals, im Mai 1987, als Wehrdienstleistender bei der sowjetischen Raketenabwehr und hat den Flug von Rust durch alle Verteidigungsringe bis mitten in die Hauptstadt im Dienst erlebt, wie er weiter erzählte. Abschießen konnte er den damals 19-jährigen Hobbypiloten als Funker aber gar nicht. "Ich bin wirklich froh, dass dieser Rust damals in Moskau gelandet ist, weil das mit dazu beigetragen hat, dieses Imperium Sowjetunion zum Einsturz zu bringen", sagte Kaminer.
Der Flug sei ja völlig überraschend gekommen, da "kam dieser Junge aus einem Hamburger Vorort, eine Art durchgeknallte Friedenstaube, landete auf dem Roten Platz und erklärte, wir seien doch Nachbarn". Das sei so unerwartet gewesen, als hätte man ein fremdes Land "mit Blumen, Kuchen und Eis bombardiert". Für ihn selbst sei das wie eine persönliche Einladung in den Westen gewesen. "Ich dachte, wenn er es trotz aller Raketen und Feindseligkeiten (...) geschafft hat, einfach in Moskau zu landen, dann kann ich auch nach Europa."
"Ich heiße Mathias, wie geht's?"
Seine Kameraden hätten die Landung Rusts "unglaublich cool" gefunden. "Und nun sahen wir, wie einer mit einem kleinen Flugzeug, das ihm noch nicht mal gehörte, wie nebenbei über alle Grenzen fliegt und in Moskau landet, total cool am Roten Platz aussteigt und sagt: 'Hallo, ich heiße Mathias, wie geht's?'"
Der damals 18-jährige Rust wurde nach seiner Landung mit einer Cessna in Moskau festgenommen und zu vier Jahren Arbeitslager verurteilt. Allerdings wurde er nach 14 Monaten Haft entlassen und musste nach Deutschland zurückkehren. 1990 kam Kaminer dann nach Berlin - allerdings nicht mit dem Flugzeug, sondern mit dem Zug. Jahre später habe er Rust dann persönlich bei einer Lesung in seinem Heimatort Wedel kennengelernt. Er habe dort erzählt, dass er Rust damals beinahe abgeschossen hätte. In der Pause habe der dann vor ihm gestanden. "Ich hatte damals den Eindruck, dass er noch genau der gleiche verträumte Junge ist wie 1987 auf dem Roten Platz."
Quelle: ntv.de, vpe/dpa