Mit Gurkophon und Lauchgeige Musik aus Gemüse zaubern
07.10.2008, 11:52 Uhr
Das Wiener Gemüseorchester spielt nur auf ganz frischen Instrumenten.
(Foto: imago stock&people)
Wenn Tamara Wilhelm und Jörg Piringer Musik machen wollen, können sie nicht einfach ihren Instrumentenkoffer öffnen und loslegen. Stattdessen müssen die beiden Musiker aus Österreich erstmal zum Markt gehen und dann ihr Instrument schnitzen - aus frischem Gemüse. Wilhelm und Piringer gehören zum Vienna Vegetable Orchestra, dem Wiener Gemüseorchester, das seine Töne mit Hilfe von Karotten, Sellerie oder Tomaten produziert. Mit ihrem ganz eigenen Sound aus Paprikatröten, Gurkophonen und Lauchgeigen hat das zwölfköpfige Orchester weltweit Erfolg. Jetzt feierte das Vegetable Orchestra mit einem Konzert in Wien sein zehnjähriges Bestehen.
Dass die Gemüse-Musik so erfolgreich sein könnte, hatten die Orchestergründer nicht vorausgesehen, als sie - damals noch Studenten - aus einer Laune heraus anfingen. Zunächst sei es einfach eine Herausforderung und eine "Persiflage" gewesen, erinnert sich Jörg Piringer. "Aber wir haben schnell gemerkt, dass etwas Ehrgeizigeres möglich war." "Das Konzept mag einen zum Lachen bringen, aber unsere Gruppe ist einzigartig in der Welt, was ihre Bedeutung und ihre Ernsthaftigkeit angeht", sagt Tamara Wilhelm.
Hommage an John Cage
Inzwischen hat das Orchester bei fast 200 Auftritten weltweit gezeigt, wie aus einer gewöhnlichen Karotte ein Ton herausgeholt werden kann oder wie klangvoll die Fäden eines Rhabarbers sein können. Die Musik des Vegetable Orchestra ist auch eine Hommage an Kraftwerk und John Cage. "Wir machen etwas, das man organische elektronische Musik nennen könnte", sagt Wilhelm. Ohne Technologie, vor allem ohne ausgefeilte Mikrofone und Verstärker, gäbe es die Gemüse-Musik aber nicht.
Auf der Bühne spielt das Orchester, dessen Mitglieder aus kreativen Bereichen wie Musik, Architektur, Design oder Bildhauerei kommen, live und ohne Playback-Elemente. Die Konzerte gleichen eher einer künstlerischen Performance. Durch das Rascheln mit Salatblättern, das Klopfen auf Auberginen, das Quietschen mit Gurken oder das Zerbrechen eines Kohlkopfes zaubert das Orchester hypnotische und rhythmische Klänge - eine Musik irgendwo zwischen Walgeräuschen und Techno.
"Einzigartiges Tonuniversum"
"Mit Gemüse kann ein einzigartiges Tonuniversum geschaffen werden, das nur sehr schwer durch Synthesizer nachgeahmt werden könnte", sagt Jörg Piringer. Um die Instrumente zum Singen zu bringen, müssen die Musiker immer wieder zum Werkzeug greifen. Neben Messern kommen dabei auch Bohrmaschinen zum Einsatz. Vor jedem Konzert steht ein Besuch auf dem Markt an, wo die Musiker die Bestandteile für die Instrumente auswählen. "Wir brauchen 70 Kilogramm frisches Gemüse pro Konzert und drei Stunden Arbeit, um etwa 40 Instrumente herzustellen", beschreibt Piringer. Manche Instrumente müssen wegen der hohen Temperaturen auf der Bühne während eines Auftritts sogar mehrmals ersetzt werden.
Heraus kommen Instrumente wie das Gurkophon: eine Gurke, die in eine Paprika gesteckt ist und ein Mundstück aus einer Karotte hat. Vor besondere Herausforderungen ist das Orchester gestellt, wenn es in ferne Länder reist. In Asien sei der österreichische Rettich nicht zu bekommen, in Italien sei es meist zu warm, und in Großbritannien seien die Karotten so wasserhaltig, dass sie kaum zu gebrauchen seien, sagt Wilhelm. Doch erst dadurch werde die Sache spannend. "Die Tatsache, dass man sich auf Gemüse beschränken muss, zwingt einen, immer wieder nach neuen Ideen zu suchen", sagt die Musikerin. "Das ist unerschöpflich."
Die Konzertbesucher erhalten nach fast jedem Konzert eine besondere Kostprobe: eine Gemüsesuppe. Als militante Umweltschützer oder Vegetarier verstehen sich die Orchestermitglieder allerdings nicht, fügt Tamara Wilhelm hinzu. "Und übrigens benutzen wir kein Biogemüse, das wäre zu teuer."
Quelle: ntv.de, Philippe Schwab, AFP