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Hinterhalt an Sektorengrenze Ex-Stasi-Mann steht wegen Mordes vor Gericht

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Am Grenzübergang Berlin-Friedrichstraße soll der heute 80-jährige frühere Stasi-Mann den Polen Czeslaw Jan Kukuczka erschossen haben.

Am Grenzübergang Berlin-Friedrichstraße soll der heute 80-jährige frühere Stasi-Mann den Polen Czeslaw Jan Kukuczka erschossen haben.

(Foto: picture alliance / dpa)

Am 29. März 1974 wird Czeslaw Jan Kukuczka am Grenzübergang Berlin-Friedrichstraße mutmaßlich von der Stasi erschossen. Jetzt muss sich ein 80-jähriger Mann vor Gericht für die Tat verantworten. Der Mordprozess ist juristisch interessant, weil sich das Berliner Landgericht zunächst auf DDR-Recht stützte.

Am Donnerstag kommender Woche beginnt am Landgericht Berlin ein Prozess gegen einen 80-Jährigen mutmaßlichen früheren Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit (Stasi) wegen eines Mordes an der Sektorengrenze vor knapp 50 Jahren. Laut Anklage soll er am 29. März 1974 bei einem Spezialeinsatz der Stasi an einem Kontrollpunkt im Transitbereich am Bahnhof Friedrichstraße den polnischen Mann Czeslaw Jan Kukuczka aus einem Versteck heraus heimtückisch mit einer Pistole erschossen haben.

Kukuczka war zuvor mit einer Bombenattrappe in die polnische Botschaft im damaligen Ost-Berlin eingedrungen, um seine Ausreise in den Westen zu erzwingen. Einsatzkräfte der Stasi sollen dabei entschieden haben, den Mann zum Schein ausreisen zu lassen. Zugleich sollen sie beschlossen haben, den 38-Jährigen währenddessen zu töten. Die Tatausführung übernahm der damals 31-jährige Angeklagte, der Mitglied einer sogenannten Operativgruppe der Stasi war. Laut Anklage wartete er im Innern des Transitbereichs am letzten Kontrollpunkt hinter einer Sichtblende und schoss dem Opfer aus einem Abstand von knapp zwei Metern in den Rücken.

Der Mann aus Polen wurde durch den Schuss schwer verletzt und starb später in einem Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft stuft die Tat als Heimtückemord ein, weil sich der Getötete nach Passieren des letzten Kontrollpunkts in Sicherheit wähnte. Die rechtliche Einstufung als Mord ist für eine etwaige Verurteilung entscheidend. Totschlag verjährt nach deutschen Recht 20 Jahre nach der Tat. Mord verjährt hingegen nicht.

Mordprozess juristisch interessant

Da die Tat während des Bestehens der DDR auf deren Staatsgebiet geschah, birgt der Fall außerdem andere juristische Besonderheiten. Die Berliner Staatsanwaltschaft stützte ihre Anklage nach eigenen Angaben zunächst auf das zum Tatzeitpunkt für den Angeklagten geltende Strafgesetzbuch der DDR, das für den Fall von Heimtückemorden sogar die Todesstrafe vorsah.

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Allerdings wurde bei der deutschen Wiedervereinigung geregelt, dass bei der juristischen Aufarbeitung früherer Verbrechen aus DDR-Zeiten künftig die Strafvorschriften aus dem bundesdeutschen Strafgesetzbuch angewendet werden. Dieses kennt die Todesstrafe nicht, das Grundgesetz verbietet sie.

Für den Prozess sind nach Gerichtsangaben sieben Verhandlungstermine bis zum 23. Mai angesetzt. Am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin-Mitte befand sich einer der wenigen Grenzübergänge zwischen den hermetisch voneinander abgeschotteten Stadthälften Berlins. Menschen aus Ostblockstaaten hatten keine Reisefreiheit und konnten die Grenze nur in Ausnahmefällen passieren.

Quelle: ntv.de, gri/AFP

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