70 Jahre "Bunte" "Man muss auch noch was anderes können"
12.04.2018, 16:26 Uhr
Patricia Riekel mit dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit.
(Foto: imago stock&people)
Beate Wedekind und Patricia Riekel reden natürlich über andere, das gehört zu ihrem Beruf. Aber vor allem haben sie Pläne abseits von Klatsch und Tratsch. Beiden ist wichtig, wie die Welt sich weiterdreht, deswegen stecken sie ihre Energie in die Zukunft.
Sitzen drei Frauen auf dem Sofa. Sagt die eine: "Heute ist Mittwoch". Sagt die andere: "Morgen kommt die 'Bunte'." Sagt die Dritte: "Schon seit 70 Jahren übrigens." Gut, ganz so war es nicht, aber so ähnlich darf man sich das vorstellen, wenn Patricia Riekel, ehemalige Chefredakteurin von "Bunte", 20 Jahre das Gesicht und Richtungsgeberin der Wochenzeitschrift aus dem Hause Burda, und die Journalistin Beate Wedekind, auch eine Frau mit Burda-Vergangenheit, bei n-tv.de aufeinandertreffen.
In der dritten Folge berichten Patricia Riekel und Beate Wedekind, was sie planen, denken, wollen, und was sie sich und den bunten Promis wünschen.
n-tv.de: Wie lebt ihr jetzt eigentlich, Patricia und Beate? Verliert man nicht ein bisschen die Ehrfurcht, wenn man viel mit der Prominenz zu tun hat?
PR: Zur ersten Frage: in München. Und zur zweiten Frage: Das würde ich so nicht sagen, aber die Leuchtkraft des Wortes Prominenz hat nachgelassen für mich. Warum ist einer prominent, die alte Frage. Weil er einen Nobelpreis bekommen hat? Weil er ein begnadeter Schauspieler ist? Weil er - oder sie - eine Lebensleistung hat? Oder weil jemand dem anderen die Frau ausspannt?
BW: Also, ich finde Prominente nur akzeptabel, wenn sie für irgendetwas eine außergewöhnliche Kompetenz haben. Und mich interessiert auch nicht, was die Leute anhaben, eher schon, was die Klamotte gekostet hat. Mich interessiert nicht, wer mit wem schläft, mich interessiert, wie die Leute leben. Ich lebe übrigens ins Berlin, auf Ibiza und in Addis Abeba, Äthiopien (lacht).
PR: Das ist übrigens mein Lieblingsthema - wie man wohnt! Man ist doch nur dann ein eleganter Mensch, wenn nicht nur das Kleid stimmt, sondern auch die Umgebung. Manch einer sieht so toll aus, aber lebt ganz langweilig. Mich interessiert, hat diese Person Bücher, hat die ein schönes Sofa, liegen da Decken drauf und Kissen, was für Bilder sind an der Wand? Wie reist jemand? Bei Kitzbühel ist man bei mir im Punktesystem übrigens ganz nach unten gerutscht (lacht).
Dann kommen wir mal zu denen, die uns heute sagen wollen, wo es langgeht, zu den Influencern, den Bloggern. Können die uns eine Richtung geben? Dürfen die euch sagen, wie "man" heute wohnt? Oder isst? Oder liebt?
PR: Die meisten haben ja keinen Geschmack. Punkt. Man muss auch noch etwas anderes können.
BW: Mich faszinieren die schon, Influencer sind ein Phänomen. Mir persönlich sagen sie eher auch nichts, aber sie sind ein Gradmesser für die junge Generation. Mich erschreckt das teilweise, diese neue Oberflächlichkeit, die Konzentration auf Luxus und Moden, das ist für mich irgendwie retro. Ich kann auch mit Männern nichts anfangen, die sich über ihren neuen SUV und ihr Golf-Handicap definieren.
Was muss ein Mann eigentlich "haben", in euren Augen?
PR: Vor allem sollte man von einem Mann nicht zu viel erwarten. Auf keinen Fall, dass er dein Leben steuert und in die Hand nimmt. Das musst du selbst machen.
