"Auch die Punks haben uns geliebt" Letzte Remasters-Runde von Led Zeppelin
01.08.2015, 18:05 Uhr
Led Zeppelin 1971 in Montreux (Schweiz).
(Foto: imago/Haytham Pictures)
Die drei finalen Alben von Led Zeppelin werden jetzt in erweiterter Form veröffentlicht. In den ehemaligen Londoner Olympic Studios trafen wir Jimmy Page und sprachen mit ihm über Punkrock, Dinosaurier-Bands und ABBA.
Könnten diese Mauern ein Lied singen, was wäre das für ein Epos: Im Londoner Stadtteil Barnes, unterhalb der Hammersmith Bridge auf der südlichen Seite der Themse, liegen die Räumlichkeiten der ehemaligen Olympic Studios. Dort, wo heute das Olympia Kino mit Bar, Restaurant und Member's Club der betuchteren Klientel cineastischen Zeitgeist, Tom Collins und Jakobsmuscheln serviert, wurden einst Jahrhundertplatten im Dutzend aufgenommen: Ob "Who's Next" oder "Quadrophenia", Jimi Hendrix' "Axis: Bold as Love", "Odyssey & Oracle" von den Zombies oder Queens "A Night at the Opera" - hier wurde bis ins Jahr 2009 Musikgeschichte in Klang gegossen, die letzten Aufnahmen machten U2 mit "No Line on the Horizon".
Auch Led Zeppelin waren Stammgäste und nahmen bis einschließlich "Physical Graffitti" in den Olympic Studios ihre Platten auf. Der perfekte Ort also, um Jimmy Page zur VÖ der letzten drei Alben der von ihm kuratierten Remasters-Serie zum Gespräch zu treffen.
"Presence", das vorletzte Studioalbum, stammt aus dem Jahre 1976. In welchem Zustand befand sich die Band damals?
Jimmy Page: Nun, wir waren von Erfolg zu Erfolg geeilt. Die Hallen wurden immer größer, die Publikumszahlen stiegen immer weiter. Wir versuchten dem gerecht zu werden. Mehrere Dates an einem Ort waren an der Tagesordnung. 1975 hatten wir im Londoner "Earl's Court" gespielt, danach brauchten wir einen Break, um neues Material zu schreiben. Einen Bruch gab es schließlich auch, nur leider handelte es sich um das Bein unseres Sängers. Robert hatte einen Unfall, wir mussten danach unsere US-Tour absagen. Das machte einen Strich durch alle Pläne. Wir gingen schließlich nach Malibu, starteten das Songwriting und flogen nach München ins Studio.
Wie kamen Sie auf München?
Es war nicht so weit weg von zu Hause, das Studio hatte einen exzellenten Ruf und wir hatten immer ein besonders gutes Verhältnis zu Deutschland und unseren Fans dort. Das Wichtigste für mich war, dass Toningenieur Keith Harwood verfügbar war. Mit ihm habe ich immer sehr gut und sehr eng zusammengearbeitet. Wir haben uns also dort getroffen und das Album in drei Wochen eingespielt.
Das ist nicht allzu lang.
Nein, gerade aus heutiger Sicht. Man muss bedenken, das war alles analog. Du konntest da nicht irgendwie monatelang rumbasteln und hin- und herschieben. Das war nicht ProTools - du musstest dein Zeug zusammenhaben und abliefern. Die Performance als solches war entscheidend. Nichts von wegen, hey, wir machen mal 15 Takes und schauen dann, was wir nehmen.
Plants Verletzung blieb auch im Studio ein Problem.
In der Tat, zudem eines in unseren Köpfen. Wir hatten ja keine Ahnung, wann er wieder gesund sein würde und ob er jemals wieder laufen könnte. Seine Tracks hat er dann zum Teil im Rollstuhl, das meiste von einem Barhocker aus eingesungen. Er hat sich dennoch die Seele aus dem Leib geschrien.
Wo sehen Sie das Album im Zep-Kanon? Es gibt Interviews, in denen Sie vom wichtigsten überhaupt sprechen.
