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Deep Purples 23. Album ist "=1" "Die Musik von heute erreicht mich nicht"

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Auch nach fünf Jahrzehnten nicht zu stoppen: Deep Purple.

Auch nach fünf Jahrzehnten nicht zu stoppen: Deep Purple.

(Foto: earMUSIC / Jim Rakete)

Mehr als 50 Jahre auf Tour, über 100 Millionen Tonträger verkauft und unzähligen neuen Bands auf der ganzen Welt als nimmermüde Inspirationsquelle zur Seite gestanden: Deep Purple ist wohl das, was man im Allgemeinen einen nicht tot zu kriegenden Rock-Dinosaurier nennt. Es gibt wohl keinen Freund von härteren Sounds, der nicht auf Knopfdruck das legendäre "Smoke On The Water"-Riff nachbrummen kann.

Eine derartige Zugkraft entfacht natürlich ungeahnt viel Energie. Und so touren die britischen Vintage-Rocker auch heute noch durch die Lande und begeistern ihre Fans in den größten Arenen dieser Welt. 52 Jahre nach ihrem Durchbruch mit dem Longplayer "Machine Head" veröffentlichen Deep Purple nun ihr 23. Studioalbum "=1" (sprich equals one). Auf diesem huldigen die Classic-Rock-Veteranen ihren Trademarks, ohne dabei altbacken oder gar überholt rüberzukommen. Zur Veröffentlichung von "=1" spricht n-tv.de mit Sänger Ian Gillan über das neue Studioschaffen, neue Dynamiken innerhalb der Band und "swingende" Erinnerungen.

n-tv.de: Das neue Deep Purple-Album trägt den spannenden Titel "=1". Welche Botschaft geht mit diesem Titel auf Reisen?

Ian Gillan: Oh, das Leben ist so verdammt kompliziert. Aber es muss eigentlich gar nicht so sein. Ich kam auf die Idee mit dem Titel, als ich mal wieder am frühen Morgen an den einfachsten Dingen scheiterte. Dabei ging es aber weniger um mich, sondern vielmehr um die vielen anderen Dinge, die ich erstmal erledigen und beantworten musste. Ich wollte nur eine kleine Antwort auf eine noch viele kleinere Frage. Aber links und rechts türmten sich plötzlich viele weitere Fragen auf, die alles viel zu kompliziert machten. Und genauso läuft das Leben. Überall stehen irgendwelche Hürden rum. Wir sollten unser Leben vereinfachen. Ich denke, dass in der Simplizität des Ganzen der Schlüssel zu einem glücklichen Leben steckt.

Nimmt man den Schlüssel zur Hand, der die Tür zum Herzen von Deep Purple öffnet, dann landet man mittendrin im Hardrock der 70er. Ist das einfach die Musik, die entsteht, wenn ihr gemeinsam ein Studio betretet?

Es ist in der Tat ein sehr natürlicher Prozess. Mal abgesehen von unserem neuen Gitarristen Simon McBride machen wir alle schon seit Ewigkeiten zusammen Musik. Wir kennen uns ziemlich gut und wissen auch, was wir können. Wenn wir zusammenkommen, dann geht es nicht um Ambitionen oder musikalische Ausrichtungen. Ich glaube, das letzte Mal habe ich Ambitionen verspürt, als ich in der Schule Sportunterricht hatte. (lacht)

Du hast gerade euren neuen Gitarristen Simon erwähnt. Was hat sich durch sein Dazukommen verändert?

Nun, es verändert sich immer etwas, wenn sich eine Gruppe personell verändert und neu aufstellt. Das ist doch überall so. Wenn eine Fußballmannschaft einen neuen Stürmer einwechselt, dann verändert sich die Dynamik des Teams. Vielleicht ändert sich die Grundordnung nicht. Aber es gibt schon neue Impulse. In einer Band ist es genauso. Steve (Steve Morse, Ex-Gitarrist) kommt aus dem amerikanischen Bluesrock. Simon stammt aus Irland und bringt ganz andere Einflüsse mit. Es geht hier gar nicht darum, ob etwas besser oder schlechter ist. Es geht nur darum, dass sich die Dynamik ändert. Und das ist ein ziemlich spannender Prozess.