BW: Es sei denn, man will ihn ausbeuten ... (lacht laut). Ich kenne etliche vor allem auch junge Frauen, die sich gern von ihrem Mann finanzieren lassen. Auch so ein Retrotrend. Schade.
Darüber wird dann auch gebloggt, sehr erfolgreich anscheinend. Irgendwie gruselig ...
BW: Stimmt. Ich erwarte jedoch, anders als du, Patricia, viel von einem Mann, mit dem ich mein Leben verbringen möchte: Zuverlässigkeit vor allem, ich kann Hallodris nicht ausstehen. Und ja, ich möchte, dass "mein" Mann mich unterstützt. Wir ihr wisst: Ich habe ja keinen, jedenfalls keinen, mit dem ich mein Leben teile, und bin es manchmal echt leid, mich um alles selbst kümmern, jede Entscheidung selbst fällen zu müssen.
Wann sind Frauen für euch gleichberechtigt?
PR: Dann, wenn sie keine Netzwerke mehr knüpfen müssen. Sondern Seilschaften bilden. In ein Netzwerk legt man sich, in einer Seilschaft, da ziehst du jemanden mit. Und das können bisher nur Männer.
BW: Gleichberechtigung ist für mich, wenn Frauen und Männer in der Gesellschaft die gleiche Wertschätzung erfahren, vollkommen unabhängig von ihrem Geschlecht.
Und wie definiert ihr Feminismus? Ein in der letzten Zeit arg strapazierter Begriff.
PR: Wenn Frauen wirklich Frauen unterstützen und wenn wir eine Welt haben, in der das Kinderkriegen so integriert ist, dass eine Frau nicht im Mutterschutz verschwindet, sondern in der wir eine Situation schaffen, in der die Kinder zum Beispiel mit in den Beruf gebracht werden können. Kinder kriegen muss verknüpft werden mit dem restlichen Leben. Denn sonst wird das ja auch nichts mit Frauen in Führungspositionen. Wir brauchen mehr Home Office, mehr Bereitschaft von Arbeitgebern.

"Habe immer gemacht, was ich wollte": Riekel mit Joachim Gauck in Maybritt Illners Talkshow.
(Foto: imago stock&people)
BW: Ich hasse dieses Modewort Feminismus. Für jeden bedeutet das doch etwas anderes, man kann das nicht über einen Kamm scheren. Es wird zu dogmatisch gebraucht. Und dann gibt es zu viele Kampfhennen (lacht), sie machen meiner Meinung nach eher etwas kaputt. Wenn ich spüre, dass mich jemand nicht ernst nimmt als Mensch - und ich sehe mich in erster Linie als Mensch, nicht als Frau - dann sorge ich dafür, dass mein Gegenüber das kapiert. Diese Männer, die so einen merkwürdig despektierlichen Ton auch erwachsenen Frauen gegenüber draufhaben, einen "Kindchen" nennen, die verabscheue ich. Wenn Frauen von anderen Frauen als "Mädels" sprechen, finde ich das genauso ätzend. Natürlich sehe ich, dass viele Frauen noch immer sehr viel kämpfen müssen. Ich sehe aber auch immer mehr junge Männer, die sich für Frauen einsetzen.
Wie war das in eurer Jugend?
BW: Persönlich habe ich Glück gehabt: Ich behaupte mal, ich bin emanzipiert geboren. Ich konnte mich frei entfalten. Ich war frech und sehr selbstbewusst. Ich habe immer gemacht, was ich wollte.
