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Tobias Forge von "Ghost" "Am Ende des Tages bin ich Entertainer"

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Ghost mit ihrem Front-Geist Papa Emeritus IV.

Ghost mit ihrem Front-Geist Papa Emeritus IV.

(Foto: Mikael Eriksson)

Ghost, die schwedische Heavy-Metal-Band um Frontmann Tobias Forge alias Papa Emeritus IV, haben sich seit ihrer Gründung 2010 zu einer der erfolgreichsten Bands ihres Genres weltweit entwickelt. Mit Longplayern wie "Prequelle" und "Impera" sowie ihrer theatralischen Inszenierung begeistern sie ihre Fans immer wieder und legen viel Wert darauf, dass sich alle darauf auch zu 100 Prozent einlassen.

Im Interview mit ntv.de spricht Forge jetzt über handyfreie Ghost-Konzerte, das neue Album "Skeletá", die Herausforderungen des wachsenden Erfolgs und die Bedeutung von Kunst in schwierigen Zeiten.

ntv.de: Euer letztes Album "Impela" war mal wieder ein großer Erfolg. Spürst du dadurch mehr Druck oder siehst du es eher als Chance?

Tobias Forge: Ich denke, es ist sehr wichtig, als Künstler pragmatisch zu sein. Natürlich gab es in der Geschichte viele Künstler, die "an beiden Enden gebrannt haben", als gäbe es kein Morgen - das macht große Rockgeschichte. Aber als jemand, der jetzt weit über 27 ist, mit einer Karriere und zwei Kindern und vielen Dingen, die ich in meinem Leben noch tun möchte, muss ich pragmatisch sein. Ich will das so gut wie möglich machen, aber ich bin mir auch bewusst, dass es gute und schlechte Zeiten gibt. Die Dinge liefen wirklich gut, es sind so ziemlich 15 Jahre vergangen, aber das wird irgendwann aufhören.

Hast du Angst davor, irgendwann mal ein Album zu veröffentlichen, das nicht gut ankommt?

Man weiß nie. Aber theoretisch ist es kein Schocker, wenn wir eines Tages eine Platte machen, die niemand mag, und plötzlich ist da etwas Cooleres. Bis das passiert, gebe ich einfach mein Bestes und versuche, meinen Halt zu finden, ohne zu viel darüber nachzudenken. Als kreativer Mensch denke ich natürlich viel nach.

Wie schaffst du es, dich beziehungsweise Ghost immer wieder neu zu erfinden und dich nicht permanent zu wiederholen?

Seit ich die zweite Platte gemacht habe, habe ich versucht, mich bewusst nicht davor zu ducken, mich weiterzuentwickeln und außerhalb meiner ziemlich elastischen Schublade zu denken. Als das erste Album herauskam, war es innerhalb einer bestimmten Musikszene so ein Hype, dass der Authentizitätsdetektor bei jedem losging. Ich wusste, dass alles, was ich tat, unter die Lupe genommen werden würde. Ich habe bewusst versucht, so spielerisch und intuitiv wie möglich zu sein, und dabei riskiert, den Schwung zu verlieren. Ich wusste, dass ich ihn auch verlieren könnte, wenn ich versuche, eine Platte zu machen, die genau so ist wie die vorherige. Ich wollte nicht wie ein Idiot aussehen, der krampfhaft versucht, an etwas festzuhalten. Für jede Platte habe ich versucht, mich in etwas zu drängen, das am Ende alles verlieren könnte, aber ich wollte nicht diese krampfartige Person sein.

Wie frei fühlst du dich bei der Arbeit angesichts des Feedbacks in sozialen Medien? Kannst du ausklammern?

Nein, das ist nicht möglich. Das Problem ist, dass ich von der Person, die die erste Platte in einer Leere geschrieben hat, ohne je etwas mit Musik verdient zu haben, 15 Jahre später zu jemandem geworden bin, auf den sich viele Leute finanziell verlassen. Wenn ich sagen würde, dass das völlig ohne Druck sei, wäre das unrealistisch. Natürlich spüre ich Druck und die Unvermeidlichkeit, dass alles, was ich tue, eine Wirkung haben wird. Ich könnte Grindcore spielen, wenn ich wollte, und einige Leute würden dem applaudieren. Aber ich kann das nicht tun, ohne mit Konsequenzen konfrontiert zu werden. Ich habe zwei Kinder und eine Familie zu ernähren. Es hat seinen Preis, und ich kann diese Tatsachen nicht vernachlässigen. Aber ich versuche immer noch, dorthin zu gehen, wo mein Herz mich hinführt.

Und das ist wo?