Nun ja, wichtig sind sie alle. Das Wichtigste für mich ist offen gestanden das erste Album. Ohne das hätte es alles, was folgte, nie gegeben. Aber klar, "Presence" ist aufgrund der schwierigen Umstände schon sehr, sehr wichtig, allein weil wir damit unser Momentum trotz aller Widrigkeiten bewahrten.
Gegenüber den 1960er-Jahren hatte sich der Kontext stark verschoben. Punkrock stand kurz vor dem Durchbruch. Wie empfanden sie den Zeitgeist damals?
Ich mochte das sehr. Ich fand das spannend, allein die Energie. Robert und ich sind zu einem Konzert von The Damned gegangen. Was für eine Band, superb.
Im nächsten Jahr feiern Captain Sensible und Co. 40-jähriges Jubiläum in der Royal Albert Hall. Wer hätte gedacht, dass das so lange halten würde.
Gute Musik überlebt, sie überdauert die Zeit. Ganz einfach.
Dabei hatten Punkrock und seine Protagonisten die großen Rock-Dinosaurier damals als Feind ausgemacht.
Klar, aber damit waren ja nicht wir gemeint. Die hassten Progrock und all das Zeug. Du weißt, wen ich meine, ich muss hier keine Namen nennen. Mit uns hatten die Punks nie ein Problem, selbst die haben uns geliebt. Rat Scabies (Drummer von The Damned, die Red.) kam nach dem Konzert zu uns und sagte: "Mann, wir hören alle Led Zeppelin". John Lydon hatte nach den Sex Pistols seine neue Band PIL gegründet und die spielten "Kashmir".
Ein Album später stand New Wave in voller Blüte. Hatten diese neuen Sounds einen Einfluss auf die Band? "In Through the Outdoor" geriet um einiges keyboardlastiger als der Vorgänger.
Das war aber nicht New Wave geschuldet, vielmehr hatte unser Bassist John Paul Jones ein neues Keyboard aufgetan. Die Yamaha Dream Machine, die auch Stevie Wonder zuvor benutzt hatte. Ein Riesenteil, das aussah wie ein Autoscooter vom Rummelplatz. Die Sounds waren großartig, John hatte die Ideen und die gingen gut mit meiner Gitarre zusammen.

Chris Robinson von den Black Crowes (l.) mit Jimmy Page im Juni 2000: "Die Black Crowes waren fantastisch".
Diesmal wurde in Stockholm aufgenommen. In den Polar Studios, die Björn und Benny von ABBA gerade aufgemacht hatten.
Das war technisch auf dem neuesten Stand und die beiden fragten mich persönlich, ob wir es nicht nutzen wollten. Das taten wir dann schließlich. Sie waren mit ihrer Studiozeit sehr großzügig, es war ihnen wichtig, eine europäische Band dort zu haben. Das alles war state of the art, großartig für uns natürlich.
Haben Sie Zeit mit ABBA verbracht?
Also, ich hätte zu gern etwas Zeit mit Agnetha verbracht (grinst). Aber die wurde vor uns unter Verschluss gehalten. Leider. Ich traf aber Benny. Wir gingen direkt am ersten Abend in einen Club und ich stellte fest, dass die Trinkkultur dort eine ganz andere ist. Ich aber hatte ein Album aufzunehmen und setzte mich früher ab.
Mit dem letzten Album "Coda" schließt sich der Kreis, das Ende Ihres Remasters-Projekt. Was steht als Nächstes an? So etwas wie die Zusammenarbeit mit den Black Crowes etwa - wird es eine Fortsetzung geben?
Wenn ich nach diesem LedZep-Projekt mit etwas Neuem zurückkomme, dann muss das natürlich etwas Besonderes sein. Die Black Crowes waren fantastisch, aber das hatte seine Zeit. Wenn ich jetzt neu starte, muss das spektakulär sein. Ich werde wie Houdini aus der Kiste steigen müssen.
Verraten Sie uns, was das sein wird?
Nur so viel - ich werde dabei Gitarre spielen.
Das Interview führte Ingo Scheel.
Die drei Alben von Led Zeppelin erscheinen am 31. Juli via Warner Music in verschiedenen Formaten. ("Presence", "In Through the Outdoor" und "Coda" bei Amazon bestellen)
Quelle: ntv.de