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"Tatort - Die Zeit ist gekommen" Hundstage in Dresden

Nico (Emil Belton) hat sich die Waffe genommen und bedroht Louis (Max Riemelt) und Anna Bürger (Katia Fellin).

Nico (Emil Belton) hat sich die Waffe genommen und bedroht Louis (Max Riemelt) und Anna Bürger (Katia Fellin).

(Foto: Michael Kotschi/MDR/W&B Television/ARD/dpa)

Ein Toter, ein Baseballschläger mit Fingerabdrücken und ein vorbestrafter Tatverdächtiger - das ist die Ausgangssituation für ein Geiselnahme-Drama, bei dem lange nicht klar ist, wer mehr stümpert: die Polizei oder die Verbrecher. Ein Flop, wenn es da nicht Claude Heinrich gäbe.

Louis Bürger (Max Riemelt) will eigentlich nur eines: Endlich mit seiner Familie in Ruhe leben, sich den Traum von der Reise nach Kroatien, vielleicht sogar den vom Motorboot erfüllen. Da ist seine Frau Anna (Katia Fellin), die sich im Supermarkt abrackert, und da ist Sohn Tim (Claude Reichelt), der im Heim wohnt und nur am Wochenende nach Anmeldung Zeit mit seinen Eltern verbringen kann. Bürger ist vorbestraft, sein Naturell zwischen verträumt und aufbrausend steht ihm im Weg und als ein Wohnungsnachbar vor ihrem Haus tot aufgefunden wird, stürzt alles auf ihn ein.

Neben der Leiche liegt die vermeintliche Tatwaffe, ein Baseballschläger aus dem Besitz Bürgers, darauf seine Fingerabdrücke. Für die Polizei ist der Fall - zunächst einmal - klar. Doch Louis Bürger streitet vehement ab, entkommt den Beamten mithilfe seiner Frau und macht sich auf Richtung Kinderheim. Jetzt nur noch Tim da rausholen, ab ins Auto, Flucht nach Kroatien - und dort ein neues Leben anfangen. Doch so einfach ist die Sache nicht, aus der geplanten Flucht in ein neues Leben wird eine dramatische Geiselnahme, die nicht ohne Blutvergießen endet.

Mehr an Psyche der Protagonisten interessiert

Regisseur Stephan Lacant hatte 2013 mit der ungewöhnlichen Liebesgeschichte "Freier Fall" auf sich aufmerksam gemacht und beste Kritiken verbucht, später inszenierte er TV-Filme wie "Für meine Tochter" und "Zielfahnder - Blutiger Tango". Mit seinem ersten "Tatort"-Einsatz nach einer Vorlage von Stefanie Veith und Michael Comtesse widmet er sich nun dem psychologischen Themensektor des Krimi-Genres. Im Hintergrund mag zwar die Tätersuche für inhaltliche Dramaturgie sorgen, aber eigentlich ist Lacant mehr an der Psyche seiner Protagonisten interessiert.

Dabei ahnen die Zuschauer von Beginn an, dass dies alles kein gutes Ende nehmen wird. Zum einen, weil derartige Unternehmungen, gerade im abgeschlossenen TV-Format, selten bis nie gut ausgehen, zum anderen, weil die Getriebenheit Bürgers, seine verschwitzte Verzweiflung, sein illusionsschwangeres Träumen von einer Zukunft mit Frau und Kind in Kroatien, wo ihn niemand kennt, so offenkundig tragisch und ausweglos sind.

Zwiegespaltener Eindruck

Der Eindruck, den "Die Zeit ist gekommen" hinterlässt, ist dabei zwiegespalten. Aufseiten der Polizei, im Team von Gorniak (Karin Hanczewski) und Winkler (Cornelia Gröschel), changiert das Geschehen zwischen künstlich hochgekocht und seltsam stagnierend. Kommissariatsleiter Schnabel (Martin Brambach), der mit heruntergeklappter Kinnlade lange Zeit so wirkt, als würde er darüber rätseln, wie um alles in der Welt er bei diesem Job gelandet ist. Gorniak und Winkler, zwischen Tatenlosigkeit und Alleingang nach Timing suchend, während das SEK, so scheint es, sich auf dem Weg zum hochbrenzligen Einsatz mehrmals verfährt, bis es endlich eintrudelt.

Auch aufseiten der Geiselnehmer, der Bürgers, wirkt die Atmosphäre zunächst überspitzt dramatisch, aus US-amerikanischen Film-Vorbildern angelesen. Im letzten Drittel jedoch, auch ein Verdienst des überzeugend agierenden Claude Heinrich in der Rolle des 12-jährigen Tim, entwickelt sich doch noch ein erzählerischer Sog, der sich als stimmig erweist, als einnehmend bis zur melancholischen Schluss-Einstellung.

Quelle: ntv.de

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