Haftbefehl erlassen Asylbewerber aus Eritrea ohne Vorstrafen
06.12.2022, 16:39 UhrNach der blutigen Messerattacke auf zwei Grundschülerinnen in Illerkirchberg besucht der baden-württembergische Innenminister Strobl den Tatort und warnt vor Stimmungsmache gegen Asylbewerber. Der tatverdächtige Eritreer ist der Polizei bislang nicht aufgefallen. Nun muss er in U-Haft.
Nach dem Angriff auf zwei Schülerinnen in Illerkirchberg bei Ulm, bei dem eines der Mädchen tödlich und eines schwer verletzt wurde, ist Haftbefehl gegen den Verdächtigen erlassen worden. Dem 27-Jährigen wird nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft Mord sowie versuchter Mord vorgeworfen. Wie die Ermittler am Nachmittag mitteilten, äußerte sich der Mann bei der Vorführung in der Klinik, in der er sich wegen eigener Verletzungen befindet, nicht zu den Vorwürfen. Der 27-Jährige aus Eritrea sei nun in einem Justizvollzugskrankenhaus.
Der Mann soll am Montag zwei Mädchen auf dem Schulweg angegriffen und schwer verletzt haben. Eines der Opfer, ein 14-jähriges Mädchen, starb später in der Klinik. Die Obduktion ergab, dass die 14-Jährige nach Stichverletzungen verblutete. Die Polizei fand bei dem 27-Jährigen ein Messer, das als Tatwaffe in Betracht komme. Am Vormittag hatte die Staatsanwaltschaft bereits mitgeteilt, der mutmaßliche Täter berufe sich auf sein Aussageverweigerungsrecht. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Ulm sagte, der Mann aus Eritrea sei den Behörden bislang nie durch Gewaltdelikte aufgefallen. Er sei lediglich einmal als Schwarzfahrer erwischt worden und sonst nicht polizeibekannt. Die 13-Jährige werde noch medizinisch versorgt, ihre psychische Lage sei schwierig, sagte der Sprecher weiter. Das Mädchen habe zwischenzeitlich erfahren, dass seine Freundin getötet worden sei. Die 13-Jährige sei so schwer verletzt worden, dass in ihrem Fall auch der Verdacht des versuchten Mordes im Raum stehe.
Der Tatverdächtige sei nach wie vor mit erheblichen Verletzungen unter polizeilicher Bewachung im Krankenhaus und stundenlang operiert worden. Nach der Tat sei der Mann in eine Flüchtlingsunterkunft geflüchtet, aus der er vor dem Angriff auch gekommen sein soll. Dort waren den Angaben zufolge zwei weitere Männer aus Eritrea, die die Beamten mit zur Dienststelle nahmen. Ob sie Auskunft zum Geschehen und den möglichen Motiven des 27-Jährigen machen konnten, war zunächst noch unklar. Die zwei Männer sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Der Verdacht gegen die beiden Männer habe sich nicht erhärtet, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Ein Messer sei als mutmaßliches Tatmittel sichergestellt worden und werde nun untersucht. "Jetzt ermitteln Staatsanwaltschaft und Polizei, weshalb es zum Angriff auf die beiden Mädchen kam und ob der Tatverdächtige und die beiden Mädchen sich vorher kannten", teilten die Behörden mit.
Innenminister warnt vor Stimmungsmache gegen Asylbewerber
Nach Angaben des baden-württembergischen Innenministers Thomas Strobl gibt es bisher keine Hinweise auf ein politisches oder religiöses Motiv. Die Hintergründe der Tat, insbesondere die Motivlage, seien bis zur Stunde unklar, sagte Strobl bei einem Besuch am Tatort. Wörtlich sagte er: "Ich möchte an dieser Stelle freilich sehr deutlich sagen: Wir haben keinerlei Erkenntnisse auf eine politische oder religiöse Motivation dieser Straftat." Mehrere AfD-Politiker gingen schon am Montag darauf ein, dass ein Asylbewerber als tatverdächtig gilt. Der CDU-Politiker rief zur Besonnenheit auf. "Dieses Ereignis darf kein Anlass und keine Rechtfertigung für Hass und Hetze sein", sagte Strobl weiter. "Diese Straftat muss mit aller Konsequenz aufgeklärt werden. Der Täter muss mit aller Konsequenz bestraft werden. Das wird auch so geschehen."
Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wandte sich gegen voreilige Schlüsse. "Ich kann nur warnen, irgendwelche Zusammenhänge aufzustellen, bevor überhaupt die Tat aufgeklärt ist", sagte der Grünen-Politiker in Stuttgart. Teils geschürte Stimmungen nehme die Landesregierung ernst, deswegen fahre etwa auch der Innenminister zum Ort des Geschehens. Einen Zusammenhang mit dem anstehenden Flüchtlingsgipfel in Baden-Württemberg wollte Kretschmann nicht sehen. Zunächst einmal sei es eine schreckliche Tat im Leben der Schülerinnen. "Wir fühlen da ganz besonders mit den Angehörigen." Die überlebende Schülerin sei geschockt und wohl für ihr ganzes Leben beeinträchtigt.
Das getötete Mädchen besitzt nach Angaben des Innenministeriums die deutsche Staatsbürgerschaft und hat einen türkischen Migrationshintergrund. Der türkische Botschafter forderte eine lückenlose Aufklärung des Angriffs. Die Tat habe die türkische Gemeinschaft stark verunsichert, sagte Ahmet Basar Sen, der gemeinsam mit Strobl den Tatort besuchte. "Wer ist das? Wer hat das gemacht? Wird es aufgeklärt?" Diese Fragen müssten nun alle geklärt werden, der Botschafter sicherte seine Unterstützung bei den Ermittlungen zu.
Quelle: ntv.de, mau/dpa