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Robert-Capa-Bild von 1936Berühmtes Foto bekommt keinen Gedenkort in Madrid

10.12.2024, 13:25 Uhr
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Menschen reinszenieren 2017 die Capa-Fotografie vor dem erhaltenen Haus in der Calle Peironcely 10. (Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Als Kriegsreporter fotografiert Robert Capa ab 1936 den Spanischen Bürgerkrieg. Eine seiner Aufnahmen zeigt ein bombardiertes Haus in Madrid. Die spanische Hauptstadt wollte das bis heute erhaltene Gebäude unter Denkmalschutz stellen. Doch diese Pläne wurden nun auf Eis gelegt.

Das Haus in der Calle Peironcely 10 im Madrider Arbeiterviertel Vallecas hat Geschichte. Zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs 1936 wurde es bombardiert. Bis heute sind die Löcher in der Fassade des einstöckigen Gebäudes sichtbar.

2018 kündigte der Stadtrat von Madrid an, das Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen und dort in Gedenken an die zivilen Opfer des Krieges ein Museum zu errichten. Doch diese Pläne widerrief der Stadtrat nun. Die Aktivisten der Gedenkinitiative sind erschüttert, wie der "Guardian" berichtet. Sie halten an der Errichtung eines Gedenkortes fest.

Foto und Haus Symbol für moderne Kriegsführung

Im Winter 1936 reiste der ungarische Fotojournalist Endre Ernő Friedmann nach Spanien, um den Bürgerkrieg zwischen den republikanischen und den aufständischen franquistischen Truppen zu dokumentieren. Nach der Bombardierung Madrids durch italienische und deutsche Bomber aufseiten Francos fotografierte er ein von Bomben beschädigtes Haus im Madrider Arbeiterviertel Vallecas. Sein Bild zeigt die durchlöcherte Fassade eines Gebäudes, vor dem Kinder spielen. Unter seinem Künstlernamen Robert Capa wurde die Fotografie kurz darauf in der Presse in den USA, in Frankreich und in der Schweiz veröffentlicht.

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Der Fotograf Robert Capa mit der Kamera im Spanischen Bürgerkrieg. Fotografiert hat ihn hier seine Partnerin, die Fotografin Gerda Taro. (Foto: picture alliance / Heritage Images | © Fine Art Images/Heritage Images)

Capas Fotografie sowie auch das bis heute erhaltene Haus in Madrid symbolisieren einen "wichtigen Wendepunkt" in der Geschichte der Kriegsführung, sagte der US-Historiker Sheldon Garon von der Princeton University im April 2024 der spanischen Zeitung "El País". Die Bombardierung von Zivilisten aus der Luft ist Garon zufolge eine Strategie, die damals erstmals verfolgt wurde und auch heute noch gegen die zivile Bevölkerung im Gazastreifen und in der Ukraine eingesetzt wird.

"Es ist das erste Bild in der Geschichte, das die Auswirkungen von Bombenangriffen auf den schwächsten Teil der Gesellschaft zeigt: Kinder", sagte José María Uría von der Initiative Fundación Anastasio de Gracia dem "Guardian". "Es war die Wirkung dieses Fotos, die viele Menschen dazu brachte, sich [in den Krieg] einzumischen."

Ein Plan für das Gedenken

Doch erst vor wenigen Jahren erkannte Madrid die Bedeutung der Geschichte des Hauses - und des Bildes von Capa: Denn im Jahr 2018 kündigte der Stadtrat von Madrid, damals unter der Leitung der linksgerichteten Bürgermeisterin Manuela Carmena, Pläne an, das Gebäude in ein Kulturzentrum für das Gedenken zu verwandeln. Man wolle das Gebäude "wegen seines immateriellen Wertes und seiner Bedeutung als Zeugnis" für die Geschichte Spaniens und Europas unter Denkmalschutz stellen, hieß es.

