Abgesägt, rausgeworfen, verlacht Was macht eigentlich Eva Herman?
09.11.2018, 13:39 Uhr
60 Jahre mit einem Hang zu Verschwörungstheorien: Eva Herman.
(Foto: picture alliance / dpa)
Einst ist sie beliebte "Tagesschau"-Moderatorin. Dann wird Eva Herman zur Skandalnudel - mit rechtspopulistischen Thesen, die heute Konjunktur haben. Johannes B. Kerner wirft sie sogar aus der Sendung. Was macht sie heute? Sie wird 60.
Es gibt den einen oder anderen TV-Skandal, von dem wird man sich vielleicht auch noch erzählen, wenn das Fernsehen längst abgeschafft ist. Den zum Beispiel, als ein "Titanic"-Redakteur 1988 Thomas Gottschalk glauben ließ, er könne die Farbe von Buntstiften erlecken. Oder den, als Sat.1 Margarethe Schreinemakers 1996 den Saft abdrehte, als sie vor der Kamera über ihre Probleme mit dem Finanzamt plaudern wollte. Und den, als Talkmaster Johannes B. Kerner 2007 seine Kollegin Eva Herman aus der Sendung warf.
Das heißt: Eigentlich war Herman da schon gar keine Kollegin mehr. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hatte sie kurz zuvor als Talkshow-Gastgeberin gefeuert. Ihre Rolle als "Tagesschau"-Sprecherin ruhte ebenfalls bereits - das zunächst jedoch auf Hermans eigenen Wunsch. Sie wolle sich auf ihre Tätigkeit als Publizistin konzentrieren, begründete sie ihr Bedürfnis nach einer Auszeit. Eine Auszeit, aus der es für sie keine Wiederkehr geben sollte.
Das, was Herman als Publizistin so von sich gab, erschien unvereinbar mit einer Tätigkeit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Alles fing an mit ihrem Buch "Das Eva-Prinzip". Die überkommenen Rollenklischees von der Frau als Mutter am Herd und dem Mann als "starkem und beschützenden Part" mochten bei ihren Kritikern noch lediglich Kopfschütteln oder Schmunzeln hervorrufen. Das Fass zum Überlaufen brachten jedoch Hermans ungeschickte Formulierungen zur Familienpolitik im Nationalsozialismus - und ihre Weigerung, ihr Ungeschick einzugestehen.
Skandal mit Ansage
Auch bei Kerner. Von einem Nazi-Begriff wie "gleichgeschaltete Presse" wollte sie sich in der Sendung nicht distanzieren. "Es sind auch Autobahnen damals gebaut worden - und wir fahren heute darauf", verstrickte sie sich in weiteren unglücklichen Äußerungen zum Nationalsozialismus. Und sie beklagte, mit ihrer Meinung im gesellschaftlichen Klima der Zeit mundtot gemacht zu werden: "Ich muss einfach lernen, dass man über den Verlauf unserer Geschichte nicht sprechen kann, ohne in Gefahr zu geraten."
Das alles empörte wiederum vor allem die beiden Frauen unter den übrigen Gästen Kerners: Schauspielerin Senta Berger und Margarethe Schreinemakers, elf Jahre nach ihrem eigenen TV-Skandal. Als Berger damit drohte, die Sendung zu verlassen, zog Kerner die Reißleine - und warf stattdessen Herman raus.
Eine Entscheidung, die Kerner später bereute. Und tatsächlich war Herman nicht die Einzige, die in der Situation ungeschickt agierte. Ihr Vorwurf, in der Sendung einem Tribunal ausgesetzt gewesen zu sein, ist jedenfalls nicht ganz von der Hand zu weisen. Nachdem sich um sie und ihre Aussagen schon zuvor wochenlang hitzige Debatten entsponnen hatten, wirkten der Skandal und die Empörung über die bereits geschasste Moderatorin in der Sendung programmiert.
Jeanne d'Arc der AfD
Im Nachhinein liest sich Hermans Geschichte, als sei sie so etwas wie die Jeanne d'Arc der AfD. Und tatsächlich vertritt sie bis heute Thesen, die sie geradezu für einen Posten in der Partei prädestinieren würden. Was sie wirklich heute macht, lässt sich ganz einfach mit einem Blick auf Hermans Internetseite herausfinden. Hier meldet sie sich nach wie vor zu Themen wie "Politik", "Medien" oder "Natur / Seele" zu Wort.
Hermans heutige Gedankenwelt, so viel ist klar, unterscheidet sich nicht von ihrer früheren. Eher noch hat sich die einstmals laut diversen Umfragen "beliebteste Moderatorin Deutschlands" radikalisiert. "Politische Umerziehung durch die Medien", "Die missbrauchte Republik" oder "Abschied von Deutschland" heißen etwa einige der Rubriken, unter denen Herman die von ihr verfassten Artikel zu bestimmten Inhalten zusammenfasst.
Auch in ihrer Vorstellung "Über mich" wird deutlich, dass sich Herman von dem Land, in dem sie lebt, und den Medien, für die sie früher selbst gearbeitet hat, entfremdet fühlt. Immer wieder werde sie gefragt, ob die Bürger "wirklich einverstanden seien mit der merkwürdigen Politik der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel", heißt es da etwa. Und: "Zahlreiche Journalisten, die vielleicht auch viel lieber öfter die Wahrheit berichten würden, ergeben sich weiterhin der angeordneten Propaganda, um nicht ebenso arbeitslos zu werden wie ich damals. Es ist Gewissheit, dass das Totenglöcklein der Massenmedien schon ordentlich läutet, und ich bin nicht wirklich traurig darüber."
