Zerplatze Träume auf den Philippinen Entlassungen im Ausland
24.03.2009, 13:14 UhrEs war ein langgehegter Traum, der endlich vor neun Monaten ein kleines bisschen näher zu rücken schien: Die allein erziehende Philippinerin Maritess Paloma bekam einen Fabrikjob in Taiwan. Sie wollte so viel vom Lohn wie möglich nach Hause schicken und damit irgendwann in ihrer Heimatprovinz Bulacan ein bescheidenes Häuschen bauen. Kaum fünf Monate später war der Traum geplatzt: Wirtschaftskrise, Auftragseinbruch, Arbeitslosigkeit.
"Meine Welt ist fast zusammengebrochen", berichtet Paloma (38). Ihre schwieligen Hände zeigen, dass sie harte Arbeit nicht scheut. "Ich habe in Taiwan noch über eine Freundin versucht, neue Arbeit zu finden. Aber sie ist auch entlassen worden." Im November ging sie verzweifelt in die Heimat zurück. Heute teilt sie sich mit ihrer zwölfjährigen Tochter ein Zimmer in Plaridel 45 Kilometer nördlich von Manila. Ein Doppelbett, ein Tisch, ein Kühlschrank haben darin Platz. Sie verkauft Getränke und Eis, um sich und Antonia über Wasser zu halten. Das bringt keine 75 Euro im Monat. In Taiwan verdiente sie 440 Euro.
"Wenn ich kein Geld mehr habe, bettele ich bei den Nachbarn", sagt sie. Die Sorgenfalten haben sich schon tief in ihr sonnengegerbtes Gesicht gegraben. "Sie geben uns etwas zu essen, aber manchmal haben wir nur trockenen Reis." Ihre Mutter kann sie von den mageren Einkünften nicht mehr durchfüttern: die 69-Jährige, die sich um die Enkelin kümmerte, als Paloma in Taiwan war, musste zu ihrem Bruder ziehen, der als Farmer selbst kaum genug zum Überleben hat.
Menschen als Exportschlager
Menschen sind seit Jahren einer der größten Exportschlager der Philippinen: mehr als acht Millionen - rund zehn Prozent der Bevölkerung - arbeiten im Ausland und halten ihre Familien zu Hause mit ihren Löhnen über Wasser. Sie arbeiten als Matrosen, Bau- oder Fabrikarbeiter, Hausangestellte oder Krankenschwestern. Das meiste Geld kommt aus den USA, Saudi-Arabien, Kanada und Singapur. Doch überall werden die Gürtel enger geschnallt. Seit Oktober sind offiziell 5400 Philippiner arbeitslos aus dem Ausland zurückgekehrt, Die Zahl der Arbeitslosen dürfte aber viel höher liegen: viele versuchen erst mal, in ihrem Gastland neue Arbeit an Land zu ziehen.
Im vergangenen Jahr schickten Philippiner aus dem Ausland zwölf Milliarden Euro ins Land. Die Überweisungen machen mindestens zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Im Januar kamen rund 950 Millionen Euro ins Land, nur 0,1 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Wachstumsrate war so niedrig wie seit fünf Jahren nicht mehr. Die Regierung überlegt jetzt, ihre Regeln für Auslandseinsätze zu lockern. Aus Sicherheitsgründen dürfen Philippiner offiziell etwa nicht im Irak, im Libanon und in Nigeria arbeiten. "Wir wollen diese Verbote aufheben, um unseren Arbeitsmarkt im Ausland angesichts der Finanzkrise zu erweitern", sagte Vizepräsident Noli de Castro.
Komplizierte Auflagen für Mikrokredite
Für die Heimkehrer ist die Lage zu Hause auch schwierig. Multinationale Konzerne haben seit Oktober 45.000 Mitarbeiter entlassen. Die offizielle Arbeitslosenrate ist von 7,4 Prozent vor einem Jahr auf 7,7 Prozent gestiegen. Aussagekräftig sind die Zahlen nicht gerade: Millionen von Menschen leben auf dem Land ohne Jobs von der Hand in den Mund und tauchen in keiner Arbeitslosenstatistik auf.
Arbeitslosengeld und Sozialhilfe gibt es nicht, eine Krankenversicherung, die der Arbeitgeber organisiert, läuft nur, solange die Beiträge gezahlt werden. Es gibt staatliche Programme für Mikrokredite - für soziale Notlagen oder um sich selbstständig zu machen, aber die Auflagen sind kompliziert.
Aileen Luis (25) hat seit ihrer erzwungenen Rückkehr aus Taiwan im Januar Dutzende Bewerbungen geschrieben, aber wartet bislang vergeblich auf einen Job. Ihre Eltern sowie drei Geschwister in Laoang City rund 400 Kilometer nördlich von Manila waren auf ihre Überweisungen angewiesen, um mit ihren mageren Löhnen als Landarbeiter zu überleben. "Ich hatte das Gefühl, dass unser Leben endlich eine Wende zum Guten nimmt", sagt sie. "Ich wollte unsere Schulden abzahlen und vielleicht genug für ein kleines Stück Farmland sparen." Ohne Job könne sie ihren Eltern noch nicht mal mit Geld für Nahrungsmittel unter die Arme greifen. "Manchmal essen sie einfach nichts", sagt Luis. Sie wohnt bei Freunden in Manila und verkauft Süßigkeiten auf der Straße - die 75 Euro reichen ihr kaum selbst zum Überleben. Sie gibt die Hoffnung auf einen neuen Job nicht auf.
Quelle: ntv.de, Girlie Linao und Christiane Oelrich, dpa