Musik

"Ich will dich nicht anlügen" Endlich home again: Michael Kiwanuka

Im August ist er auf Festivals zu sehen - nichts wie hin!

Im August ist er auf Festivals zu sehen - nichts wie hin!

(Foto: dpa)

Michael Kiwanuka ist sehr busy in den letzten Wochen, ständig unterwegs, viele Interviews. Er musste früh aufstehen, sehr früh, aber er wirkt extrem entspannt und zufrieden. Eigentlich kein Wunder, denn man hat lange auf sein neues Album warten müssen. Und er selbst ist absolut glücklich damit. Wir treffen den sympathischen Musiker in Berlin, um über "Love & Hate" zu sprechen, und warum es denn nun wirklich so lange gedauert hat, bis er etwas Neues liefern konnte. Das liegt unter anderem daran, dass er, wenn er denn rausgeht mit seinen Sachen, sich ganz sicher sein will, dass es auch gut ist. Das ist es, so viel ist klar. Sein neues Album ist nicht mehr ganz so gefällig wie der überaus erfolgreiche Vorgänger, es ist rauer, härter, hat mehr Gitarre, mehr Wumms. Der sympathische Londoner, dessen Familie vor Idi Amin aus Uganda floh und der in einem sehr weißen Viertel aufgewachsen ist und nie Probleme mit Rassismus hatte, war lange auf der Suche nach seiner Identität, auch seiner musikalischen. Manchmal ist es wirklich geradezu herzerfrischend, einen dermaßen talentierten und dennoch nicht selbstverliebten Künstler zu treffen. Lesen Sie selbst.   

n-tv.de: Hey, das war schon ein langer Tag, oder?

Redet gern über seine Musik: Michael Kiwanuka.

Redet gern über seine Musik: Michael Kiwanuka.

(Foto: dpa)

Michael Kiwanuka: Ja, sehr lang, ich bin schon um fünf aufgestanden, aber das macht nichts, ich rede ja über meine Musik und das mache ich echt gerne.

Bist du eigentlich ein schüchterner Mensch?

Geht so, eigentlich nicht, bist jetzt sind alle meine Interviews auch ganz gut gelaufen (lacht). Man muss sich sehr konzentrieren, das ist wohl richtig, aber ich rede ja nicht über mich, sondern meine Musik, das ist etwas anderes.

Vier Jahre haben wir nichts von dir gehört - eine Ewigkeit im Musikbusiness. Was hast du bloß gemacht?

Ja, das frage ich mich auch (lacht)! Wir waren eine ganze Weile unterwegs auf Tour, zwei Jahre, um genau zu sein. Und dann kommt ja auch immer mal wieder das eine oder andere dazwischen. Wenn ich unterwegs bin, kann ich keine neuen Stücke komponieren. Dafür brauche ich dann auch wieder eine gewisse Zeit.   

Deine Fans jedenfalls atmen nun erleichtert auf - vor allem diejenigen, die im Frühjahr bei deinem ersten Auftritt im Jahr 2016 dabei sein konnten, in Berlin. Wieso ausgerechnet Berlin?

Das weiß ich auch nicht, ehrlich, hat sich so ergeben. Mal abgesehen davon, dass ich gern in Berlin bin. Diese Stadt hat ein Herz für Kunst und Künstler und ich habe mein erstes Video hier gedreht. Ich war also ganz froh, dass ich meinen ersten Auftritt nach langer Zeit hier hatte. So konnte ich mein neues Album präsentieren. Und ein paar alte Songs spielen, zum Glück.

Trittst du gern vor großem Publikum auf?

Ja, aber ich bin es kleiner gewöhnt (lacht), das ist mir vertrauter. Die Luft ist feucht, ich kann die Leute erkennen, man hört, wie die Bühne unter einem knarzt, das mag ich. Es ist jedes Mal so anders, wie die Leute auf Songs reagieren.

Dein neues Album heißt "Love & Hate" - Liebe und Hass. Das sind starke Worte. Was bedeuten sie dir? Dazwischen passt ja eine Menge.

