Streit um knappe Dosen Biontech plant weitere Impfstoff-Fabriken
28.12.2020, 16:59 Uhr
Pflegeheimbewohner werden in ganz Europa zuerst geimpft, weil das Vakzin erstmal nicht für alle reicht. Doch Biontech arbeitet bereits an neuen Standorten für die Produktion.
(Foto: picture alliance/dpa/BELGA)
Im Streit um den knappen Impfstoff schlägt FDP-Chef Lindner vor, Produktions-Lizenzen an andere Pharmafirmen zu vergeben, damit die Herstellung schnell ausgeweitet werden kann. Biontech stellt nun klar, dass ein solches Netzwerk bereits existiert. Gesundheitsminister Spahn warnt vor Qualitätseinbußen.
Der Corona-Impfstoffhersteller Biontech verfügt nach eigenen Angaben über ein "komplexes Netzwerk an Produktionskapazitäten in Europa". Neben der Herstellung des Ausgangsstoffs im eigenen Werk in Mainz liefen Teile der Produktion beispielsweise auch bei Partnerunternehmen wie Dermapharm in der Nähe von Halle in Sachsen-Anhalt und Polymun bei Wien, sagte eine Unternehmenssprecherin. Außerdem wird der Impfstoff mit dem Namen Comirnaty teilweise auch im Werk des US-Partners Pfizer im belgischen Puurs produziert und schließlich abgefüllt. Hinzu komme das Pfizer-Netzwerk in den USA.
Biontech-Chef Ugur Sahin hatte in der vergangenen Woche erklärt, sein Unternehmen suche nach weiteren Partnern für die Produktion. In dem Werk im hessischen Marburg, das Biontech vor wenigen Wochen vom Schweizer Pharmariesen Novartis übernommen hat, soll die Produktion im Februar anlaufen. Die Freigabe des ersten dort produzierten Impfstoffs peilt das Unternehmen nach eigenen Angaben für Ende März an. Zwischen Produktion und Freigabe des kontrollierten Vakzins vergehen üblicherweise etwa vier Wochen. Im ersten Halbjahr 2021 sollen in dem Werk 250 Millionen Impfdosen hergestellt werden. Als Gesamtmenge einer Jahresproduktion strebt das Mainzer Unternehmen 750 Millionen Dosen an.
Spahn gegen Lizenz-Produktion: "Hochkomplexer Vorgang"
In der Debatte über das Tempo der Impfungen in Deutschland wies Gesundheitsminister Jens Spahn Kritik und Vorschläge zur Beschleunigung der Impfstoffproduktion durch Oppositionspolitiker zurück. FDP-Chef Christian Lindner hatte am Sonntagabend gefordert, Deutschland müsse rechtlich, wirtschaftlich, politisch und technologisch alles tun, damit schneller geimpft werden könne. Lindner regte an, darüber nachzudenken, ob ein knapper Impfstoff wie der von Biontech nicht von anderen Herstellern in Lizenz produziert werden könnte. Der Linken-Gesundheitspolitiker Achim Kessler hatte im "Spiegel" sogar gefordert, Impfstoff-Hersteller zu zwingen, anderen Unternehmen eine Lizenz zum Nachproduzieren zu gewähren. "Eine Produktion für einen Impfstoff ist hoch anspruchsvoll und hochkomplex, die kann man nicht mal eben per Lizenz bei einem anderen Unternehmen machen", sagte Spahn. Gerade auch für das Vertrauen in den Impfstoff ist es wichtig, dass alle Qualitätsanforderungen eingehalten würden, sagte der CDU-Politiker.
In jedem Durchstechfläschchen, in denen Comirnaty ausgeliefert wird, ist laut Biontech eine Impfstoffmenge für rechnerisch bis zu sechs Dosen enthalten. Jede Dosis müsse 0,3 Milliliter des Impfstoffs enthalten. Um auf die maximal mögliche Menge von sechs Dosen pro Fläschchen zu kommen, sind aber spezielle Spritzen und Nadeln notwendig. Da diese aber nicht überall auf der Welt zur Verfügung stünden, seien die Flaschen für lediglich fünf Dosen vorgesehen und als solche beispielsweise von der EU zugelassen worden, teilte das Unternehmen mit. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums dürfen in Deutschland nun aber auch sechs Dosen aus einem Fläschchen entnommen werden. Überschüssiger Impfstoff aus mehreren Durchstechflaschen darf aber nicht zu einer Dosis vereint werden.
Quelle: ntv.de, mau/dpa