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"Erwartungsfroh und zuversichtlich" Wowereit moderiert "Künstler gegen Aids"

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Macht sich mal wieder für den guten Zweck stark: Klaus Wowereit.

(Foto: imago stock&people)

13 Jahre lang war er der Regierende Bürgermeister von Berlin - und sein Abgang war nicht rühmlich, denn viel blieb vom Hauptstadtflughafen-Desaster an ihm hängen. Er hat ganz sicher nicht alles richtig gemacht, aber er hat garantiert auch nicht alles falsch gemacht. Das zeigt allein sein Engagement im Kampf gegen Aids. Die Veranstaltung "Künstler gegen Aids - Die Gala 2016" liegt ihm als Schirmherr bereits seit seinem Amtsantritt 2001 am Herzen. Nun moderiert er die Gala auch ("Ich wurde überrumpelt") - und ist ein kleines bisschen aufgeregt, wie er n-tv.de beim Gang durch die Berliner Aids-Hilfe e.V. in der Nähe des Nollendorfplatzes verrät. Von Ute Hiller, der Gesamtleiterin der Berliner Aidshilfe erfahren wir zudem, was hinter dem Programm "90-90-90" steckt: "90 Prozent aller Betroffenen sollen ihren positiven HIV-Status kennen, davon sollen sich 90 Prozent in einer Therapie und 90 Prozent davon sollen sich durch die Behandlung unter der Nachweisgrenze befinden." Sagt sie und atmet tief durch, denn das Ziel, das 2030 erreicht sein soll, erscheint so nah, und ist dennoch so fern. Der Kampf gegen HIV und Aids ist aufgrund vieler anderer Themen und Herausforderungen etwas aus dem Fokus verschwunden, deswegen aber nicht weniger aktuell - die Immunschwächekrankheit noch lange nicht besiegt.

n-tv.de: Vor kurzem fand die "Opern-Gala" statt, nun eine weitere Veranstaltung, in der es um das Thema "Aids" geht. Haben Sie nicht die Befürchtung, dass das von einigen Mitmenschen als "too much" empfunden werden könnte? 

Klaus Wowereit: Nein, überhaupt nicht, das sind ergänzende Veranstaltungen, die auch eine vollkommen unterschiedliche Klientel ansprechen. Beides passt zu Berlin, hat sich etabliert, macht sich keine Konkurrenz und es ist Platz für beide da. Die Berliner Aids-Hilfe profitiert auch von den Einnahmen, die die Deutsche Aids-Stiftung hat, deshalb ist das gut. 

Ich freu' mich sehr, dass ich Sie treffe: Meinen alten Regierenden Bürgermeister, der jetzt so ein tolle Aufgabe übernommen hat. Schirmherr waren Sie eh schon, nun auch noch Moderator der Gala "Künstler gegen Aids." Sie selbst bezeichnen die Atmosphäre als "familiär und freundlich" …

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Mit Annabelle Mandeng (l) und Judy Winter auf der Pressekonferenz "Künstler gegen Aids".

(Foto: imago/Future Image)

Ja, die Aids-Gala in der Deutschen Oper ist sehr edel, mit Kartenpreisen, die nicht für jedermann bezahlbar sind, und wir im Theater des Westens sind für viel mehr Leute erreichbar und machbar. Da freue ich mich immer wieder sehr drüber. Und auch deswegen sind wir keine Konkurrenz füreinander, sondern arbeiten für denselben Zweck, nämlich die Aids-Hilfe zu unterstützen, für Aufklärung zu sorgen und Aids im Endeffekt zu bekämpfen und zu beenden. 

Sie haben ein großartiges Aufgebot an Künstlern, auf wen freuen Sie sich am meisten? 

(lacht) Das ist wirklich schwer zu sagen, einige kennt man ja schon so lange: Wie Katharine Mehrling und Angelika Milster, Helmut Baumann wird dabei sein und "Caught In The Act" wird auftreten. Das Schöne ist ja, dass es bei uns keine Hierarchisierung gibt, sondern jeder seinen Beitrag leistet. Es soll eine bunte Mischung sein. Es gibt auch einen Counter-Tenor, Andreas Scholl, und einige Mitglieder des Musicals "Sister Act", das gerade im Theater des Westens gastiert, sind auch dabei. 

Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege, aber kann es sein, dass das Thema "Aids" gerade ein bisschen in den Hintergrund gerückt ist angesichts so vieler anderer Probleme, mit denen man sich auseinandersetzen muss? Ich frage das gerade im Hinblick auf die jüngeren Generationen, die damit ganz anders aufwachsen als wir. 

Ja, es ist ja Gott sei Dank so, dass es Fortschritte gibt. Es gibt Medikamente, die Stigmatisierung ist auch überhaupt nicht mehr zu vergleichen damit, wie es in den Anfängen war. Die Unsicherheit war riesig, die Ausgrenzung war da, und die Todesrate war natürlich eine riesige Belastung. Zum Glück also ist es auf der einen Seite jetzt so, wie es gerade ist, aber auf der andere Seite besteht natürlich weiterhin die Gefahr, vor allem bei jüngeren Generationen, dass sie zu sorglos damit umgehen. So nach dem Motto, man muss sich nicht schützen, es gibt ja Tabletten. 

Das ist aber zu kurz gedacht, denn … 

Klaus Wowereit

Er war der "Glamour-Boy" ("Time"-Magazine) und der Bruchpilot (wegen des BER-Desasters), er war der "Wowi", und er war arm, aber sexy, wie seine Stadt, und er ist der erste Politiker, der sich "geoutet hat: "Ich bin schwul und das ist auch gut so," sagte er, als klar war, dass er der Regierende Bürgermeister von Berlin sein wird (2001-2014). Auch "Regierender Partymeister" wurde er genannt, denn kein Politiker hat den Glamour in der Hauptstadt so auf den roten Teppich gebracht wie Klaus Wowereit. Geboren wurde der Polit-Meister 1953 in West-Berlin, er wuchs in Lichtenrade, als Sohn einer Kriegswitwe, mit vier Geschwistern auf. Seine Mutter und seinen querschnittsgelähmten Bruder pflegte er jahrelang, ein Bruder starb nach einem Verkehrsunfall, die Schwester mit nur zwanzig Jahren. Sein Maß für die Härten des Lebens scheint hoch, denn abgesehen davon, dass er nach außen immer Avantgarde und Lebensfreude zeigte, war er auch einer, der damit klar kommen musste, dass sein Schwulen-Outing ihm nicht nur Freunde gebracht hat. Und dass er in seiner Partei äußerst differenziert betrachtet und bei Weitem nicht nur geliebt wurde. Der Jurist lebt mit seinem Partner, dem Neuro-Chirurgen Jörn Kubicki zusammen und hat sich weitgehend aus der Politik zurückgezogen.Berlin mit Wowereit war anders als Berlin mit Müller, so viel steht fest.

… man muss leider ganz klar sagen: Es ist immer noch eine sehr schwere Krankheit, die tödlich verlaufen kann, vor allem in Ländern oder Regionen, wo Medikamente nicht zu haben oder aber auch nicht zu bezahlen sind. Dementsprechend muss man etwas dagegen tun – und man kann auch etwas dagegen tun. Aufklärung ist selbstverständlich das erste Ziel, vor allem in den Schulen, und weiterhin die Öffentlichkeit zu erreichen, ganz wichtig. Das ist heute dringender denn je, und da kann so eine Veranstaltung auch etwas beisteuern – nicht nur den Spendenerlös, sondern auch die Aufmerksamkeit.  

Da stellt sich doch aber unmittelbar die Frage: Wie schaffen wir es denn, die Medikamente erschwinglicher zu machen? Wie können wir gegen die Zwei-Klassen-Gesellschaft im Krankenkassensystem vorgehen? 

Das ist selbstverständlich das Ziel, den Millionen betroffenen Menschen medizinische Hilfe zu geben. Das ist sowohl national als auch international eine große Aufgabe, noch immer. Aber auch die Pharmakonzerne haben eine Verantwortung, auch bei der Preisgestaltung.

Wenn ein Kosmetikkonzern wie MAC sich für eine solche Sache engagiert, warum ist kein Pharmakonzern dabei? 

Ich kann nicht beurteilen, inwiefern Pharmakonzerne zum Beispiel spenden, aber es wäre durchaus gut, wenn dort ein Beitrag käme (lächelt). 

Sie sind zum ersten Mal der Moderator des Abends – ist das aufregend? 

(lacht) Noch nicht. Ich bin eher erwartungsfroh. An dem Abend werde ich sicher aufgeregt sein, das kann ja auch nie schaden und gehört dazu, aber ich hoffe, dass wir das souverän gemeinsam schaffen werden. Ich habe ja Annabelle Mandeng an meiner Seite, und sie hat große Erfahrung. Deshalb fühle ich mich ganz sicher. (lächelt).