Unsere erste Platte wurde von einem Independent-Label veröffentlicht, bei dem es sehr wenig Rücksicht auf Erfolg gab. Danach war jede unserer Platten auf einem Major-Label, das allerdings so indie ist, wie es nur geht. Der Gründer des Labels kommt aus dem Mainstream-Erfolg und hat mir oft gesagt: "Ich weiß nur, dass ich mit dir arbeiten möchte. Ich weiß nicht, wie ich eine Band wie euch groß machen soll, weil ich nicht mehr weiß, wie man das heutzutage macht. Wäre das 1985 gewesen, hätte ich genau gewusst, wie man dich groß macht."

Das neue Album heißt "Skeletá". Was steckt hinter diesem Titel?

Als übergreifendes Thema ist alles inhaltlich irgendwie "nah am Knochen". Im Gegensatz zu den vorherigen Alben, die eher als Kommentare zur Gesellschaft oder zur Politik zu verstehen sind, ist dieses jetzt introspektiv, mit grundlegenderen Themen wie Hoffnung, Liebe, Hass und Bedauern.

Aber das sind alles durchaus auch Themen, die in der Politik aktuell vorkommen ...

Das ist der Grund, warum ich niemals sagen würde, dass ich eine völlig unpolitische Platte gemacht habe. Offiziell sage ich: "Wir haben nichts mit Politik zu tun, das ist nur Unterhaltung." Natürlich hat es viel mit Politik zu tun, aber es kommentiert nicht so offen etwas Besonderes. Alles ist miteinander verbunden, alles sitzt zusammen, alles ist zyklisch und alles ist menschlich. Es ist unmöglich, dass aktuelle Angelegenheiten nicht irgendwie mit einem Gefühl vermischt sind. Thematisch gibt es aber weniger davon auf dieser Platte. Es gibt vielleicht zwei Songs, die etwas mehr zeitgenössisch reflektieren: "Peacefield" und "Marks of the Evil One".

Ghost auf RTL+
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(Foto: IMAGO/Gonzales Photo)

Hören Sie die Musik von Ghost auf RTL+.

Liegt es daran, dass die politische Situation gerade so schwierig ist, dass du dich dieses Mal mehr auf die Introspektive konzentriert hast?

In dem Zustand, in dem ich war, als ich "Skeletá" schrieb, hatte ich das Gefühl, dass es nicht so viele Dinge gibt, über die man schreiben könnte, die immer noch als Kunst rüberkommen. Am Ende des Tages bin ich Entertainer. Ich schreibe die Musik und wiederhole sie auf der Bühne. Es geht auch um den pragmatischen Aspekt: Warum mache ich das? Für wen? Besonders jetzt - die Platte wurde vor November aufgenommen und geschrieben - habe ich das Gefühl, dass viele Menschen sehr traurig und besorgt über den aktuellen Stand der Dinge sind. Mein Job als Nicht-Politiker, der trotzdem viele Ohren und Herzen erreicht, ist es, die Menschen zu unterhalten und ihnen Hoffnung zu geben.

Was ist es, was Anlass zur Hoffnung gibt?

Ich glaube, dass das, was wir gerade sehen, der Todeskampf alter Männer ist, die sich an die Macht klammern. Wenn du 14, 24, 34, 44, 54 oder sogar 64 Jahre alt bist, stehen die Chancen gut, dass du länger leben wirst als sie. Das wird vorübergehen.

Was können die Fans von eurer kommenden Tour erwarten?

Ein Aspekt, auf den wir uns freuen, ist diese zweistündige Pause von ihren Handys, die wir den Leuten auferlegen, damit sie voll und ganz in die Show eintauchen können, in eine gemeinsame Erfahrung mit anderen Menschen. Du hast dein Telefon noch in der Tasche, aber nicht ständig vor Augen. Es ist ein soziales Experiment, und ich glaube, dass viele Leute das beruhigend finden werden. Es gibt ein gewisses Maß an Beruhigung, das in Zukunft notwendig ist, unabhängig von Wahlen. Die Welt hat viele Veränderungen durchgemacht, und nichts ist für immer. Nichts ist ewig - auch die schlechten Dinge nicht.

Also sind eure Musik und eure Shows als eine Art Pause von der Realität zu betrachten?

Genau. Ich denke, es ist wichtig für uns, eine Tradition von allem, was wir angenehm finden, fortzuführen, weil das bleiben wird. Kunst ist das Letzte, was in Zeiten wie diesen übrig bleibt. Selbst in einer dystopischen Realität wie in "The Last of Us" musst du für das Abendessen mit den vier verbleibenden Menschen auf dem Planeten immer noch das Rezept des Essens mitbringen, das du kochen kannst, und die besten Witze und Anekdoten. Denn wofür gilt es sonst noch zu leben? Für das, was wir zusammen tun und was uns ein gutes Gefühl gibt, sei es die Smiths zu hören, David Lynch-Filme zu schauen oder mit jemandem zusammen zu sein. Das können sie dir nie wegnehmen.

Mit Tobias Forge von Ghost sprach Nicole Ankelmann

Das Album "Skeletor" ist dem 25. April überall erhältlich.

Quelle: ntv.de

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