Zwei Fabriken in Flammen Mehr als 300 Tote in Pakistan
12.09.2012, 16:59 Uhr
Eine Frau sucht im Leichenschauhaus von Karachi nach ihrer Familie.
(Foto: AP)
Dass die Arbeitsbedingungen in vielen Fabriken Pakistans miserabel sind, ist bekannt. Mehr als 300 Arbeiter sterben nun bei Bränden in zwei Produktionsstätten. Grund für die hohe Opferzahl sind ganz offensichtlich laxe Sicherheitsvorkehrungen.
Bei Bränden in zwei Fabriken in Pakistan sind mehr als 300 Arbeiter ums Leben gekommen. Beim verheerendsten Brand in einer Textilfabrik in der südpakistanischen Industriemetropole Karachi wurden knapp 290 Leichen geborgen, in einer Schuhfabrik in der zweitgrößten Stadt Lahore starben 21 Arbeiter. In mindestens einem Fall wurden die Sicherheitsregeln offenbar missachtet.
Der Brand in der Textilfabrik brach nach ersten Erkenntnissen der Behörden am Dienstagabend im Erdgeschoss des vierstöckigen Gebäudes aus und breitete sich rasch weiter aus. Dutzende Arbeiter sprangen in ihrer Verzweiflung aus den Fenstern der oberen Stockwerke: Sie überlebten, wenn auch teilweise mit schweren Knochenbrüchen. Für die Arbeiter im Keller aber gab es keine Rettung. Sie erstickten, bevor das Feuer auch ihren Saal erfasste. Dort wurden die verkohlten Leichen erst nach Stunden von der Feuerwehr gefunden.
"Bisher haben wir 289 Leichen geborgen, die Suche dauert jedoch noch an", sagte Behördenvertreter Roshan Shaikh. Mehr als 65 Arbeiter wurden nach Angaben von Ärzten mit Knochenbrüchen im Krankenhaus behandelt. Ein Vertreter des Gesundheitsministeriums der Provinz Sindh sprach von "dem verheerendsten Brand in der Geschichte Karachis".
Unterwäsche und Plastik-Zubehör
Die Ursache für das Unglück ist noch unklar. Dass der Brand zu einer derartigen Katastrophe werden konnte, lag aber vermutlich an den laxen Sicherheitsvorkehrungen und dem schlechten baulichen Zustand der Fabrik. Laut Feuerwehrchef Ehtesham Salim wurden in dem rissigen Billigbau rund um die Uhr Unterwäsche und Plastik-Zubehör hergestellt. Die Arbeiter seien "wie Ameisen" in den Werksälen eingepfercht gewesen, ohne ausreichende Belüftung und Notausgänge. Zudem habe der Besitzer alle Ausgänge außer der Haupttür an der Vorderseite verriegelt. Gegen ihn laufen inzwischen Ermittlungen wegen Fahrlässigkeit.
Wie viele Menschen sich zum Zeitpunkt des Brandes überhaupt in dem Gebäude aufhielten, war auch Stunden später unklar. Auch die Überlebenden wussten es nicht. Einer von ihnen, Mohammed Saleem, sprach von 150 Spätschichtarbeitern. Der 32-Jährige, der sich mit einem Sprung aus dem zweiten Stock retten konnte, stand einen Tag später sichtlich unter Schock: "Es war schrecklich, plötzlich brannte die gesamte Etage, der Rauch und die Hitze wurden unerträglich. Wir rannten zum Fenster, zerbrachen die Gitter und die Scheiben und sprangen hinaus", sagte er im Krankenhaus.
Sein Kollege Mohammed Yacoob überlebte, weil er sich wegen eines Fieberanfalls kurz vor der Schicht krank gemeldet hatte. Im Krankenhaus versuchte der 40-Jährige nun verzweifelt, mehr über das Schicksal seines jüngeren Bruders zu erfahren, der ebenfalls in der Fabrik arbeitete. "Ich sah viele Leichen, doch sind sie so verkohlt, dass man nichts mehr erkennen kann", berichtete er unter Tränen.
Sandalen und Plastiksohlen
Stunden vor der Katastrophe in Karachi war bereits in einer Fabrik in Lahore im Osten des Landes ein Feuer ausgebrochen, in der Sandalen und Plastiksohlen produziert wurden. 21 Arbeiter kamen nach Behördenangaben ums Leben, 14 wurden verletzt, bevor die Feuerwehr den Brand unter Kontrolle bringen konnte. Auslöser war nach ersten Erkenntnissen ein defekter Stromgenerator.
Die Textilindustrie ist ein wichtiger Faktor für Pakistans krisengeschüttelte Wirtschaft, 38 Prozent aller Arbeiter sind hier beschäftigt. Wie in vielen anderen Industrie- und Geschäftszweigen auch, halten sich jedoch nur wenige Betreiber an die Sicherheitsregeln für den Arbeitsplatz, wie der Experte Noman Ahmed von der Technologischen Universität in Karachi erklärt: Hauptgrund sei, dass sie in der Regel keinerlei Kontrollen befürchten müssten.
Quelle: ntv.de, AFP