Wedekind war in den 80ern langjährige Society-Kolumnistin von "Bunte" ("Mein Rendezvous"), Gründungschefredakteurin der deutschen "Elle" und 1992/93 ebenfalls eine Weile Chefredakteurin von "Bunte". Beide Frauen kennen sich lange, schätzen und mögen sich, und: sie arbeiten hier und da wieder zusammen. Zwei sich Stichworte gebende, ins Wort fallende, lachende, intelligente, zukunftsorientierte Frauen, die der unterhaltsame Beweis dafür sind, dass Alter (die Damen sind Ende 60) etwas rein Biologisches ist und absolut kein Grund, in Unternehmungsgeist, Zielsetzung oder Lust aufs Leben nachzulassen. Jetzt reden sie darüber, was in den letzten 70 Jahren im deutschen Fachorgan für Stars und Sternchen - der "Bunte" - alles stand. Und was nicht. Denn nichts macht eine Boulevard-Reporterin glaubwürdiger, als in den wichtigen und richtigen Momenten die Klappe zu halten. Beide Frauen haben gut zu tun: Sie schreiben - und genießen es vor allem, dabei nicht auf die Textlänge achten zu müssen. Patricia Riekel bringt nach intensiven Gesprächen mit Willy Bogner eine sehr persönliche Biografie über seine verstorbene Frau, die Modedesignerin Sonia Bogner, heraus. Beate Wedekind liegt in den letzten Zügen ihrer Autobiografie. Und nach wie vor sind beide als Promi-Expertinnen gefragt.
PR: Wir waren zu Hause zwei Mädchen und zwei Jungen - aber einen großen Unterschied gab es nicht. Wir sollten machen, was wir wollten, möglichst gut. Daran musste ich zum Beispiel denken, als ich damals die Zeitschrift "InStyle" nach Deutschland geholt habe. Da hat mich niemand beauftragt – ich bin einfach hingefahren und habe das eingefädelt. Ich wollte das, also hab' ich es gemacht. Das geht, wenn man es nur will. Feminismus heißt für mich: frei und unabhängig sein.
Zur Frage Kinder und Beruf: Man braucht Großeltern als Betreuer in der Stadt oder das viel zitierte Dorf, das bei der Erziehung hilft?
PR: Ja, ich habe zum Beispiel eine Entscheidung gegen Kinder getroffen. In meiner Generation war das kaum möglich. Heute vielleicht ein bisschen leichter. Aber Chefredakteurin von "Bunte" und Kind - das ist schwierig.
Du warst 20 Jahre Chefredakteurin von "Bunte", Patricia. Sind dir diese oberflächlichen Themen nicht irgendwann auf den Wecker gegangen?
PR: Nein, denn es gibt für mich keine oberflächlichen Themen, höchstens eine oberflächliche Betrachtung.
BW: Ich wundere mich manchmal über mich selbst: Als Leserin siegt bei mir immer die Neugier. Aber beruflich beschäftige ich mich schon lange lieber mit anderen Themen als der Prominenz.
Wo seht ihr denn eure Zukunft?
BW: Je älter ich werde, desto mehr interessiert mich meine Enkelgeneration, besonders die, die jetzt anfängt, sich eine Zukunft zu bauen. Ich finde, 20-, 25-Jährige haben es heute ungemein schwerer als wir damals in den 70er-Jahren. Ich habe mich jahrelang ausprobiert, verschiedene Berufe gehabt, bin um die Welt gereist, habe schon mit 25 in Äthiopien gelebt und gearbeitet und bin erst mit 30 Journalistin geworden, habe es ohne Abitur und Studium als Quereinsteigerin "zu was gebracht". Das geht heute kaum noch. Du wirst heute schnell als Loser abgestempelt, wenn du nicht weißt, was du willst. Was für ein Unsinn. Also: Meine Zukunft sehe ich darin, junge Menschen auf ihrem Weg zu begleiten, sie zu bestätigen. Und andererseits will ich von ihnen lernen, damit ich à jour bleibe. Ich möchte mich ungern selbst erledigen, weil ich nicht mit der Zeit gehe. Bequem werden möchte ich nie!
PR: Ich werde immer Journalistin sein, weil mich die Menschen faszinieren. Ich schreibe Bücher, arbeite an Drehbüchern und genieße die Freiheit des Älterwerdens. Ich muss nichts mehr werden, niemandem etwas beweisen.
Hattet ihr mal vollkommen andere Ziele?
