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"Der Storyteller" Dave Grohl berührt als Autor

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Voll in seinem Element: Dave Grohl 2019 in Leeds.

(Foto: imago images / PA Images)

Dave Grohl erzählt seine Geschichte. Wer bis jetzt nichts mit Nirvana oder Foo Fighters anfangen konnte, könnte nun zum Fan werden. Würde für zwei Bücher oder zwei Leben reichen. Auf jeden Fall für zwei Rezensentinnen.

Es ist noch früh im Jahr und trotzdem wird es sehr schwer werden, 2022 ein Buch zu finden, das mehr Spaß machen wird. Eigentlich wollte ich nur Bücher für anstehende Geburtstage kaufen, als ich im Laden "The Storyteller" aus Neugier aufschlug, die ersten Seiten las und so lachen musste, dass die dämpfende Maske sehr praktisch war. Seitdem kann ich nicht mehr aufhören, jedem das Buch aufzudrängen. Allen voran meiner Kollegin Sabine Oelmann. (sla)

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Wenn Samira Lazarovic mir ein Buch empfiehlt, dann weiß ich, dass ich es ohne mit der Wimper zu zucken lesen kann. Dass es ein großes Vergnügen ist. Denn nie würde sie mir ein langweiliges Buch empfehlen oder eines, das "angesagt" ist, eben weil es angesagt ist. Sie liest mit dem Herzen. Was in diesem Fall besonders gut passt, denn Dave Grohl schreibt mit dem Herzen. Und dieser großen Menge Humor, die wir alle so dringend brauchen in diesem unendlich wirkenden Winter. (soe)

Dave Grohl, ja, genau, der Foo-Fighters-Frontman und ehemalige Nirvana-Drummer, ist, wie der Titel verspricht, ein Geschichtenerzähler, und zwar ein großartiger. Die Geschichte etwa, wie er in Schweden von der Bühne fällt, um das Konzert mit ausgerenktem Knöchel und gebrochenem Bein zu beenden, ist bekannt, er selbst hat es bestimmt in 100 Interviews erzählt, aber in dem Buch verfolgt man eben den Moment, in dem er sich sagt: "Was soll's - ich spring' einfach die vier Meter hier runter, anstatt peinlich über das Kabel zu stolpern" so gespannt, als wüsste man nicht, was passieren wird. (sla)

Eine große Kunst, Geschichten, die alle bereits kennen, noch einmal wie neu zu erzählen oder aufzuschreiben. Dave Grohl erzählt, als wäre man dabei. Und man fühlt, wie gern er diese Geschichten erzählt, wie er vielleicht an der einen oder anderen Stelle etwas dazuerfindet, dafür etwas anderes weglässt. Das ist nicht gelogen, das ist kreativ. (soe)

Und Grohl hat so viele Geschichten auf Lager: Von seiner ersten großen Liebe, die ihn trotz riesigem Pferdegebiss erhört, (also zumindest für eine ganze Woche), über das Getrommel auf Kissen in seinem Kinderzimmer bis hin zu den Auftritten in den größten Stadien der Welt, im Weißen Haus, mit Musikern, deren größter Fan er ist. Über allen schwebt die Verwunderung, wie das alles ihm, dem Mama-Boy aus einfachen Verhältnissen, dem Außenseiter und Schulabbrecher passieren konnte. (sla)

Seine größten Helden, das sind seine Mama, sein Kurt (Cobain), seine Töchter, to name a few - die Wärme, mit der er über sie schreibt, ist rührend. "Jimmy should have been there. (...) And Kurt." Wenn Kurt bloß hätte sehen können, welche Freude seine Musik anderen gemacht hat, dann hätte er vielleicht ein bisschen Freude für sich daraus ziehen können, resümiert Grohl. Aber Kurt konnte nicht und Daves Herz wird für immer einen Knacks haben. Ein Blick in die Augen seiner Töchter allerdings und Grohl strahlt sein riesiges Lächeln, das Lächeln, das wahrscheinlich auch seine Mutter immer wieder hat schmelzen lassen. "Und auch wenn diese Menschen nicht mehr unter uns sind, ich trage sie in meinem Herzen - so wie sie mich einmal in ihren Herzen mitgetragen haben." Seine Worte an seine Mutter lesen Sie auf Seite 370 und 371 - spätestens da sollten Sie ein Taschentuch zur Hand haben und dem Drang ruhig nachgeben, Ihre Mutter auf der Stelle anzurufen, wenn möglich, und einfach mal danke sagen. (soe)

Der 53-Jährige ist witzig, voller Lebensfreude und hat keine Angst, einen Narren aus sich zu machen - im Gegenteil: Er weist gleich selber auf schlimme YouTube-Videos von sich hin - lieber das Gesicht verlieren, als einen guten Gag verpassen! Vor allem, wenn es darum geht, für seine geliebten Töchter der "silly Dad" zu sein. Für die steht er nach langen Konzertnächten früh auf, um ihnen als Friseur, Stylist, Pausenbrotschmierer und Chauffeur zur Verfügung zu stehen. (sla)

Es ist diese Selbstironie, die den Leser (vielleicht vor allem die Leserin?) so einnimmt. Dass ein recht gut aussehender Mann - und wenn man die Fotos in dem Buch betrachtet, dann wird deutlich, dass Grohl schon immer "recht gut" aussah, aber eben auch nicht gerade wie ein junger Gott, außer auf der Bühne oder hinter den Drums - dass dieser Mann, der Millionen in Ekstase versetzen kann, so bescheiden ist und gut und gern über sich selbst lacht. Das macht ihn sympathisch, das macht ihn groß, das macht, dass man seine Freundin sein will. Einfach so seine Abhäng-Freundin, denn seine große Liebe hat er gefunden und man gönnt sie ihm von Herzen. (soe)

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Dave und Kurt beim Interview zum Europa-Release ihres Albums "Nevermind" bei Geffen Records.

(Foto: imago images/Future Image)

Genau so. Ich habe seine Ehefrau gegoogelt und mich gefreut, dass sie so schön und wunderbar aussieht. Das Familienleben, der regelmäßige Rückzug ins beschauliche, heimatliche Virginia hat ihn vielleicht von Tragödien, wie sie zu häufig um ihm herum passierten, bewahrt. Den Part über Kurt Cobain hat er als letzten geschrieben. Grohl wusste, was Nirvana-Fans von ihm wollten und das wollte er nicht schreiben. Schreibt stattdessen über Verlust und Trauer so, dass alle, die schon mal gute Freunde verloren haben, wissen, was er meint. Am Ende will man sich eigentlich immer mehr Geschichten erzählen lassen, über Swing-Dance-Abende mit den AC/DC-Mitgliedern und seinem guten Freund Paul McCartney, über Termine vor Gericht, über die heute noch ganz Australien lacht. "The Storyteller" macht einfach gute Laune. Wir brauchen mehr davon. (sla)

Dem ist nichts hinzuzufügen, außer Grohls eigene Worte: "Ich vergesse immer noch, dass ich älter bin. Mein Herz und mein Hirn wollen mich weiterhin austricksen und mich glauben machen, dass ich jung bin. Denn immer noch sehe ich die Welt durch die Augen eines rebellischen Kindes, das auf der ständigen Suche nach Abenteuern und Magie ist." Und wir werden ihn dabei weiterhin begleiten. (soe)

Quelle: ntv.de

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