Ich will damit die Gegensätze beschreiben, die das Leben ausmachen. Man hat so viele Entscheidungen in seinem Leben zu treffen und wir alle haben zwei Seiten, glaube ich. Bei mir war das jetzt so, dass ich, je tiefer ich in mich hineingehorcht habe, desto mehr Inspiration bekam. Und ich habe auch gesehen, dass ich eine gute und eine schlechte Seite habe. Und manchmal muss man dann sehr genau abwägen: Meist entscheidet man sich für die gute Seite, die Liebe, das Licht, aber zu wissen, dass das beides in uns ist, ist wichtig, denke ich.

Das ist eine starke und gesunde Einstellung, aber manchmal, glaube ich, kann man es sich doch nicht aussuchen, manche Dinge passieren einem. Liebe genauso wie Hass, das sucht man sich dann nicht unbedingt aus.

Ja, das stimmt. Aber wie man damit umgeht, das wiederum sucht man sich aus.

Stimmt. Deine neue Single heißt "Black Man in a White World" – dass das immer noch und immer wieder ein Thema ist, ist schon erstaunlich, oder?

Ja, ich denke, es ist grundsätzlich egal, welche Hautfarbe du hast oder wo du herkommst, aber es ist wichtig, dass du deine eigene Identität auch wirklich akzeptieren kannst, dass du dich quasi selbst umarmen kannst. Manchmal fühlt man sich als Außenseiter, und da gibt es zwei Wege, mit umzugehen: Entweder man sagt sich, dass man einzigartig ist, oder man fühlt sich unwohl. In meinem Song geht es darum, wie man manchmal mit sich selbst hadert und kämpft. Jeder wünscht sich, dazuzugehören, das gehört wohl zum Menschsein. Es hat was mit Kultur zu tun, und bei mir hat es eine Weile gedauert, bis ich meinen eigenen Weg, meinen eigenen Stil, gefunden hatte. Es gibt immer jemanden, der Erwartungen an einen hat. Vor allem, wenn man jünger ist, möchte man diese Personen nicht enttäuschen. Manchmal wäre ich dann gerne ein anderer gewesen.

Wann hast du entdeckt, dass Musik deine Bestimmung ist. Und hat dir das dann geholfen, die Person zu werden, die du sein wolltest?  

Ich habe mit 12 die Musik für mich entdeckt, habe aber nicht gleich gesungen. Erst mit 20, bis dahin habe ich Gitarre gespielt. Ich war besessen davon, Bücher über Musiker zu lesen, ich habe mir jede TV-Doku über Musiker reingezogen.

Und mit 20, was ist da passiert?

Ich war auf dem Music College, hab das aber nach zwei Jahren verlassen, denn das Technisches an der Musik war einfach nicht meins, ich wollte Geschichten erzählen. Dann hat man mir gesagt, dass meine Stimme wohl ganz okay wäre (lächelt) und dann ging es eben immer weiter.

Und wenn das nicht funktioniert hätte? Wenn du nicht so einzigartig gewesen wärst?

Jeder sucht doch nach seiner Identität ...

Jeder sucht doch nach seiner Identität ...

(Foto: dpa)

Tja, ich habe das alles gar nicht so erwartet, dass es so passiert, weißt du. Aber um ehrlich zu sein: Das Singen war mein Plan B. Eigentlich wollte ich Musiklehrer werden.

Du bist ein richtiger Londoner, oder?

Ja, ich bin dort geboren, aufgewachsen und ich lebe, wenn ich nicht reise, immer noch da (lacht). Ich liebe es!

Was sind die größten Unterschiede zwischen Schwarzen und Weißen?

