Bücher

"Von Geist und Geistern" Hilary Mantel schreibt die Schatten ins Leben

Die eigene Vergangenheit, Orte, an denen sie war und jede Menge historisches Interesse - die Bestsellerautorin Hilary Mantel hat klare Vorstellungen davon, woraus sich ihre Bücher speisen. Ihre eigene Geschichte erzählt sie beeindruckend präzise und dennoch berührend poetisch.

"Geister und die äußersten Enden der menschlichen Wahrnehmung - das interessiert mich", sagte Hilary Mantel einmal in einem Interview der "Neuen Zürcher Zeitung". Das erklärt auch den Titel ihrer Memoiren "Von Geist und Geistern", der schon 2003 als "Giving Up the Ghost" erschienen war und seit diesem Jahr auch auf Deutsch vorliegt.

Das Buch ist bei DuMont erschienen und kostet 19,99 Euro

Das Buch ist bei DuMont erschienen und kostet 19,99 Euro

Mantel ist heute das, was man eine erfolgreiche Autorin nennt. Sie gewann mehrfach den Booker-Preis, verkauft Millionen Bücher und wurde inzwischen in den Adelsstand erhoben. Das hat auch Neugier auf ihre Person erzeugt. Wer sich allerdings von dieser Autobiografie Antworten auf jede indiskrete Frage erhofft, die er der Autorin gern gestellt hätte, der hat Mantel bisher nicht richtig gelesen.

Die 63-Jährige ist einfach eine begnadete Geschichtenerzählerin und das trifft auch auf die Geschichte ihres eigenen Lebens zu, wenn man bereit ist, ihr auf ihren mäandernden Wegen zu folgen. Nichts wird einfach nur so ausgesprochen, die schwierige Kindheit in komplizierten Familienverhältnissen nicht und auch nicht die Krankheit, die sie mit viel mehr als nur mit ungewollter Kinderlosigkeit peinigte.

Alles wird zu Geschichten

"Ich schreibe nicht, weil ich um Mitleid heischen will", schreibt Mantel. "Menschen durchleben weit Schlimmeres, ohne je davon etwas zu Papier zu bringen. Ich schreibe diese Sätze, um die Geschichte meiner Kindheit und meiner Kinderlosigkeit in den Griff zu bekommen; um mich zu lokalisieren, wenn nicht in meinem Körper, dann im schmalen Zwischenraum zwischen einem Buchstaben und dem nächsten, zwischen den Zeilen, wo die Geister der Bedeutung leben."

Zuletzt erschien von Mantel "Die Ermordung Margaret Thatchers".

Zuletzt erschien von Mantel "Die Ermordung Margaret Thatchers".

(Foto: Reuters)

In die schmalen Zwischenräume der Hilary Mantel passen jede Menge Einsamkeit, Verlorenheit und unzählige Wahrheiten, die zwischen Ja und Nein liegen. Das Kind liest immerzu, nicht immer sind die Bücher altersgerecht für eine Siebenjährige. Aber sie sei fürs Kindsein einfach nicht geschaffen gewesen, schreibt Mantel. Fürs Beobachten und Lernen ist sie gemacht, fürs Träumen und Spinnen, schon während sie sie erlebt, werden die Ereignisse zu Geschichten.

Es gibt nicht viele Menschen, die ihre Erfahrungen aus der Klosterschulzeit - "eine nervöse Höflichkeit und den Anschein weiblicher Zaghaftigkeit" - auf ihre Nützlichkeit hinsichtlich künftiger Mordprozesse hin bewerten. Vielleicht hätte all dieses Wissen tatsächlich für eine Juristenkarriere gereicht, hätte nicht Mantels Körper "diese Revolte" angezettelt. Die Frau, die einmal so dünn gewesen war, dass man sie für schwach hielt, wurde fett. Von Größe 36 auf Größe 46 in wenigen Monaten, graue Haut, ausfallende Haare, dazu ständige Kopfschmerzen, sie kann kaum noch schreiben. Mantel fühlt sich von den medizinischen Prozeduren übel zugerichtet, sabotiert und umgearbeitet. Das Kind, das sie nie bekommen kann, wird ein weiterer Geist.

"Meine Themen entstehen aus einer Kombination aus den Rätseln meines eigenen Lebens, der Orte, an denen ich gewesen bin, und der Teile der historischen Vergangenheit, die mich interessieren", beschreibt Mantel ihr Schreiben. Doch wer ihre Autobiografie gelesen hat, erkennt auch den therapeutischen Anteil in ihren Geschichten.

"Was soll man mit den Verlorenen und Toten machen, als sie ins Leben zu schreiben?" Genau das beherrscht die Autorin meisterhaft und schreibt wahrscheinlich sich selbst gleich mit ins Leben. Gleichzeitig gnadenlos präzise und ausufernd assoziativ lesen sich Mantels in den Tastaturen zerhackte Träume. Und es ist schwer, sich Mantels Erzählsog zu entziehen, nicht nur ihren historischen Romanen.

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Quelle: ntv.de

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