"Wenn der (Enteignungs-)Prozess abgeschlossen ist, soll dieses Gebäude unserer Vorstellung nach zu einem Erinnerungszentrum werden, in dem sogar die Werke von Robert Capa ausgestellt werden könnten", sagte José Manuel Calvo, der damalige Stadtrat für nachhaltige Stadtentwicklung. Um das Haus in einen Ort des Gedenkens zu verwandeln, enteignete der Stadtrat den Besitzer und zahlte für 500.000 Euro das Grundstück. Die 14 Familien, die in den heruntergekommenen Wohnungen des Hauses lebten, wurden umgesiedelt.

"Es ist gut, dass es (das Haus) erhalten bleibt, denn Geschichte sollte nicht verloren gehen - sie ist die Wurzel unserer Gegenwart und unserer Zukunft", sagte die 36-jährige Anwohnerin Cristina Uquillas damals. Nicht alle Bewohner waren jedoch so positiv gestimmt. Dem "Guardian" zufolge hatten einige Anwohner auch gemischte Gefühle. Seit mehr als zwei Jahren steht das Haus nun leer, doch an eine Eröffnung eines Kulturzentrums ist nicht zu denken.

Kulturpolitische Kehrtwende

Seit 2019 ist José Luis Martínez-Almeida von der konservativen Volkspartei (PP) Bürgermeister in Madrid. Unter seiner Führung hat die Stadt ihre Pläne nun gestoppt. Obwohl das Gebäude enteignet und seine Mieter umgesiedelt wurden, sagte der Generaldirektor für Kulturerbe des Stadtrats, dass die Idee eines Capa-Museums lediglich "ein konzeptioneller Vorschlag und kein architektonischer Entwurf" sei.

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Mauerkunst in Madrid zeigt ein Abbild der Capa-Fotografie von 1936. (Foto: picture alliance / Pacific Press)

"Im Moment konzentriert sich der Stadtrat auf die Restaurierung des Gebäudes, das sich in einem sehr fragilen Zustand befindet", zitiert die Zeitungen einen Sprecher des Stadtrats. "Sobald diese Arbeiten abgeschlossen sind, wird entschieden, welche Nutzung am besten zu den technischen Bedingungen des Gebäudes passt." Auf diese Kehrtwende reagierten die internationalen Organisationen, die bei der Errichtung des Zentrums involviert waren, wie das Goethe-Institut, das amerikanische International Center of Photography und die Initiative Fundación Anastasio de Gracia, verblüfft.

"Wir sind nach all den Jahren und der Arbeit, die wir in dieses Projekt investiert haben, ziemlich am Boden zerstört", sagte José María Uría von der Initiative Fundación Anastasio de Gracia. Uría stößt sich insbesondere an dem Vorschlag des Stadtrats, das Gelände als Mehrzweck-Kulturraum zu nutzen. Das Gebäude sei nicht nur viel zu klein, sondern es gebe auch ein viel größeres Kulturzentrum mit einem riesigen Auditorium, das nur wenige Hundert Meter entfernt sei. "Das ist einfach respektlos", sagte er. "Es fühlt sich an, als würden sie uns für dumm verkaufen." Die Initiative hält weiter an ihrem Vorschlag fest, in dem Haus das Robert Capa Centre for the Interpretation of the Aerial Bombing of Madrid zu eröffnen.

Die ehemalige Kuratorin des Robert Capa-Archivs im International Center of Photography in New York, Cynthia Young, sagte dem "Guardian", dass ein Capa-Zentrum in dem Gebäude seiner Geschichte Ehre erweisen und nationale und internationale Besuchende anziehen würde, was sowohl dem Viertel als auch der Stadt insgesamt zugutekäme.

Obwohl fast 90 Jahre vergangen sind, seit Capa sein Foto gemacht hat, habe sein Bild nichts von seiner Aussagekraft verloren. Young zufolge hat vor allem die Perspektive der Kinder "eine unglaubliche Kraft". Die Expertin sieht auch etwas Hoffnungsvolles in dem Bild und dem Haus. Viele Häuser in dem Arbeiterviertel seien in den 1980er Jahren abgerissen worden, "aber dieses Gebäude blieb aus irgendeinem seltsamen Grund erhalten".

Quelle: ntv.de, rwe

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