Deep Purple auf RTL+ Musik
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(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)

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War die gemeinsame Studiozeit mit Simon eine Herausforderung für die Band?

Nein, nicht wirklich. Wenn wir ein Studio betreten, dann sind wir bereit. Wir haben vorher die Songs geschrieben, Details ausgearbeitet und viel geprobt. Es ist so, als wenn man die Bühne betritt. Man geht raus, wenn man bereit ist. So läuft es auch im Studio.

Gibt es einen Song auf dem neuen Album, der dir besonders am Herzen liegt?

Mir gefallen sie alle. Aber "Old-Fangled Thing" ist wohl mein Favorit. In dem Song gibt es interessante Riff-Wechselspiele, ganz klassische Deep Purple-Vibes. Hinzu kommt der Text. In dem Song geht es um einen Stift und den Prozess des Songwritings. Sehr interessant, wie ich finde.

Ihr arbeitet seit über zehn Jahren mit dem Produzenten Bob Ezrin zusammen. Bob kennt sich im Umgang mit Musikgrößen (Kiss, Alice Cooper, Pink Floyd) bestens aus. Was ist das Besondere an der Zusammenarbeit mit ihm?

Bob ist einfach ein Genie. Durch ihn haben wir den besten Deep Purple-Sound gefunden. Er hat so viel Erfahrung und das Gespür für perfekte Arrangements. Seine Arbeit, seine Visionen und sein kritisches Auge sind unfassbar wertvoll für die Band.

Du hast in deiner jahrzehntelangen Karriere schon mit vielen Hochkarätern zusammengearbeitet. Welche Kollaboration hat dich am meisten beeindruckt?

Das ist alles andere als einfach zu beantworten. Ich bin dankbar für so viele inspirierende und bereichernde Begegnungen. Da waren so viele Leute auf allerhöchstem Niveau dabei. Da jetzt jemanden rauszupicken, das ist eigentlich unmöglich. Ich habe Jeff Healey kennengelernt, mit Tim Rice zusammengearbeitet und war mit den größten Bands gemeinsam auf Tour. Ich habe wirklich viele tolle Menschen getroffen - sehr viele.

Ian Gillan ist - mit Unterbrechungen - seit 1969 Sänger von Deep Purple.

Ian Gillan ist - mit Unterbrechungen - seit 1969 Sänger von Deep Purple.

(Foto: picture alliance / Gonzales Photo/Erling Brodersen)

"=1" ist das 23. Studioalbum von Deep Purple. Dein persönlicher Einstieg war das vierte Album "Deep Purple In Rock" aus dem Jahr 1970. Welche Bilder hast du im Kopf, wenn du an diese Zeit zurückdenkst?

Roger (Roger Glover, Bassist) und ich hatten zuvor schon in einer Band zusammengespielt. Wir waren ein eingespieltes Team als wir John (John Lord, Orgel), Ian (Ian Paice, Schlagzeug) und Ritchie (Ritchie Blackmore, Gitarre) zum ersten Mal trafen. Ich denke, dass wir dem Ganzen eine neue Charakteristik geben konnten. Das lief alles, ähnlich wie heute, sehr natürlich ab. Es passte einfach, und es war eine tolle Zeit mit tollen Erfahrungen.

Welche Erinnerungen kommen in dir hoch, wenn du noch weiter zurückdenkst und in der Zeit landest, in der die Liebe zur Musik zu reifen begann.

Die Liebe zur Musik war immer da. Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der Musik keine Rolle in meinem Leben gespielt hat. Meine ganze Familie hatte mit Musik zu tun. Mein Großvater hat in der Oper gesungen. Mein Onkel war ein Jazz-Pianist. Ich habe schon früh im Kirchenchor gesungen. Musik war also immer präsent bei uns in der Familie. In unserem Wohnzimmer stand ein Piano. Musik war allgegenwärtig. Irgendwann hörte ich dann "Heartbreak Hotel". Dann habe ich in der Schule meine erste Band gegründet. Wir hatten viele Gitarren, aber keine Einzige hatte sechs Saiten. (lacht) Vor unserem Haus haben wir ein Schlagzeug zusammengebastelt, dass aus Whiskeykisten bestand. Das war eine ziemlich aufregende Zeit.