Was macht eigentlich Klaus Wowereit sonst so? 

(lacht) Er genießt das Leben, und macht viel weniger als früher. Die Kunst jetzt ist es, auch mal nein sagen zu können und entsprechende Freiräume zu schaffen und zu erhalten; und dann ja zu sagen, da wo es notwendig ist. Ich war in letzter Zeit auch für das Diakonische Werk oder die Arbeiterwohlfahrt tätig, da sage ich dann gern ja, wenn ich mich sozial einbringen kann. 

Wie sehr juckt es Sie in den Fingern, wenn Sie sehen, wie Berlin sich gerade so ein bisschen herumquält, bei der Regierungsbildung, bei Themen wie Wohnungsbau, Asylpolitik und so weiter … 

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"Dit war sein Milljöh" - würde Zille sagen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ich habe tatsächlich eine notwendige Distanz gefunden, man muss schließlich auch loslassen können. Aber da ich ein politischer Mensch bin und sehr gern in Berlin lebe, interessieren mich die Geschicke dieser Stadt natürlich sehr. Und was soll ich sagen – ich habe natürlich zu einigen Themen eine differenzierte Haltung, aber jetzt muss man den Gegebenheiten auch erstmal eine Chance geben, sich zu finden und zu beweisen.

Sind Sie eigentlich der "Je ne regrette rien"-Typ?

Ja, ich bereue grundsätzlich nichts (lacht). Denn wenn ich etwas gemacht habe, dann habe ich es immer mit Überzeugung gemacht. Da kann man auch Fehler machen, das ist mir vollkommen klar. Und dass man hinterher vieles besser weiß, ist auch natürlich. 

Nochmal zurück zu "Künstler gegen Aids". Was liegt Ihnen am meisten am Herzen? 

Erstmal Aufmerksamkeit – diese Krankheit darf nicht in Vergessenheit geraten. Dann Aufklärung, und dann Dank zu sagen all denen, die zum Beispiel das ganze Jahr über ehrenamtlich tätig sind. Das ist eine schwere, aber ganz wichtige Arbeit. Und dann ist es wichtig, Geld einzusammeln für die Projekte, die sonst nicht arbeiten könnten. Ja, wir haben in Deutschland ein gutes Gesundheitssystem, wir haben gute Hilfeleistungen, aber auch einige Lücken, wo Menschen keine Chance haben, an diesen Leistungen teilzunehmen. 

Vor allem im Vergleich zu anderen Ländern? 

Ja, das auch, aber wir dürfen nicht verkennen, dass wir auch in Deutschland viele Leute haben, die nicht so abgesichert sind. Und Krankenhäuser, Ärzte, die Aids-Hilfe – alle müssen, auch um Geld, kämpfen. Wir wollen schließlich niemanden ohne Hilfe nach Hause schicken. 

Sie haben es selbst gesagt: Ohne Ehrenamtliche könnte man bei der Aids-Hilfe und an vielen anderen Stellen gar nicht auskommen. Was können wir da, zum Beispiel strukturell, lernen für unser neues großes Thema, bei dem viele Ehrenamtliche engagiert sind - beim Flüchtlingsthema? 

Grundsätzlich finde ich, dass wir eine große Welle der Mitmenschlichkeit erlebt haben. Ja, auf der anderen Seite auch wieder große Ablehnung, Ausgrenzung und sogar Fremdenhass, aber überwiegend doch Hilfsbereitschaft. Teilweise haben die Helfer bis zu ihrer eigenen Erschöpfung gearbeitet, und dann lässt das irgendwann mal nach, ein natürlicher Prozess, wie ich denke. Aber es muss weitergehen, und es wird auch weitergehen. Da wo Ehrenamt nichts zu suchen hat, da wo die Grundbedürfnisse befriedigt werden sollten, da muss der Staat ran und was leisten, und das Ehrenamt damit entlasten. Und dann kriegen wir auch wieder Kapazitäten frei.

Am 21. November 2016 findet die Benefizgala "Künstler gegen Aids" im Stage Theater des Westens zugunsten der Berliner Aids-Hilfe e.V. unter der Schirmherrschaft von Judy Winter und Klaus Wowereit statt.

Mit Klaus Wowereit sprach Sabine Oelmann

Quelle: ntv.de

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