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"Tatort" aus Frankfurt Das Leben ist eine Großbaustelle

Elsner und Broich - kann man sich immer wieder anschauen, diese Frauen!

Elsner und Broich - kann man sich immer wieder anschauen, diese Frauen!

(Foto: dpa)

Brix und Janneke lassen es krachen, während um sie herum alles zusammenbricht und jenen Mord, den es aufzuklären gilt, gesteht ausgerechnet ein Kollege. "Die Guten und die Bösen" ist eine doppelbödige Parabel auf das Polizistendasein, mit der wunderbaren Hannelore Elsner in einer ihrer letzten Rollen.

"Bis zuletzt hat sie das getan, was ihr Leben war: vor der Kamera zu stehen und an ihren Rollen zu arbeiten. Leidenschaft und Genauigkeit - ihre beiden stärksten darstellerischen Tugenden können die Zuschauer auch an ihren letzten Auftritten noch einmal bewundern, die jetzt im Ersten ausgestrahlt werden," so Volker Herres, Programmdirektor der ARD, über Hannelore Elsner, die am 21. April 2019 gestorben war. Neben ihrem letzten Film mit dem programmatischen Titel "Lang lebe die Königin", der am 29. April im Ersten gezeigt wird, ist es der "Tatort" am Sonntagabend, in dem die Zuschauer*innen nun noch einmal ihre Schauspielkunst genießen können.

Schon die ersten Szenen mit ihr, in der leerstehenden Etage eines Betonbaus, umgeben von Akten und Schriftstücken, wohlbedacht bei jeder Geste, unaufgeregt, dabei total präsent, lässt an ein altes Bonmot denken: Sie könnte ihren Zuschauern das Telefonbuch vorlesen und man würde an ihren Lippen hängen. In der Rolle der Kommissarin Elsa Bronski sind es die zahlreichen ungelösten Fälle, die ihr auch im Ruhestand noch schlaflose Nächte bereiten. Einer davon ist die Vergewaltigung von Helen Matzerath (Dina Hellwig), die sieben Jahre zurückliegt und nicht aufgeklärt werden konnte.

Als nun die Leiche des einst Tatverdächtigen gefunden wird, eine Plastiktüte über dem Kopf, sein nackter Körper von Brandmalen übersät, ist es mit Ansgar Matzerath (Peter Lohmeyer) der Ehemann des Vergewaltigungsopfers, der die Tat unumwunden gesteht. Was das Ganze für Kommissarin Anna Janneke (Margarita Broich) und Kollege Paul Brix (Wolfram Koch) besonders pikant macht, ist die Tatsache, dass Matzerath ein Kollege, ein Polizeibeamter, ist.

Doch nicht nur das bereitet den beiden Kopfschmerzen, es ist auch der Restalkohol vom Vorabend, der in ihren Schläfen pocht und dazu noch so einiges mehr. Um sie herum wird das überdimensionierte Kommissariat, das mehr an ein Parkhaus oder ein stillgelegtes Krankenhaus erinnert, deinstalliert, Schränke werden leergeräumt, Regale auseinandergeschraubt. Da die neuen Räumlichkeiten noch nicht bezugsfertig sind, die Renovierungen weiterhin andauern, ist hier alles provisorisch. Verhöre auf den Fluren, Akten überall, geplatzte Wasserleitungen und kaputte Fenster. Und dann ist da noch Olivia Dor (Dennenesch Zoudé), die als Coach angeheuert wurde, um mit den Kommissarinnen und Kommissaren die universelle Frage "Was sind Ihre Werte als Polizist?" zu erörtern. Ein umso pikanterer Ansatz, da Matzerath zwar auf unbedingte Bestrafung pocht, vor allem Brix jedoch davor zurückscheut, den Kollegen zu verdonnern.

Regisseurin Petra K. Wagner und Drehbuch-Autor David Ungureit machen es sich und dem Publikum nicht eben leicht mit dieser Parabel um Selbstjustiz und Wertediskussion. Die Inszenierung erfährt durch die surreale Kulisse des riesigen Baus eine fast theatralische Überhöhung, kaum eine Szene kommt ohne Symbolismus aus. Da rollt ein roter Ball durchs Bild, jagt ihm - natürlich - ein deutscher Schäferhund durch labyrinthische Gänge hinterher. Überall sind die Leitungen leckgeschlagen, wehen Plastikfolien in zugigen Büros, wird es mal klaustrophobisch wie bei Kafka, dann wieder so streng fokussiert wie bei Kubrick. Dass die Formel dennoch aufgeht und das Geschehen, nach einer kurzen Aufwärmphase mit Wodka und Karaoke, durchgehend fesselt, ist auch dem Weglassen von jeglicher Ironie oder Augenzwinkern geschuldet. "Die Guten und die Bösen" nimmt sich selbst ernst, ohne dabei jedoch angestrengt zu wirken, kurzum: eine vielschichtige Studie um Schuld und Sühne mit einem durchweg erstklassigen Cast.

Quelle: ntv.de

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