Musik

Girl Power 2.0 Ex-Spice-Girl Mel C über ihr neues Ich

Fühlt sich wohl in ihrer Haut - und wenn nicht, unternimmt sie was dagegen: Mel C.

Fühlt sich wohl in ihrer Haut - und wenn nicht, unternimmt sie was dagegen: Mel C.

(Foto: imago/APress)

Melanie C, die mit den Spice Girls in den Neunzigern Musikgeschichte schrieb, ist für viele immer noch "Sporty Spice". Die mit den Turnschuhen und Trainingshosen. Sport treibt die 43-Jährige zwar immer noch gerne, doch optisch ist sie kaum wiederzuerkennen, als sie zum Interview nach London lädt. Sie sieht umwerfend aus, im blau-rot gemusterten Kleid und mit offenen Haaren. Diese optische Verwandlung manifestiert Melanie C mit ihrem siebten Soloalbum: "Version Of Me" markiert nicht nur musikalisch einen Neuanfang, sondern die Britin blickte tief in sich hinein und fand dabei ein neues Ich.

n-tv.de: Melanie, auf Ihrem neuen Album präsentieren Sie, wie der Titel schon andeutet, eine "neue Version" Ihrer selbst. Wo kommt sie her, diese neue Melanie C?

Melanie C: Mein letztes Album ist fünf Jahre her und war eine typische Melanie-C-Platte. Eine, die die Leute von mir erwarten. Dieses Mal war ich auf der Suche, wollte etwas Neues ausprobieren und meinem Herzen folgen. Ich wollte immer schon mal ein elektronisches Album aufnehmen - aber ich will keine Musik machen, die klingt, als sei ich 20. Das wäre albern! Ich bin jetzt 43. Mein Ziel war es also, Songs zu schreiben, die meinem Alter entsprechen und meine bisherigen Lebenserfahrungen widerspiegeln.

Tatsächlich zeigen Sie sich auf dem Album sensibler und verletzlicher denn je. Fiel es Ihnen leicht, sich so zu öffnen?

Nein, ich habe lange gebraucht, um an diesen Punkt zu kommen, um mutig genug zu sein. Dadurch, dass ich seit jungen Jahren in der Öffentlichkeit stehe, hat man immer versucht, mich zu beschützen und ich war kaum in der Lage, Verantwortung zu übernehmen. Bei diesem Album ging es mir darum, Gefühle zuzulassen. Es ist wichtig, Dinge nicht in sich hineinzufressen oder gar zu ignorieren, sondern sich damit auseinanderzusetzen – auch wenn es manchmal schwerfällt, das zu tun. Mutter zu sein, hat mir dabei übrigens sehr geholfen.

Inwiefern?

Meine Tochter Scarlet ist jetzt acht Jahre alt und mir wurde eines Tages klar: Wenn ich will, dass sie die brillante Persönlichkeit wird, die sie sein sollte, dann muss ich ein Vorbild für sie sein. Ich kann nicht furchtbar zu mir selbst sein oder vor Dingen zurückschrecken, nur weil ich Angst habe.

Ihre Tochter bringt ihr bei, wie sie sich zu verhalten hat.

Ihre Tochter bringt ihr bei, wie sie sich zu verhalten hat.

(Foto: imago/APress)

Das Schöne an Kindern ist ja, dass sie vor nichts Angst haben. Dass sie machen, was sie wollen.
Das stimmt, sie handeln nach ihren Impulsen. Wir Erwachsenen denken immer, dass unsere Kinder von uns lernen. Aber neulich kam mir der Gedanke: In Wirklichkeit bringt meine Tochter mir bei, wie ich mich zu verhalten habe. Sie ist so geradeheraus und stark, sie weiß genau, was sie will. Ich glaube ja, dass man in jungen Jahren die Essenz seiner selbst ist. Je älter man wird, desto mehr verändern die gemachten Erfahrungen einen. Man wird unsicher, stellt Dinge infrage. Ich will versuchen, mehr zu meiner Essenz zurückzukehren. Zu mir selbst zu finden.

Ihre ehemaligen Bandkolleginnen Mel B, Emma Bunton und Geri Halliwell hatten vor, dieses Jahr zum 20. Jubiläum der Spice-Girls-Debütsingle "Wannabe" auf Tour zu gehen. Genau wie Victoria Beckham haben auch Sie sich dagegen entschieden. Warum?

Wir waren ja 2007 schon auf Comeback-Tour. Es fühlte sich großartig an, zu fünft auf der Bühne zu stehen und die Show war spektakulär. 2012 sind wir dann bei den Olympischen Spielen aufgetreten – ein einmaliges Erlebnis. Nach Victorias Absage stand für mich fest, dass ich auch nicht dabei bin. Zu viert ist es einfach nicht das Gleiche. Das wird weder der Band noch den Fans gerecht.

