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"Tatort" aus Köln … und alle haben sich mal so geliebt

Max Ballauf und Freddy Schenk haben es diesmal mit dem Mord an einer Jugendamtsmitarbeiterin zu tun.

Max Ballauf und Freddy Schenk haben es diesmal mit dem Mord an einer Jugendamtsmitarbeiterin zu tun.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Als die Mitarbeiterin einer Unterhaltsstelle im Jugendamt ermordet wird, verschlägt es Ballauf und Schenk zwischen die Fronten zerrütteter Familien. "Niemals ohne mich" entpuppt sich als harte, unversöhnliche Kost aus dem Hartz-IV-Kosmos.

Wie hieß es Ende der 90er-Jahre so treffend im Filmtitel einer Ko-Produktion von Wolfgang Becker und Tom Tykwer? "Das Leben ist eine Baustelle". In der Tat, möchte man gerade in diesen Tagen seufzen, das ist es wohl. Und mit Blick auf Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) möchte man ihnen raten, die Szenerie in diesem Fall nur mit einem Bauarbeiterhelm auf dem Kopf zu betreten.

Es ist der Mord an Monika Fellner (Melanie Straub), der die beiden Kölner Kommissare auf den Plan ruft. Die Frau wird in der Nähe ihrer eigenen Wohnung erschlagen aufgefunden. Als überaus streitbare Jugendamtsmitarbeiterin gibt es innerhalb ihrer problembelasteten Klientel einiges an Verdächtigen. Da ist der aufbrausende Dachdecker Stefan Krömer (Gerdy Zint), der Fellner kurz zuvor noch bei einem Streitgespräch an den Rand eines Daches gedrängt hat. Mit Julia Beck (Karen Dahmen) hatte Krömer einst ein leidenschaftliches Verhältnis, mittlerweile sind die beiden getrennt - "man kann eben nicht immer nur vögeln" - und zoffen sich um die gemeinsame Tochter Marie.

Fozzy Bär und der fruchtbare One-Night-Stand

Da ist der vor die Hunde gegangene Rainer Hildebrandt (Peter Schneider), auch er eine Hälfte einer irgendwann einmal glücklichen Beziehung. Mittlerweile findet die Kommunikation zwischen ihm und seiner Ex, der ungleich erfolgreicheren Katja Hildebrandt (Katrin Röver), nur noch im Brüllmodus statt, während ihre beiden Kinder mit bedröppelter Miene zwischen ihnen stehen.

Tülay Firat (Yeliz Simsek) und Erik Siepen (Orlando Lenzen) mit ihrem Baby Sarina im Polizeipräsidium.

Tülay Firat (Yeliz Simsek) und Erik Siepen (Orlando Lenzen) mit ihrem Baby Sarina im Polizeipräsidium.

(Foto: WDR/Martin Valentin Menke)

Und dann ist da noch die junge Tülay Firat (Yeliz Simsek), die behauptet, nicht zu wissen, wer der Vater ihres Kindes ist. "Fozzy Bär war es", behauptet sie mit Verweis auf das Karnevalskostüm des fruchtbaren One-Night-Stands. Tatsächlich aber ist wohl Lebensgefährte Erik Siepen (Orlando Lenzen) der Papa der kleinen Sarina. Tülay hatte das vor Monika Fellner geheim gehalten, um höhere Hartz-IV-Bezüge zu bekommen.

So wie sie und ihr Freund also ein Motiv hätten, so standen auch Krömer und Hildebrandt chronisch mit Fellner und ihrer Behörde im Clinch, ging es in den Auseinandersetzungen immer wieder um ausstehende Unterhaltszahlungen, denen die Väter nicht nachkommen konnten und wollten. Wie problembeladen und lautstark, wie existenziell zerrüttet all diese Lebensbünde sich darstellen, müssen Ballauf und Schenk zügig feststellen. Auch Fellners Kollegin Ingrid Kugelmeier (Anna Böger) und ihr Vorgesetzter Markus Breitenbach (Christian Erdmann) erweisen sich in den Gesprächen als nicht eben stabile Zeitgenossen.

Morast bundesrepublikanischer Beziehungsrealität

"Nur ein Viertel aller unterhaltspflichtigen Väter oder Mütter bezahlen regelmäßig den gesetzlich vorgeschriebenen Unterhalt für ihre Kinder. 75 Prozent sagen, sie können es sich nicht leisten", sagt Autor Jürgen Werner über den sozialpolitischen Hintergrund seiner Geschichte. "Das klingt, als wäre Deutschland das Armenhaus Europas. Das ist die Regel. Eltern, die trotz Trennung immer noch gemeinsam für ihre Kinder da sind, scheinen eher die Ausnahme zu sein."

"Niemals ohne mich" stößt den Zuschauer mitten hinein in diesen kaputten Beziehungskosmos, in dem die Eltern so lange streiten, bis die Kinder sich einnässen. Eine Welt, in der es binnen Sekunden von null auf Zoff geht, das nächste Anbrüllen immer nur eine Armlänge entfernt scheint. Die Suche nach dem Täter bietet einiges an Spannung und Rätselei, tatsächlich aber waten Ballauf und Schenk wieder einmal durch den knietiefen Morast bundesrepublikanischer Beziehungsrealität. Dass es am Ende - Achtung Spoiler - Bier statt Bratwurst für die beiden gibt, passt bestens ins Bild. Nach der dramaturgisch extremen Volte unmittelbar vorm Abspann dürfte es auch nicht wenige Zuschauer Richtung Beruhigungs-Pils treiben.

Quelle: ntv.de

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