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Frederick Lau stürzt ab "One for the Road" bittet zum "Idiotentest"

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Muss sich seinem Problem letztlich stellen: Mark (Frederick Lau).

Muss sich seinem Problem letztlich stellen: Mark (Frederick Lau).

(Foto: Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH)

Können Kinofilme etwas leisten, woran sich Aufklärungskampagnen vielfach die Zähne ausbeißen? "One for the Road" versucht es zumindest. Mit Frederick Lau und Nora Tschirner sagt der Film dem Alkoholismus den Kampf an - unterhaltsam und ohne Zeigefinger.

"One for the Road" - das ist so eine Floskel, wie sie wahrscheinlich jeden Tag tausendfach irgendwo irgendwem über die Lippen kommt. "Noch eins für den Weg" halt oder - wenn man besonders lustig sein will - noch ein "Fußpils", das man sich unterwegs hinter die Binde kippt, ehe man andernorts noch weitertrinkt oder zu Hause lattenstramm in die Koje fällt.

"One for the Road", das klingt subtiler als "Oans, zwoa, gsuffa", "Einer geht noch" oder "Hier spricht der Bierkapitän", steht im Grunde aber für dasselbe: den allzu laxen, verniedlichenden oder sogar verherrlichenden Umgang der Gesellschaft mit Alkohol, egal, wo man gerade geht oder steht. Denn lange gehen oder stehen muss man etwa im Berliner Nachtleben selten, bis einem die ersten Personen mit ihrem "One for the Road" auch schon zuprosten.

Mark wird auf den Pott gesetzt

Berlin, das ist auch die Heimat von Mark (Frederick Lau). Sein Zuhause ist zwar eher eine Ranzbude, aber wenigstens mit 1a-Panorama-Blick auf den U-Bahnhof Hallesches Tor. Beruflich arbeitet er als Bauleiter und hat es dabei eigentlich auch drauf. Vorausgesetzt, er hat zuvor nicht gerade mal wieder die Nacht zum Tag gemacht. Bei "One for the Road" bleibt es dabei natürlich nie. Schon eher bei zwei oder drei, wenn er nach seinem bereits exzessiven Kneipenausflug auf dem Nachhauseweg noch am Kiosk seines Vertrauens vorbeiwankt.

Bei der Therapie hilft Dr. Blau (Godehard Giese).

Bei der Therapie hilft Dr. Blau (Godehard Giese).

(Foto: Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH)

Auch Marks Freundeskreis inklusive seinem Best Buddy Nadim (Burak Yiğit) ist durchaus trinkfest, macht sich aber dennoch allmählich Sorgen um den immer häufiger über alle Stränge schlagenden Kumpel. Spätestens als Mark sich einnässt, während er nach einer Gartenparty im Sessel seinen Rausch ausschläft, ist es für Nadim an der Zeit, ihm ins Gewissen zu reden. Wirklich auf den Pott setzt Mark allerdings die Polizei, als sie ihn dabei erwischt, wie er sternhagelvoll sein Auto umparkt.

Um seinen Führerschein wiederzubekommen, muss Mark nun schließlich Kurse im Rahmen einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) absolvieren, gemeinhin auch als "Idiotentest" verspottet. Dort trifft er nicht nur auf einen gewieften und tiefenentspannten Therapeuten mit dem passenden Namen Dr. Blau (Godehard Giese), sondern auch auf die ebenfalls an der Flasche klebende Helena (Nora Tschirner), die zu seiner "Partnerin in Crime" wird. Dann etwa, als er mit Nadim wettet, bis zum Bestehen der MPU keinen Alkohol mehr zu trinken. Ist doch gar kein Problem … oder?!

Lau war immer nüchtern

Nach "Friendship!" (2009) und "25 km/h" (2018) ist "One for the Road" die dritte Kooperation von Regisseur Markus Goller und Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg, dem die Idee dazu schon lange im Kopf herumspukte. "Das liegt sicherlich schon über zehn Jahre zurück. Eine gemütliche Runde, abends, unter der Woche. Da ist mir aufgefallen: Wahnsinn, um Zwölf sind wir alle besoffen, obwohl wir am nächsten Tag arbeiten müssen. Und keinem wäre es in den Sinn gekommen, zu hinterfragen, ob einer am Tisch ein Alkoholproblem haben könnte", erläutert er.

Auch Helena (Nora Tschirner) kämpft mit ihrer Sucht.

Auch Helena (Nora Tschirner) kämpft mit ihrer Sucht.

(Foto: Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH)

Nächtliche Streifzüge durch Berlin - das ist seit "Victoria" (2015) ja sozusagen Frederick Laus Spezialdisziplin. Diesmal musste er sich zwar nicht ohne einen einzigen Schnitt durch den kompletten Film hangeln, dafür aber über weite Strecken mit 0,0 Promille den Besoffenen mimen. Das gelingt ihm so überzeugend, dass sich Goller und Ziegenbalg sogar zu einem Bekenntnis genötigt sehen: "Wir legen die Hand ins Feuer, dass er immer nüchtern war."

Knapp acht Millionen Deutsche konsumieren laut dem jüngsten Suchtbericht Alkohol "in gesundheitlich riskanter Weise". Die Zahl der Menschen, die allein aufgrund ihres Alkoholkonsums pro Jahr sterben, geht in die Zehntausenden. Dabei gibt es nun wirklich zuhauf Kampagnen, um das Bewusstsein im Umgang mit der Volksdroge Nummer Eins zu schärfen - von "Wie viel ist zu viel?" über "Null Alkohol - Voll Power" bis "Alkohol? Kenn dein Limit", um nur einige aus der Vergangenheit zu nennen. Doch spätestens wenn der Zeigefinger zu weit erhoben wird, wenden sich viele dann doch lieber ab - womöglich mit einem Glas Bier in der Hand.

Kein "Betroffenheitsdrama"

Das war auch für die Filmemacher nach eigenem Bekunden die größte Herausforderung - "eine Story zu liefern, die die Menschen nachdenklich stimmt, die eine Bedeutung hat und trotzdem wahnsinnig Spaß macht und Entertainment bietet". Sie wollten sich dem Thema Alkoholismus widmen, "ohne ein Betroffenheitsdrama zu erzählen". Der Spagat ist ihnen gelungen, nicht nur aufgrund des Drehbuchs, das die Klischeefalle Alkoholmissbrauch = automatisch Komplettverwahrlosung gekonnt vermeidet. Auch dem tollen Ensemble um Lau, Tschirner, Yiğit und Giese, den man etwa als Kommissar-Fiesling Böhm in "Babylon Berlin" auch schon in ganz anderer Rolle gesehen hat, hat der Film viel zu verdanken.

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Kann der Streifen einen größeren Bewusstseinsschub bewirken als so manche Kampagne? Es wäre ihm auf jeden Fall zu wünschen. Vielleicht ruft er sich ja bei einigen, die sich in Mark oder Helena ein Stück weit wiedererkennen, beim nächsten "Fußpils" wieder in Erinnerung. Das schadet denjenigen sicher ebenso wenig wie der Gang ins Kino den Antialkoholikern und Antialkoholikerinnen: Sie werden bei "One for the Road" wenigstens bestens unterhalten.

"One for the Road" läuft ab sofort in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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