"There's a time when everybody's gotta let it go" singen Sie jetzt in dem Song "Our History". Handelt er von den Spice Girls?

Das tut er. Ich bin stolz auf meine Vergangenheit - aber vielleicht sind wir mittlerweile einfach zu alt, um auf der Bühne herumzuspringen und "Wannabe" zu singen. Ich hätte mit der Tour viel Geld machen können. Geld, von dem ich als Solokünstlerin nur träumen kann. Doch es fühlte sich einfach nicht richtig an. Es tut schon manchmal weh, was einige Leute daraufhin an Kommentaren abgaben. Viele haben mir vorgeworfen, die Band im Stich gelassen zu haben. Aber in Wirklichkeit versuche ich sie zu beschützen.

Kritik an Ihrer Entscheidung äußerte auch Mel B.

Die Geschichte wurde etwas aufgeblasen. So weit ich weiß, war sie bei James Corden zu Gast und sagte dort so etwas wie "the other two bitches didn't want to do it". Aber hey, wahrscheinlich wollte sie einfach nur einen Witz machen. Haben wir doch alle schon getan. Vielleicht meinte sie es aber auch ernst, wer weiß. (lacht)

In dem Titelsong Ihres Albums geht es darum, wie es sich anfühlt, fertiggemacht zu werden. Ist an dem Gerücht, Sie seien während Ihrer Zeit bei den Spice Girls gemobbt worden, etwas dran?

Those where the days, my girlfriends ...

Those where the days, my girlfriends ...

(Foto: imago/United Archives)

Ich bin manchmal etwas naiv und rede viel zu ehrlich über solche Dinge… Aber ja, es gab eine Zeit in der Band, in der ich das Gefühl hatte, dass mich eine Person nicht besonders mag. Wir haben darüber gesprochen und es ist aus der Welt. Nur leider ist es ja so: Auch wenn man alles verzeiht - so etwas erlebt zu haben, wirkt sich auf deine Persönlichkeit aus.

Sie meinen, man vergisst es nicht?

Nie. Ich habe in den letzten Jahren eine Menge Selbstsuche betrieben - vielleicht eine Alterssache. Dabei fiel mir auf, dass wir Frauen sehr hart zu uns selbst sind. Wir denken ständig, dass wir nicht gut genug sind, nicht erfolgreich, dünn oder hübsch genug. Und jedes Mal, wenn man solche Gedanken hat, kommen die Gefühle von damals wieder hoch. Diese Zweifel werden Teil deiner DNA.

Sie hatten nach den Spice Girls lange mit Depressionen und Essstörungen zu kämpfen.

Jedes Mädchen träumt davon, was uns passiert ist. Aber wenn du selbst in der Situation bist, bist du null vorbereitet. Wir lebten in einer Blase. Du vermisst deine Familie, hat kein Sozialleben mehr. Das bringt einen ganz schön durcheinander, wenn man erst Anfang 20 ist - und eigentlich noch damit beschäftigt ist, herauszufinden, wer man überhaupt ist.

In "Dear Life" geht es um diese Höhen und Tiefen. Erleben Sie die heute noch?

Absolut. Und wissen Sie, was das Schlimmste ist? Wenn man älter wird, denkt man ja immer, man hätte das Leben so langsam im Griff. Man wüsste, wie es läuft und wäre gut gewappnet. Aber dann passiert plötzlich wieder etwas, das einen total aus der Bahn wirft. Ich finde: Je älter man wird, desto komplizierter wird das Leben. Man hat zwar bessere Werkzeuge, aber die Probleme werden größer, weil es Erwachsenen-Probleme sind. Ich habe gerade so eine Phase hinter mir.

Sie spielen vermutlich auf die Trennung von Ihrem langjährigen Partner, dem Vater Ihrer Tochter, an?

Ich habe mich vor fünf Jahren von ihm getrennt. Wir waren sehr lange zusammen und es fiel mir wirklich nicht leicht, diesen Schritt zu gehen. Früher sind die Leute für ihre Kinder zusammengeblieben - aber ich finde, jeder hat verdient, glücklich zu sein. Und eine Verantwortung meiner Tochter gegenüber ist doch auch, ihr beizubringen, was eine liebevolle Beziehung ist und wie eine Frau behandelt werden sollte.

Eine neue Version, offensichtlich.

Eine neue Version, offensichtlich.

Wie war das so, mit Ende 30 plötzlich wieder alleine zu sein?