Die Musik und die Herangehensweise an das Musikmachen haben sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark verändert. Gibt es eine Band im Hier und Jetzt, die dich damals als junger Musiker inspiriert hätte?

Nein, ich denke nicht. Aber das soll nicht respektlos oder eingebildet klingen. Ich komme einfach aus einer ganz anderen Generation. Die Musik, so wie sie heute klingt und wie sie heute produziert wird, erreicht mich nicht wirklich. Meine Musik hat einen organischen Ursprung. Wenn ich an einen Rhythmus und einen Groove denke, dann habe ich einen tippenden Fuß vor Augen und keinen Finger, der auf die Taste eines Synthesizers drückt. Ich habe schon seit Ewigkeiten kein Album mehr gehört, das swingt. Ian Paice wuchs mit dem Sound von Buddy Rich auf. Der Typ hatte den Swing. Das war Rock'n'Roll. Aber noch einmal: Es geht nicht darum, dass etwas besser oder schlechter klingt. Es klingt einfach nur anders.

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Du hast in deinem Musikerleben alles erreicht, du hast die ganze Welt gesehen und Millionen Platten verkauft. Wie definierst du Erfolg im Hier und Jetzt?

Oh, das ist eine gute Frage. Das hat nichts mehr mit kommerziellen Dingen zu tun. Erfolgt bedeutet für mich Glücklichsein. Wenn wir ein tolles Konzert gespielt haben, wenn wir auf einer Tour sind, die einfach nur Spaß macht oder wenn wir zusammen im Studio sind und einfach nur eine gute Zeit haben: Das bedeutet für mich Erfolg. Success is Happiness! So einfach ist das.

Mit Ian Paice und Roger Glover tourst du jetzt schon seit über 50 Jahren um die Welt. Was ist das Geheimnis dieses magischen Dreiecks?

Wir sind musikalische Freunde. Wir können uns aufeinander verlassen und wir gehen sehr respektvoll miteinander um. Eigentlich sind wir total unterschiedliche Typen. Aber wenn es um die Band und die Musik geht, dann ziehen wir alle an einem Strang.

Wir werden alle nicht jünger. Du feierst in diesem Jahr deinen 79. Geburtstag. Auf wie viele Deep Purple-Alben können sich die Fans wohl noch freuen?

Wir hatten noch nie einen Plan. Bei uns passieren die Dinge einfach. Egal ob eine Tour, ein neues Album oder sonst irgendwas: Wenn die Zeit reif ist, dann geschieht, was geschehen soll. Ich kann dir wirklich nicht sagen, wie viele Alben wir noch aufnehmen werden. Ich habe keine Ahnung. Es ist so lustig und auch so interessant: Ich habe mal mit einem japanischen Journalisten gesprochen, kurz vor einer Japan-Tour von uns. Es ging zu der Zeit das Gerücht um, dass wir gerade an einem neuen Album arbeiten. Während unseres Gesprächs fragte er mich bestimmt fünfmal wie denn die neue Platte klingen wird. Ich sagte ihm immer, dass wir noch gar nicht so richtig angefangen haben. Er blieb aber dran und ließ nicht locker. Irgendwann sagte ich ihm dann: Pass auf, ich verrate dir jetzt, dass wir gerade an der besten Rock'n'Roll-Platte arbeiten, die je eine Band aufgenommen hat. Mit dieser Antwort im Gepäck war er dann total glücklich. (lacht) Was ich damit sagen will: Wir freuen uns jetzt erst einmal auf die Veröffentlichung von "=1". Wie es danach weitergeht werden wir sehen, wenn es so weit ist.

Mit Ian Gillan sprach Kai Butterweck

Quelle: ntv.de

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