
In der Villa im Wald geschehen magische Dinge.
(Foto: IMAGO/ingimage)
Ein Geisterwald mit einer knarzenden Villa, in der ein mächtiger Dämon haust, und ein Mädchen mit magischen Fähigkeiten, die sie loswerden will. Das ist die Grundlage für ein wirklich absolut fantastisches Buch, das unter jeden Weihnachtsbaum gehört.
"Magie verstößt gegen die Gesetze der Natur, ändert Dinge, die nicht geändert werden sollten. Sie funktioniert, indem Geister angerufen werden – und wer das bewusst tut, betreibt Hexerei. Die eifrigsten Geister stets Gehilfen des Teufels sind. Das ist vor allem für Mädchen wie dich gefährlich. Weil Frauen empfänglicher für die Versuchungen der Finsternis sind!"
Liska kann die Worte des Paters nicht vergessen. Das Mädchen besitzt magische Fähigkeiten, die es aber aus Angst verbirgt. Sie will in ihrem Dorf nur ein ganz normales Leben führen: Einen Hof bestellen, einen Mann heiraten, Kinder kriegen. Also macht sie sich an Mittsommer auf in den nahegelegenen Wald, in dem es spuken soll und der von Leszy bewacht wird, einem mächtigen Dämon, der sich in Form eines weißen Hirsches den Menschen offenbart. Nur in dem Wald und nur an Mittsommer wächst die sagenumwobene Farnblume, mit deren Hilfe Liska ihre Magie ein für allemal loswerden kann. So heißt es in den alten Geschichten.
Als Liska den Wald betritt, merkt sie sofort, dass hier Geister und Dämonen ihr Unwesen treiben. Die meisten sind ihr nicht wohlgesonnen. Aber sie findet die Farnblume – und Leszy findet Liska. Sie schließen einen Handel: Liska bleibt für ein Jahr bei ihm, danach sorgt er dafür, dass ihre Magie verschwindet. Ein hölzernes Armband besiegelt den Deal mit dem Dämon.
Kurz darauf befindet sich Liska tief in dem Geisterwald – und in einer knarrenden alten Villa, die ein verwunschen scheinender Garten umgibt. In der Villa selbst gibt es Geister. Wohlgesinnte, die von Liska nur gefüttert werden wollen. Wenn sie es vergisst, ist Chaos und Unordnung angesagt. Sie freundet sich mit einer aschfahlen Koboldkatze an, die immer verschwindet, wenn der Leszy auftaucht. Liska erblickt aber auch immer wieder die rotglühenden Augen eines Geisterhundes. Es gibt eine Bibliothek, die selbst entscheidet, wann sie kommt und geht. Die Kerzen im Haus zünden sich selbst an.
Dennoch fühlt sich Liska in dem geheimnisvollen Haus wohl. Sie und der Leszy freunden sich an, er schenkt ihr einen uralten magischen Dolch, bringt ihr bei, sich selbst zu verteidigen, denn irgendetwas stimmt mit dem Wald nicht. Etwas scheint das Gleichgewicht der Mächte durcheinandergebracht zu haben. Der Leszy weiß es: Es ist Liska, es ist die Kraft ihrer magischen Fähigkeiten – es ist aber auch ein düsteres Geheimnis, das der Leszy seit Jahrhunderten nun schon mit sich herumträgt und verbirgt. Ein Geheimnis, dem Liska auf die Schliche kommt. Die Folgen sind unaussprechlich.
Und wenn sie nicht gestorben sind …
Was nach einem Märchen klingt, ist eine fantastische Geschichte über Liebe, Mut und den Glauben an sich selbst und die eigene Kraft - egal, was andere sagen. Es ist Ania Poraneks "Wo die Nacht verweilt", erschienen bei Arktis und DAV, und gelesen von Monika Oschek. Es ist die Suche eines Mädchens nach sich selbst und ihrer Rolle im Leben. Das Buch der kanadischen Schriftstellerin mit polnischen Wurzeln ist eines jener Werke, die einen einfangen und nicht wieder loslassen wollen. Man fiebert mit, hört ganz genau zu, bekommt Gänsehaut - und ja, auch die eine oder andere Träne fließt.
Dabei ist es die wunderbar farbenfrohe Sprache Poraneks, die verzaubert, ebenso wie die zärtliche Stimme Oscheks. Bei "Wo die Nacht verweilt" passt einfach alles. Als Leser oder Hörer will man sofort in den Geisterwald gehen, die altehrwürdige, heruntergekommene Villa suchen, die knarzende Tür öffnen und der Kobold-Katze "Hallo" sagen. Man will warten, bis die Bibliothek sich zeigt, eintreten und jedes Buch, was sich darin befindet, lesen. Man will zaubern, man will mitfiebern. Man will einfach Teil dieser fantastischen Erzählung sein und magische Fähigkeiten besitzen. Auch wenn man nur ein Mann ist.
Quelle: ntv.de