Super! (lacht) Wenn man in einer Beziehung ist und ein Kind hat, geht man ja nicht viel aus. Nach der Trennung öffnete sich mir eine komplett neue Welt. Ich hing mit Freunden rum, lernte neue Männer kennen, ging auf ein paar Dates - und ließ mir das Herz brechen. Ich habe die ganze verlorene Zeit aufgeholt. Ich habe es wirklich genossen, einfach wieder in den Tag hinein zu leben. Aber nach einem Jahr hatte ich dann auch genug und habe mich wieder nach einer Beziehung gesehnt.

Ihr neuer Freund ist Fitnesstrainer, oder?
Ist er nicht! Keine Ahnung, wo dieses Gerücht herkommt. Aber ich wünschte, er wäre Fitnesstrainer, das wäre sehr praktisch.

Welche Rolle spielt Sport heute in Ihrem Leben?

Sport ist ein großer Teil meines Lebens, ich brauche die Bewegung und die Endorphine, die dabei freigesetzt werden. Wenn es mir körperlich nicht gut geht, geht es mir auch psychisch nicht gut. Wir sprachen ja über meine Depressionen. Seitdem habe ich ein Regelbuch, wie ich mit mir umzugehen habe: Ich muss regelmäßig Sport machen, muss mich gesund ernähren, genug schlafen und ich darf nicht zu viel Alkohol trinken. In Zeiten, in denen ich angeschlagen bin, muss ich mich an diese Regeln noch strikter halten.

Sie haben letztes Jahr drei Triathlon-Wettkämpfe absolviert. Ist das nicht wahnsinnig anstrengend?

Schon, aber der Triumph, wenn man am Ende das Ziel erreicht - das ist das Beste, was man für sein Selbstbewusstsein tun kann. Ich höre immer wieder von Leuten, dass sie das nicht schaffen würden, dabei sind wir zu so viel mehr in der Lage, als wir uns zutrauen. Und es tut gut, sich selbst herauszufordern.

Ihr Ziel sind die Olympischen Spiele, oder?

Ich will ein Triathlon-Shirt, auf dem "Chisholm Team GB" steht! (lacht) Dieses Jahr wird es wahrscheinlich nichts, weil ich mit meinem Album einfach zu viel zu tun habe, aber nächstes Jahr würde ich mich gerne für meine Altersklasse qualifizieren. Ich muss meine Zeit dafür um zehn Minuten reduzieren. Wenn ich wirklich daraufhinarbeite, könnte ich das glaube ich schaffen.

Online teilen Sie viele Ihrer Sportvideos und Ernährungstipps. Sehen Sie sich als Botschafterin?

Das wäre schön. Ich kriege jedenfalls viel Feedback von Leuten. Ein Mädchen aus den USA, die stark übergewichtig war, hat durch meine Videos angeregt fast 20 Kilo abgenommen. Es ist inspirierend, das zu sehen. Da wir mit den Spice Girls früher oft in Los Angeles war, dem Mekka für gesundes Essen, habe ich mich schon früh mit dem Thema beschäftigt. Klar, diese Welle neuer Kohl-Säfte geht manchmal zu weit, aber es ist nun mal so: Was man von seinem Körper erwarten kann, hängt davon ab, was man rein steckt. Das vergessen wir leider zu oft. Das meiste Serotonin wird im Darm produziert.

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Wann haben Sie das letzte Mal gesündigt?

Oh ich bin absolut keine Heilige! Ich liebe Chips und trinke auch gerne mal einen Wein mit Freunden.

Trotzdem: Nach allem, was wir besprochen haben, wirken Sie wie das perfekte Beispiel für die moderne, selbstbewusste Frau.

Finden Sie? Das ist Girl-Power im 21. Jahrhundert (lacht).

Wie weit sind wir in Hinblick auf "Girl-Power" gekommen?

In der Musikszene hat sich viel getan! Am erfolgreichsten waren in den letzten Jahren doch Frauen: Beyoncé, Rihanna, Katy Perry, Adele, Ellie Goulding - wann gab es das schon mal? Ich will nicht behaupten, dass das der Verdienst der Spice Girls ist, aber wir haben wahrscheinlich schon einen Teil dazu beigetragen. Und was mich persönlich betrifft - ich würde sagen, dass ich heute sogar mehr Girl Power habe. Damals war es eine schöne Idee und mit den anderen Mädels im Rücken hatte ich den Mut, dafür einzustehen. Als Individuum war ich allerdings noch ängstlich. Heute lebe ich viel mehr nach diesem Ethos.

Mit Melanie C sprach Nadine Wenzlick

Melanie C auf Tour:

1. Mai Berlin, Columbia Theater
3. Mai Köln, Gloria
7. Mai Hamburg, Mojo Club
8. Mai Offenbach, Capitol
9. Mai Stuttgart, Im Wizemann

Quelle: ntv.de

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