BW: Nein. Mir sind die Dinge immer eher passiert, als dass ich sie zielstrebig verfolgt habe. Manchmal vermisse ich, dass ich nicht die Gelegenheit hatte, eine eigene Familie zu gründen. Mein einziges Ziel war und bleibt, bitte nicht lachen: Ich möchte so etwas wie ein guter Mensch sein.
PR: Ich wollte immer nur schreiben, seit ich denken kann. Und werde das tun, solange ich denken kann.
Seid ihr eigentlich selbst prominent?
PR: Ich bin vor allem unter Stewardessen bekannt (lacht). Ich werde gern angesprochen, wenn es freundlich ist. Vor allem aber hat es mich sensibilisiert, was Gehässigkeit angeht, Ironie, Zynismus, das lehne ich mittlerweile vollkommen ab. Und ich weiß, dass Prominenz gar nichts bedeutet. Mein Mann und ich freuen uns, wenn wir einen schönen Tisch im Restaurant bekommen (lacht). Aber Prominenz ist eine Krankheit, das ist eine Sucht. Viele essen dafür sogar Kakerlaken im Dschungel - nur, um erkannt zu werden. Ich meide inzwischen sogar viele Veranstaltungen. Aber wenn sich jemand an meine Editorials erinnert oder etwas, das ich geschrieben habe, dann finde ich es toll, wenn ich für die Leistung gelobt werde.
BW: Ich freu' mich, wenn Leute auf dem Flughafen oder in einem Café auf mich zukommen und fragen: Sind Sie nicht Frau Wedekind? Ich frage dann gern nach, woher sie mich kennen. Meist tatsächlich aus meiner Zeit bei "Bunte". Ist doch schön, wenn eine einmal redlich erworbene Bekanntheit so lange anhält. Noch mehr freu' ich mich aber, dass ich in meinem Kiez in Berlin so bekannt bin wie ein bunter Hund. Ich rede halt gern mit den Leuten. Neulich hat mal jemand zu mir gesagt: Sie hätten Journalistin werden sollen. Das fand ich ein ganz wunderbares Kompliment.
Das wären jetzt wirklich die perfekten "famous last words", aber eine Bitte habe ich noch: Ihr dürft euch gegenseitig ein Kompliment machen. Welches?
BW: Patricia, dein Buch "Bunte Republik Deutschland", das du zum 70. Geburtstag der Zeitschrift gemacht hast, ist ja nicht von ungefähr in der Amazon-Bestseller-Liste ganz weit oben. Ich finde es ist eine faszinierende Tour d'Horizon durch die Welt des Glamours. Die "Bunte" war schon immer eine gute Lieferantin für Gesprächsstoff! Für mich war übrigens Hubert Burda der mutigste Chefredakteur von allen, als er das Heft in den 70er-Jahren entstaubte - aber du bist und bleibst für mich das Phänomen. 20 Jahre Woche für Woche all diese Storys. Und in einem unterschied sich deine "Bunte" von allen: Du hast immer versucht, die Prominenten von ihrer menschlichen Seite zu zeigen, du hast ihnen ihre Persönlichkeit gelassen.
PR: Beate, du hast mit deiner Kolumne "Mein Rendezvous" maßgeblich dazu beigetragen, dass aus "Bunte" ein People-Magazin wurde, das Standards für die Societyberichterstattung gesetzt hat. Was mir an deinen Berichten so gut gefallen hat, war, dass du exklusiv dabei warst als neutrale, aber sehr aufmerksame Beobachterin. Wie eine Wissenschaftlerin hast du die Gesellschaft unter einem Vergrößerungsglas betrachtet und analysiert, aber nie verurteilt und das ist es ja, was diese Zeitschrift seit 70 Jahren so erfolgreich macht: Wir sind Berichter und nicht Richter. Deswegen wurdest du auch von der internationalen Gesellschaft überall mit offenen Armen empfangen. Man hat dir vertraut und das ist Voraussetzung für guten Boulevardjournalismus.
Mit Patricia Riekel und Beate Wedekind sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de