Handgemachte Monotonie Die Scorpions bleiben "Rock Believer"
25.02.2022, 15:41 Uhr
Die Scorpions melden sich mit ihrem 19. Studioalbum zurück.
(Foto: Marc Theis / Universal Music)
Das in die Jahre gekommene deutsche Hardrock-Flaggschiff will es der Welt noch einmal zeigen. Mit ihrem neuen Studioalbum "Rock Believer" blicken die Scorpions soundmäßig auf ihre Anfangstage zurück. Leider bleibt aber nicht allzu viel hängen.
Kiss-Schlabberzunge Gene Simmons winkt schon seit vielen Jahren nur noch müde ab: "Rock is dead!", poltert die Schockrock-Ikone immer wieder gerne, wenn es um den Ist-Zustand der Branche geht, die seiner Meinung nach bis auf die Foo Fighters schon lange keine richtige Top-Band mehr hervorgebracht hat. Eine Band, mit der Gene Simmons vor knapp 40 Jahren gemeinsam auf Tour war, sieht das ein bisschen anders. Die Scorpions aus Hannover stellen sich dieser Tage schützend vor den vermeintlich ausgehungerten Rock-Olymp und schwenken die Fahnen der Gläubigen und Überlebenden.
Mit im Gepäck haben Frontmann Klaus Meine und seine Kollegen das mittlerweile 19. Album der Band. "Rock Believer", so der Titel des ersten Studioschaffens seit sieben Jahren ("Return To Forever") soll nicht nur einem Gene Simmons vor Augen führen, dass sich das Genre der Harten und der noch Härteren immer noch bester Gesundheit erfreut. "Der Grundgedanke war, diese 80er- Jahre- und 70er-Jahre-Scorpions-DNA wieder neu zu beleben und diesen Sound wiederzufinden", so Klaus Meine. Und in der Tat: Lauscht man dem kernigen "Rock Believer"-Einstieg, spitzt man als Freund von satten Hardrock-Klängen ruckzuck die Ohren.
Abgedämpfte Power-Chords
Mit viel Sirenengejaule und fiependem Gitarrenlärm im Schlepptau galoppiert nicht tot zu kriegende Dicke-Hose-Lyrik auf abgedämpften Power-Chords in Richtung Edelstahl-Himmel. Mit der Pommesgabel voran rocken und rollen der kleine Frontböller Klaus Meine, das Gitarren-Duo Schenker und Jabs, sowie Bassist Paweł Mąciwoda und Ex-Motörhead-Trommler Mikkey Dee wie schon lange nicht mehr.
Keine Streicher, kein elektronischer Firlefanz und keine opulent arrangierten Chöre: Songs wie der Opener "Gas In The Tank", das flotte Uptempo-Spektakel "Roots In My Boots" und der groovende Rocker "Knock 'Em Dead" wecken Erinnerungen an Zeiten, in denen die Niedersachsen mit Vier-Minuten-Krachern wie "Rock You Like A Hurricane", "The Zoo", "Big City Nights" und "No One Like You" das internationale Hardrock-Zepter fest in den Händen hielten.
Das große Schulterzucken
Was den Sound betrifft, gibt es wahrlich nichts zu Nörgeln. Anders sieht es in puncto Nachhaltigkeit und songwriterischer Finesse aus. Hier zuckt man auch nach dem dritten Gesamtdurchlauf verzweifelt mit den Schultern. Bis auf die markante Vorzeige-Single "Rock Believer" und das mit orientalischen Vibes und Offbeat-Sequenzen garnierte "Shining Of Your Soul" will kein Song so richtig haften bleiben.
Auf der Suche nach Melodien für die Massen und Refrains für die Stadien verlieren sich die Scorpions in handgemachter Monotonie. Am Ende will nicht mal mehr die obligatorische Powerballade zünden. Im Vergleich zum Welthit "Wind Of Change" ist "When You Know (Where You Come From)" nur ein laues Lüftchen.
Herzblut und Leidenschaft
Wo parkt man es nun, das groß angekündigte Rock'n'Roll-Glaubensbekenntnis? Für ein bandeigenen Diskografie-Podiumsplatz reicht es definitiv nicht. Aber "Rock Believer" ist auch kein Reinfall. In dem Album stecken viel Herzblut, viel Leidenschaft und auch erstaunlich viel Energie. Schon lange hat sich das einst wertvollste Hardrock-Export-Juwel des Landes nicht mehr so losgelöst und frei von trendigen Soundzwängen präsentiert. Ob das allerdings reicht, um einen wie Gene Simmons vom "Rock is dead!"-Gegenteil zu überzeugen? Schwierig.
Quelle: ntv.de