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Unesco zeichnet Esskultur ausItaliens Rituale und Genüsse werden zum Weltkulturerbe 

10.12.2025, 15:16 Uhr A. Affaticati 1Von Andrea Affaticati, Mailand
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Auf der berühmten "Strada delle Orecchiette" in Bari werden die "Öhrchen"-förmigen Nudeln in Handarbeit hergestellt. (Foto: picture alliance / Anadolu)

International sehr beliebt, zählt die italienische Küche ab jetzt auch zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit. Offenheit und Fantasie haben sie zu einem kulturellen Vorzeigebeispiel gemacht - nicht nur auf dem Teller.

Italiens Küche gehört ab sofort offiziell zum immateriellen Weltkulturerbe. So hat es das in Neu-Delhi versammelte Unesco-Komitee entschieden. In Italien freut man sich natürlich sehr darüber. Der Nationalstolz hierzulande bezieht sich auch auf seine weltweit beliebte Küche. Die wenigsten wissen aber, dass irgendwie auch die deutsche Küche dazu beigetragen hat. Aber der Reihe nach.

Die Unesco-Auszeichnung könnte man im weiteren Sinne als eine Art Krönung verstehen, obwohl es nicht das erste immaterielle Kulturerbe in der Genusssparte ist, mit dem sich Italien schmücken darf. Die Kunstfertigkeit des neapolitanischen Pizzaiuolo (Pizzabäcker) samt Pizza gehört bereits dazu. Es folgten der Rebenanbau auf der sizilianischen Insel Pantelleria und die Landschaften einiger Weinanbaugegenden im Piemont und die Prosecco-Weinberge im Veneto. Dabei ging es aber um einzelne Anbau- und Herstellungsweisen und Rezepte. Nun wurden stattdessen die gesamte Esskultur und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft ausgezeichnet.

Durch die Küche vereint

Die Idee, die italienische Küche für das immaterielle Weltkulturerbe zu bewerben, hatte 2020 Maddalena Fossati Dondero, die Chefredakteurin der italienischen Gourmetzeitung "Cucina Italiana". Massimo Montanari und Pier Luigi Petrillo stellten dann im März 2023 den Antrag. Montanari ist Historiker und emeritierter Universitätsprofessor in Bologna, außerdem hat er einen Master-Studiengang zur Geschichte der Küche und der Ernährung ins Leben gerufen. Petrillo leitet in Rom den Lehrstuhl über das immaterielle Weltkulturerbe der Unesco.

Später schrieben sie den Antrag in ein Sachbuch um, das vor ein paar Monaten erschienen ist. Sein Titel: "Tutti a Tavola", "Alle zu Tisch". Untertitel: "Warum die italienische Küche ein Erbe der Menschheit ist". "Das materielle Kulturerbe der Menschheit kann nicht alles erfassen, wofür der Begriff Kultur steht", erklären die Autoren darin. Auch mündliche Übertragungen, Rituale, gesellschaftliche Bräuche gehörten dazu. Man habe sie von Großeltern und Eltern übernommen und gebe sie an Kinder und Enkelkinder weiter, sie prägten eine Gesellschaft und ihren Lebensstil. Daher der kulturelle Wert.

Und zu diesen Traditionen zähle auch die italienische Küche. Ausschlaggebend seien hierfür zwei Gründe. Im Antragsschreiben wird darauf hingewiesen, "dass sie das Ergebnis eines kontinuierlichen Austauschs mit anderen Kulturen, Völkern, Traditionen, Zivilisationen darstellt". Außerdem sei sie nicht nur den Italienern und italienischen Zutaten vorbehalten. "Sie gehört allen, ungeachtet der Herkunft derer, die am Herd stehen und der verwendeten Zutaten."

Ein Deutscher in der Küche des Papstes

Eines der ältesten Rezeptbücher mit dem Titel "Liber de Coquina" wurde Anfang 1300 geschrieben, wahrscheinlich in Neapel am Hofe des damaligen Herrscherhauses der Anjou. Damals war Palermo ein Knotenpunkt auf dem Weg von Arabern, Griechen, Juden und Muslimen. Und den arabischen Einfluss schmeckt man bis heute in der sizilianischen Küche, zum Beispiel bei Couscous-Gerichten und den Arancini, den gefüllten Reisbällchen.

Montanari und Petrillo schreiben außerdem, dass im Mittelalter auch der deutsche Einfluss auf die italienische Küche stark gewesen sei. Spuren davon findet man noch heute im Vokabular: etwa das Wort "Zuppa", womit eine dickflüssige Gemüsesuppe gemeint ist. Außerdem war es der Deutsche Johannes Bockenheim, der im XV. Jahrhundert die Küche von Papst Martin V. betreute und das Rezeptbuch "Registrum Coquine" schrieb. Die italienische Küche ist ein Mosaik. Und die Steinchen kommen von überallher.

Der Unesco-Entscheid bringt auch positive wirtschaftliche Folgen mit sich. So ist die Zahl der professionellen Kochkurse infolge der Auszeichnung der Pizzaiuoli Napoletani 2017 um 283 Prozent gestiegen, die der zertifizierten italienischen Kochschulen im Ausland um 420 Prozent. Einen ähnlichen Boom erhofft man sich diesmal.

Das Geheimnis liegt darin, unbekannte Zutaten und Gerichte - ob aus dem Nachbardorf oder vom anderen Ende der Welt - auszuprobieren und dann aufzunehmen. Offenheit, Anpassungsfähigkeit und Kreativität sind die drei Zutaten, die die italienische Küche zu einem einmaligen Genuss- und gesellschaftlichen Erlebnis machen.

Quelle: ntv.de

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