Rost-Tanker im Roten Meer Die schwimmende Zeitbombe wird entschärft
28.07.2023, 20:10 Uhr Artikel anhören
Das Öl der rostigen "FSO Safer" wird derzeit auf die "Nautica" gepumpt. Diese verbleibt dann im Roten Meer und wird den Huthi-Rebellen übergeben.
(Foto: via REUTERS)
Ein vor sich hin rostendes Tankschiff im Roten Meer besorgt seit acht Jahren Umweltschützer und die Vereinten Nationen. Seit Anfang dieser Woche kann das Öl endlich abgepumpt werden. In der Hoffnung, dass an gleicher Stelle keine neue Tanker-Zeitbombe entsteht.
Seit 35 Jahren liegt die "FSO Safer" vor der Küste des Jemen. Bis 1988 schipperte das rot-graue Tankschiff über die Weltmeere, dann wurde es zum schwimmenden Ölspeicher degradiert, sieben Kilometer vor der jemenitischen Küste geparkt und über eine Pipeline mit einem Ölfeld in der Nähe verbunden. Das wurde von Umweltschützern schon immer kritisiert, dramatisch ist die Situation aber erst seit 2015: Damals haben Huthi-Rebellen das Schiff gekapert und alle Wartungsarbeiten und Inspektionen verboten.
Das Schiff vor der Küste rostet dort vor sich hin, hatte Christian Bussau von Greenpeace schon vor zwei Jahren im ntv-Podcast "Wieder was gelernt" erzählt. Er sprach von einem vor sich hin maroden Tanker, der Lecks geschlagen, Wasser im Maschinenraum und defekte Pumpen habe - einer tickenden Zeitbombe.
Doch acht Jahre, nachdem die Huthi-Rebellen die Macht im Jemen übernommen haben, scheint endlich eine Lösung für die "FSO Safer" in Sicht. Seit Anfang dieser Woche wird das Erdöl, das sich noch an Bord befindet, unter Leitung der Vereinten Nationen abgepumpt.
Es geht um mehr als eine Million Barrel, das sind etwa 200 Millionen Liter. Das ist viermal so viel wie bei der Exxon Valdez. Der Tanker, der 1989 vor der Küste Alaskas havarierte und rund 40 Millionen Liter Öl freigesetzt hat. Eine riesengroße Verschmutzung war die Folge, Hunderttausende Tiere starben. "Man kann Alaska, eine sehr kalte Region, nicht mit einer warmen Region wie dem Roten Meer vergleichen, da muss man vorsichtig sein. Aber die Gesamtmenge in diesem Tanker ist riesengroß", so Bussau im Podcast.
130 Millionen Euro Kosten
Das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) hat für das Vorhaben extra für umgerechnet 50 Millionen Euro einen Supertanker gekauft. Die "Nautica" soll das Öl der "FSO Safer" aufnehmen. Insgesamt kostet die Aktion mit Abpumpen, Abschleppen und Verschrotten rund 130 Millionen Euro. Laut UN-Generalsekretär António Guterres fehlen aktuell noch 20 Millionen, um das Öl sicher abpumpen zu können.
Die Operation stelle "einmal mehr die unverzichtbare Rolle der Vereinten Nationen" unter Beweis, sagt Guterres. "Wir müssen in dieser kritischen Zeit weiter zusammenarbeiten, um die tickende Zeitbombe zu entschärfen und die bei weitem schlimmste Ölpest unserer Zeit zu verhindern."
Tatsache ist, dass die bislang schlimmste Ölkatastrophe aller Zeiten, ausgelöst durch die Explosion der Bohrinsel Deepwater Horizon im Golf von Mexiko im April 2010, von der "FSO Safer" nicht übertroffen werden kann. Gravierende Folgen für das Rote Meer und Umgebung hätte ein Austreten von über einer Million Liter Barrel aber natürlich trotzdem.
Deshalb bittet Guterres um weitere Spenden, damit die Umpump- und Abschlepp-Aktion kontrolliert und sicher beendet werden kann. Deutschland gehört laut den Vereinten Nationen zu den großzügigsten Spendern. Enttäuscht sind die UN dagegen von den Öl- und Gaskonzernen. Aus der Industrie, die selbst in schlechten Zeiten viele Milliarden verdient, sind demnach erst rund zehn Millionen Euro aufgebracht worden.
Huthi-Rebellen bekommen Ersatztanker
Ob die Aktion gelingt, klärt sich in wenigen Wochen. Wenn alles klappt, soll die "FSO Safer" abgeschleppt und verschrottet werden. Die Huthi-Rebellen dürfen stattdessen die "Nautica" behalten - und das Öl an Bord
Was damit passiert, ist noch unklar. Der jemenitische Staat besitzt formell den Anspruch am schwarzen Gold. Aktuell hat es einen Wert von mehr als 80 Millionen Euro. Sehr viel Geld für das bitterarme Land.
Aber weil der Tanker auf Huthi-Gebiet liegt, wird die jemenitische Regierung den Anspruch nicht geltend machen können. Die Vereinten Nationen hoffen, dass die Rebellen dieses Mal wenigstens die Wartung der "Nautica" erlauben. Darüber wird aber noch verhandelt. Ansonsten gibt es in einigen Jahren eine neue schwimmende Zeitbombe vor Jemens Küste.
Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?
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Quelle: ntv.de