"Angeordnete Propaganda"
Es ist viel Frust, der nach wie vor aus Hermans Worten spricht. Frust über ihr persönliches Schicksal bei den nun von ihr gegeißelten und totgesagten "Massenmedien", obwohl sie doch eigentlich gern weiter bei ihnen gearbeitet hätte - schließlich klagte sie damals erfolglos gegen die Auflösung ihres Vertrags beim NDR. Und Frust, der sich offenbar in einem ausgeprägten Hang zu Verschwörungstheorien entlädt.
Das lässt sich nicht nur an Hermans Haltung gegenüber all ihren Ex-Kollegen, die sich angeblich "angeordneter Propaganda" unterwerfen, ablesen. Das kommt auch an vielen anderen Stellen durch. Besonders wirr wird es in einem 2015 verfassten Aufsatz zur Flüchtlingskrise. In ihm orakelt sie, der Zustrom von Migranten werde von einer "Gruppe von Machtmenschen des globalen Finanzsystems" organisiert, mit dem Ziel, die "abendländische Heimat" in "einer Art übermotorisiertem Zeitraffer in ein Schlachtfeld" zu verwandeln.
Schon die Einführung des "gleichmachenden Euro" habe dazu gedient, "die lebendigen Unterschiede der zum Teil uralten Kulturen zu vernichten". Die Anschläge vom 11. September 2001 seien nur ein "tödlicher Trick" gewesen, um einen "terroristischen, islamischen Feind" zu schaffen. Wahlweise spricht Herman - wie schon früher - von den "gleichgeschalteten Massenmedien" und "deren Marionetten, die man Politiker nennt" oder von den "Politikdarstellern" und ihren "ergebenen Medienberichterstattern". Ja, was denn nun?
"Sodom und Gomorra"
Der Aufsatz ist nur ein Beispiel für ihre Neurose von irgendwelchen großen Mächten, die irgendwo im Hintergrund die Fäden ziehen. Da geht es bei ihr sogar noch eine Stufe höher als bis zum Finanzsystem. Als bei der Loveparade-Katastrophe in Duisburg 2010 21 Menschen ums Leben kamen, unkte sie, dies sei womöglich die gerechte Strafe für das "Sodom und Gomorra" und die "Drogen-, Alkohol- und Sexorgie" bei der Techno-Feier. "Eventuell haben hier ja auch ganz andere Mächte mit eingegriffen, um dem schamlosen Treiben endlich ein Ende zu setzen. Was das angeht, kann man nur erleichtert aufatmen!", schrieb sie damals in einem Blog-Beitrag für den Kopp-Verlag.

Mit Bettina Tietjan moderierte sie einst auch die Talkshow "Herman und Tietjen".
(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)
Der Verlag, der allen möglichen Esoterikern, Verschwörungstheoretikern und Rechtsaußen ein Podium bietet, gab auch Herman lange eine publizistische Heimat. 2017 beendete "Kopp Online" jedoch seine redaktionelle Arbeit - aus wirtschaftlichen Gründen, wie es hieß.
Doch abgesehen von ihrer eigenen Webseite, die im Impressum ein Postfach in Kanada ausweist, findet Herman nach wie vor genügend Plattformen für die "freie, unabhängige Berichterstattung". So veröffentlichte sie ihre Gedanken in der Vergangenheit nicht nur bei russischen Medien. Auch Publikationen wie die "Wissensmanufaktur", die "Epoch Times" oder die "Preußische Allgemeine Zeitung", Organ der "Landsmannschaft Ostpreußen", beschäftigen Herman als Autorin - allesamt Ausleger der Neuen Rechten.
Worte an den "lieben Daniel"
Hier darf sie sich nicht nur über Politik auslassen, sondern auch über den "lieben Daniel" Küblböck nach dessen Verschwinden. "Ausgerechnet er war der erste Moderator gewesen, der mich - nach dem ZDF-Kerner-Eklat 2007 - in seine Wiesbadener Internet-Talkshow 'Küblböcks Talknight' einlud", schreibt sie. Das hat offenbar Eindruck hinterlassen bei Herman. So viel, dass sie dem Verschollenen "massenhaft Liebe" sendet: "Mögen Deine Engel Dich liebevoll an der Hand nehmen und Dich ins Licht geleiten. Ich bete für Dich."
Weniger Liebe bringt Herman dagegen nach wie vor für Flüchtlinge auf. So gehörte sie erst im März 2018 zu den Erstunterzeichnern einer Erklärung gegen die "illegale Masseneinwanderung". Initiiert hatte diese die frühere DDR-Bürgerrechtlerin, spätere CDU-Bundestagsabgeordnete und heutige AfD-Sympathisantin Vera Lengsfeld. Doch nicht nur diese Erklärung verbindet die beiden Frauen. Lengsfeld äußert sich gerne in ganz ähnlichen Publikationen wie Herman zu aktuellen Fragen. Und die frühere "Tagesschau"-Moderatorin räumt ihr auf ihrer Webseite auch gerne mal einen Platz als Gastautorin frei.
Privat liegen hinter Eva Herman vier Scheidungen, eine Privatinsolvenz und ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Nun, am 9. November, wird sie 60 Jahre alt. Zu dem Versuch, ihre Vorstellungen im siebten Lebensjahrzehnt in praktische Politik zu gießen, fühlt sie sich offenbar nicht berufen. Sie gehöre keinerlei "Parteien, Vereinigungen, Religionsgemeinschaften oder Sekten an", schreibt sie auf ihrer Webseite und behauptet: "Ich bin frei!" Ob die AfD darüber froh oder traurig ist? Man weiß es nicht.
Quelle: ntv.de