n-tv.de Interview Vernetzte Integration
14.12.2007, 11:11 UhrComputer und Internet können die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund verbessern. Das geht aus der IT-Roadmap "E-Integration" hervor. Vorgestellt wurde das Papier von der Initiative D21, einem Zusammenschluss von Politik und Wirtschaft für die Informationsgesellschaft, und der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer.
Als Teil des nationalen Integrationsplans stellt die Roadmap Projekte vor, die sich Kommunikations- und Informationstechnologien bedienen, um die Integration von Migranten zu fördern. Dazu zählen zum Beispiel Sprachkurse, die neue Medien verwenden, und Internetangebote, die sich speziell an Migranten wenden.
Das Präsidiumsmitglied der Initiative D21, Prof. Barbara Schwarze, sprach mit n-tv.de über den gerade beendeten IT-Gipfel in Hannover, Medienkompetenz bei Migranten und über Mängel der Ausbildung in Deutschland.
n-tv.de: Auf dem zweiten IT-Gipfel in Hannover ging es vor allem um die Zuwanderung von IT-Spezialisten. Ihre Studie zielt eher auf die Förderung von Informationstechnologien für Migranten. Wo ist der Zusammenhang zwischen diesen beiden Themenkomplexen?
Barbara Schwarze: 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Da gibt es eine Menge ungenutztes Potential für die Arbeit mit neuen Medien, gerade unter den jungen Leuten. Hier haben wir viel zu tun, um dieses Potential in die entsprechenden Bildungsgänge zu integrieren.
Ich sehe keinen Widerspruch zu dem, was auf dem IT-Gipfel gefordert wurde. Denn wir wissen, dass IT-Unternehmen international ausgerichtet sind und dass das Know-How des ausländischen Personals wichtig ist, um auch die IT-Bedürfnisse in anderen Ländern zu kennen. Aber wir denken eben, dass in Deutschland das ungenutzte Potential ausgeschöpft werden sollte. Und dazu wollen wir mit unserer Roadmap beitragen.
Ist also das Konzept, dass die Ausbildung in Deutschland im Vordergrund stehen soll, und dann erst die Zuwanderung von Spezialisten, der richtige Weg?
Dies muss kein Widerspruch sein. Beides sollte parallel verfolgt werden. Ich bin aber auch der Meinung, dass man das Potential im eigenen Lande umfassender in den Blick nehmen muss. Dies hat absolute Priorität. Das betrifft die Menschen mit Migrationshintergrund und das betrifft die gut qualifizierten Frauen, die wir haben. Da sollten die Schwerpunkte liegen: das eigene Potential erkennen und gleichzeitig darauf zu achten, welcher Bedarf besteht.
Bei den Praxisprojekten, die Sie in ihrer Broschüre aufzählen, ist auffallend, dass es sich meist um gemeinnützige Vereine handelt. Ist es das Zukunftsmodell, dass der Staat weniger über die Schule macht, sondern Projekte und Vereine die Träger sind?
Auf dieser Ebene muss es eine viel stärkere Kooperation geben. Projekte, die wir als richtig und gut identifiziert haben, müssen vorangetrieben werden: durch eine Förderung der EU, des Staates, aber auch der Wirtschaft. In Deutschland steigt die Anzahl der Stiftungen derzeit massiv an. Und im Rahmen der sozialen Verantwortung, auch von Unternehmen, sollte zuerst identifiziert werden, welche Erfolgsfaktoren die herausragenden Projekte der Vereine und Verbände aufweisen. Danach sollte überlegt werden, wie Stiftungen und Unternehmen, durchaus auch Partnerschaften zwischen Staat und Wirtschaft, diese Projekte unterstützen können.
Der nächste Schritt muss sich mit den IT-Kompetenzen der Menschen mit Migrationshintergrund auseinandersetzen: Wie ist die Ausstattung in den Haushalten, wo besteht überhaupt Bedarf? Auch dazu gibt es in Deutschland nur sehr wenige Informationen. Schließlich müssten die guten Projekte in Form von Partnerschaften unterstützt und dafür gesorgt werden, dass sie mehr Breite und einen entsprechenden finanziellen Unterbau bekommen.
Also sehen Sie vor allem die Wirtschaft und Privatinitiativen in der Pflicht?
Durchaus. Wir sind da als Initiative D21, als Partnerschaft zwischen Politik und Wirtschaft, die sehr eng mit der Bundesregierung und den Ländern zusammen arbeitet, auch aktiv. Dadurch sind wir auf die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Frau Staatsministerin Maria Böhmer, zugegangen und haben unsere Unterstützung des nationalen Integrationsplans im Bereich der IT-Wirtschaft zugesichert. Wir wollen aufzeigen, wie IT-Medien dazu beitragen können, die Situation deutlich zu verbessern: in der Bildung, in den Kindergärten, bis hin zu Ausbildung und Beruf. Ich bin der festen Überzeugung, dass in einer solchen Zusammenarbeit der künftige Erfolg liegt.
Inwieweit kann sie der neu eingesetzte IT-Beauftragte der Bundesregierung unterstützen. Er hat ja eigentlich noch keine oder kaum Mittel.
Das ist richtig. Das Wichtige ist allerdings, dass die vielfältigen Aktivitäten, die teilweise in unterschiedlichen Ressorts liegen, koordiniert und miteinander abgestimmt werden. Es ist daher zu begrüßen, wenn die Schwerpunkte der Aktivitäten der Unternehmen gebündelt und zusammengeführt werden.
Einer der Schwerpunkte der Roadmap liegt bei der Förderung der Ausbildung mit Informationstechnologien. Wie sieht da die konkrete Umsetzung aus? Gerade Lehrer brauchen ja selbst oft Nachhilfe im Umgang mit Computern und Internet.
Im D21-Bereich „Digitale Kompetenz ist Hannes Schwaderer, Geschäftsführer der Intel Deutschland GmbH und Vizepräsident der Initiative D21, mit einem Projekt vertreten, dass die Lehramtskandidatinnen und -kandidaten im Umgang mit neuen Medien qualifizieren soll. Damit haben wir eine Gewährleistung dafür, dass das zukünftige Lehrpersonal an den Schulen für diesen Bereich fit gemacht wird.
Was sind die weiteren Schritte nach der Vorstellung der Roadmap?
Ein weiterer Schritt ist ein Projekt, das im Moment schon im Hintergrund läuft: Die Ausstattung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Unternehmen mit entsprechender IT-Technologie. Es soll die Möglichkeit bieten, unter bestimmten Voraussetzungen steuerbegünstigt Hardware zu beschaffen.
Wir versuchen, in unterschiedlichen Bereichen zu agieren: einerseits die Förderung der IT-Kompetenz beim Lehrpersonal, andererseits die technische Ausstattung als Basis für eine solche Medienkompetenz. Das sind Schritte, die im Jahr 2008 zum Tragen kommen werden.
Darüber hinaus werden wir mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Kompetenzzentrum Technik - Diversity - Chancengleichheit, dem ich selbst vorsitze, die Medienkompetenz von Menschen mit Migrationshintergrund analysieren: Wie werden die Medien in diesen Haushalten genutzt, wie ist die Ausstattung? Gibt es Unterschiede zwischen unterschiedlichen Nationalitäten, gibt es Unterschiede zwischen Älteren und Jüngeren - sind diese ähnlich wie in Deutschland? Darüber wissen wir noch zu wenig. Das wird auch einer der Schwerpunkte unserer Aktivitäten im nächsten Jahr sein.
Mit Barbara Schwarze sprach Markus Lippold
Quelle: ntv.de