Terrorverdacht in Castrop-Rauxel Haftbefehle gegen Brüder beantragt
08.01.2023, 19:22 Uhr Artikel anhören
Wegen Terrorgefahr: Fahnder hatten in diesem Haus in Castrop-Rauxel die Wohnung eines Mannes gestürmt und dort auch seinen Bruder vorgefunden.
(Foto: REUTERS)
Sie sollen zu zweit einen Giftanschlag in Deutschland geplant haben: Nachdem die Fahnder in Castrop-Rauxel die Wohnung eines 32-Jährigen aus dem Iran durchsucht haben, erlässt die Staatsanwaltschaft nun sowohl gegen ihn als auch seinen jüngeren Bruder Haftbefehl. Dieser war der Polizei bereits bekannt.
Zwei iranische Brüder im Alter von 32 und 25 Jahren sind bei einem nächtlichen Anti-Terror-Einsatz im Ruhrgebiet festgenommen worden, weil sie versucht haben sollen, Gift für einen islamistisch motivierten Anschlag zu beschaffen. Zumindest bei der Durchsuchung der Wohnung des 32-Jährigen in Castrop-Rauxel in der Nacht zum Sonntag wurden aber die entsprechenden Giftstoffe Cyanid und Rizin nicht gefunden. Das teilte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf mit.
Der Verdacht hatte sich laut Generalstaatsanwaltschaft zunächst gegen den 32-Jährigen gerichtet. In seiner Wohnung hielt sich aber auch der 25-Jährige auf. Wie konkret die möglichen Anschlagspläne fortgeschritten waren und was ein mögliches Ziel gewesen wäre, ist noch unklar. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte Haftbefehle gegen die beiden. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, dass sie sich die Giftstoffe für einen islamistisch motivierten Anschlag beschaffen und damit "eine unbestimmte Anzahl von Personen" töten wollten.
Die Ermittler sehen bei den Brüdern den Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und der Verabredung zu einem Verbrechen, nämlich Mord. Ein Haftrichter des Amtsgerichts Dortmund entscheidet nun, ob die beiden in Untersuchungshaft müssen. Wie die dpa aus Sicherheitskreisen erfuhr, wird vermutet, dass der 32-jährige Anhänger einer sunnitischen islamistischen Terrorgruppe ist. Er soll demnach nicht im Auftrag staatlicher iranischer Behörden gehandelt haben. Letzteres bestätigte auch der Sprecher der Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft. Er sagte weiter, es gebe Hinweise auf ein islamistisch geprägtes Weltbild, aus denen eine Anschlagsplanung resultiere.
Bericht: Tipp von FBI soll schon Weihnachten erfolgt sein
Die deutschen Ermittler waren wegen eines Tipps von Kollegen aus den USA aktiv geworden: Es habe einen Hinweis von einer US-amerikanischen Sicherheitsbehörde gegeben, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Man habe den Hinweis auf den 32-Jährigen am Samstag bekommen und sei zu dem Schluss gekommen, dass unmittelbar ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt und vollstreckt werden müsse.
Zuvor hatte der "Spiegel" berichtet, dass die deutschen Behörden vom FBI bereits an Weihnachten einen ersten Hinweis zu den nun Festgenommenen erhalten habe. Demnach sollen die US-Ermittler eine Telegram-Chatgruppe infiltriert haben, in der sich die beiden mutmaßlichen Täter erst nach Bombenbauplänen und später auch nach Giftstoffen erkundigt haben sollen. Demnach gab es zunächst Anzeichen dafür, dass die Brüder zu Silvester zuschlagen wollten. Allerdings habe ihnen womöglich noch ein Mittel für die Herstellung des Gifts gefehlt, das erst nach dem Jahreswechsel lieferbar gewesen sein könnte, zitiert das Blatt aus Behördenkreisen.
NRW-Innenminister Herbert Reul sagte: "Wir hatten einen ernst zu nehmenden Hinweis, der die Polizei dazu veranlasst hat, noch in der Nacht zuzugreifen." Die Fahnder schlugen gegen Mitternacht zu. Der Einsatzort wurde weiträumig abgesperrt. Viele Einsatzkräfte trugen Schutzanzüge. Beweismittel wurden in blauen Fässern zu einer Dekontaminationsstelle bei der Feuerwehr gebracht, wie ein dpa-Reporter berichtete.
Wegen der biologisch-chemischen Gefahren für die Einsatzkräfte waren laut einem Bericht der "Bild" auch Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts (RKI) als Berater vor Ort. Auch mehrere Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes (BKA) und ein Entschärfer-Kommando seien im Einsatz gewesen. Die Ermittler stellten Beweismittel wie elektronische Speichermedien sicher. Diese müssten nun ausgewertet werden, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Waffen seien nicht gefunden worden. Neben der Wohnung des Mannes wurden auch Nebengelasse wie Kellerräume durchsucht.
Auch jüngerer Bruder den Behörden bekannt
Wie es aus Sicherheitskreisen hieß, war der 25-Jährige der Polizei zwar zuvor bekannt, allerdings aus Gründen, die nicht mit islamistischem Terror zusammenhängen. Die Männer sollen sich beide seit 2015 in Deutschland aufhalten. Bei der Festnahme wurden sie nur notdürftig bekleidet über die Straße in ein Einsatzfahrzeug geführt, wie Augenzeugen berichteten. Keiner der beiden habe Widerstand geleistet. Weitere Verdächtige gibt es laut den Ermittlern nach derzeitigen Erkenntnissen nicht.
Das hochgiftige Rizin wird laut RKI in der Kriegswaffenliste unter "Biologische Waffen" aufgeführt. Cyanid ist ebenfalls hochgiftig, bereits kleinste Mengen wirken bei Menschen tödlich. Wie gefährlich Rizin ist, haben Ermittlungen vor vier Jahren in Köln gezeigt: Dort hatten ein Tunesier und seine deutsche Frau die Chemikalie hergestellt und Testexplosionen ausgelöst. Ein ausländischer Geheimdienst schöpfte Verdacht und gab einen Tipp. Beide wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Ein Gutachten ergab: Rein rechnerisch hätten durch die Giftmenge 13.500 Menschen sterben können.
Quelle: ntv.de, ysc/dpa