Es ist immer eine Frage der Perspektive, dessen, wo du lebst. Wenn du als Schwarzer in Uganda lebst, ist es was anderes als in England, wenn du als Weißer in Uganda lebst ist es auch was anderes als in England. Damit weil ich nicht sagen, dass das eine besser und das andere schlechter ist. Die Kultur zum Beispiel, die wird von allen gleich wahrgenommen, es gibt nur die eine, und trotzdem macht sie etwas jeweils anderes mit dir, wenn du ein Schwarzer oder ein Weißer bist. Innerhalb deiner Wohnung ist es vielleicht auch anders, weil der Rest der Familie am anderen Ende der Welt lebt. Und das sind auch nur meine Empfindungen, keiner hat mich gezwungen, das so zu sehen, verstehst du?

Ich denke schon.

Wenn man jung ist, sucht man sowieso seine Identität.

Und warst du in der Heimat deiner Eltern, in Uganda, um deine Wurzeln kennenzulernen?

Ja, aber dort bin ich dann der Engländer (lacht). Es war schwer, sich dort zu verständigen, ich spreche nicht swahili und meine Großmutter nicht englisch, dann wird es kompliziert. Ich wünschte, ich wüsste mehr über Uganda und meine Geschichte.

Wollten deine Eltern nicht, dass du mal Arzt oder Rechtsanwalt wirst, irgendwas Vernünftiges?

Na klar, aber es war ihnen klar, dass ich Musik machen wollte, seit ich ein Kind war. Und in der Schule musste man sich irgendwann für Hauptfächer in der Schule entscheiden, ganz klar, dass das für mich Musik war. Keiner hätte je gedacht, dass ich mal Geld verdienen würde mit einem Album, aber nun, es hat funktioniert. Bis jetzt jedenfalls. Ich hätte außerdem gar nicht Mathematiker werden können, auch wenn das vielleicht schlauer gewesen wäre.

Hast du eigentlich Druck verspürt jetzt bei der Produktion des zweiten Albums? Jetzt, wo du so etwas wie ein Gottvater der Soulmusik bist?

(lacht) Das ist wirklich übertrieben! Aber ja, ich habe den Druck verspürt, denn das erste Album war ja eine Überraschung. Aber ich mach' mir eben auch selbst den größten Druck. Es kommt gar nicht so von außen. Und wenn man mit anderen zusammenarbeitet, dann hat man eine gute Basis. Mir hat die Arbeit mit Danger Mouse Sicherheit gegeben. Und ich hatte ein Konzept, eine Struktur.

Das ist ein toller Schal, den du da trägst, ist der selbstgestrickt?

Ja, die Mutter von meiner Verlobten hat den gemacht. Strickst du?

Ja. Aber viel schöner noch als den Schal finde ich, dass wir jetzt auch etwas Privates von dir wissen.

(lacht) Ja, ich versuche, meinen persönlichen Kram immer für mich zu behalten, denn eigentlich erzähle ich in meinen Songs ja schon alles. Manchmal denke ich geradezu, dass jeder mich in und auswendig kennen muss. Aber wenn du mich fragst, wo der Schal her ist, dann will ich dich auch nicht anlügen.

Du bist ein Soul-Man, aber was kommt da noch dazu?

Eine etwas härtere Gitarre, würde ich sagen. Musik, die Emotionen transportiert, aber eben gern auch ein bisschen heavy.

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(Foto: dpa)

Lässt du dich vom Weltgeschehen beeinflussen, wenn du reist und fliegst und wenn du textest?

Ja, mir machen solche Dinge wie der Anschlag in Brüssel Angst, weil ich ein paar Tage vorher dort war. Oder das Massaker im Pariser Bataclan, ich meine, in solchen Läden treten wir ständig auf. Das ist richtig. Aber man darf sich nicht beeinflussen lassen oder abbringen lassen von dem, was man will und wie man leben will. Man fühlt sich jedoch verletzlich.

Und das Rezept dagegen?

Weitermachen! Musik machen, gute Gefühle auslösen, das kann jeden berühren und bringt Leute zusammen.

Mit Michael Kiwanuka sprach Sabine Oelmann

Michael Kiwanuka ist am 10. August in Luhmühlen bei "A Summer's Tale" und am 12. August auf dem Haldern Pop Festival zu sehen.

Seine Tour startet im November.

Quelle: ntv.de

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