Für wenige Tage "Nibelungen"-Handschrift wird gezeigt
21.01.2010, 11:42 UhrEher unscheinbar sieht es auf den ersten Blick aus, das aufgeschlagene und vergilbte Buch in der Glasvitrine. Leicht angestrahlt, vor einem gewaltigen Regal mit Sammelbänden und farbigen Ordnern. Und doch: Als "Nibelungenlied" gehören die Seiten zu einem der kostbarsten Dokumente der Weltliteratur. Die Verse erzählen von Helden und von einem Drachentöter, von mutigen Frauen und blutigen Gemetzeln mitten in Europa. In der kommenden Woche wird die sogenannte Handschrift C in der Badischen Landesbibliothek für wenige Tage ausgestellt (28.-31. Januar, von 10.00 bis 22.00).
Das kostbare Exemplar erhält zeitgleich am 28. Januar gemeinsam mit den beiden Handschriften A und B in München und St. Gallen den UNESCO-Titel "Weltdokumentenerbe". "Ein guter Grund, die Handschrift aus dem Tresor zu holen und allen zu zeigen", meint Bibliotheksleiterin Julia Hiller von Gaertringen.
Der Codex aus ihrer Sammlung sei die älteste und für die Überlieferungsgeschichte des Liedes bedeutendste Handschrift, erklärt sie. Sein Lauf durch Hände und Bibliotheken verschiedener Besitzer erscheint wie Siegfrieds Irrweg durch die Wälder des Drachens: Nachdem das Lied im 16. Jahrhundert weitgehend in Vergessenheit gerät, wird die Handschrift C im Jahre 1755 auf Schloss Hohenems in Österreich eher durch Zufall entdeckt. Später taucht sie in Wien wieder auf, wo Joseph Freiherr von Laßberg sie 1815 ersteigert. Der Ritter weiß den Wert des Stücks damals schon gut einzuschätzen: "Nein", schreibt er über den Wettstreit mit einem englischen Mitbieter, "ehe ich dies zugebe, verkaufe ich mein letztes Hemd". Sein Familienwappen prangt auf dem ersten Blatt der Handschrift.
10,2 Mio. Euro für die Handschrift
Nach dem Tode Laßbergs führt der Weg der Handschrift von seinem Wohnsitz, der Meersburg, in die Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek nach Donaueschingen - bis die Landesbank Baden- Württemberg und das Land das Werk 2001 kaufen kann. Für die Handschrift C, die wohl älteste der drei bedeutendsten Schriften, zahlen Land und Bank knapp 20 Millionen Mark (10,2 Millionen Euro). Der UNESCO-Titel zeige, "wie richtig diese Entscheidung war", meint Baden-Württembergs Kunststaatssekretär Dietrich Birk (CDU).
Die Schrift aus dem 13. Jahrhundert wird in Karlsruhe gehütet wie ein Schatz - bei etwa 20 Grad, 55 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit und alarmgesichert in der "Schatzkammer" der Landesbibliothek. Erwähnt wird die badische Region in der Erzählung rund um den unbesiegbaren Siegfried und den Niedergang der Burgunden nicht. "Deshalb ist das Interesse an den Nibelungen auch vor allem in Städten wie Worms oder Xanten zu finden", erklärt Bibliothekschefin von Hiller. Die Nachfrage sei nach wie vor sehr groß. "Vor allem die modernen Aufarbeitungen auf den Bühnen oder im Fernsehen führen dazu, dass die Geschichte präsent bleibt."
Zweiteiler mit 2400 Strophen
Über Jahrhunderte wurde die Nibelungen-Geschichte um Siegfried und seine Liebe zur Königstochter Kriemhild mit historischen Persönlichkeiten wie Theoderich vermengt und von einer Generation zur nächsten getragen. Um das Jahr 1200 soll Siegfrieds Lied dann zum ersten Mal von einem unbekannten Dichter in mittelhochdeutscher Sprache auf Pergament geschrieben worden sein. Es besteht aus etwa 2400 Strophen und ist als Zweiteiler angelegt: Im ersten Teil des Sagenstoffs geht es um Siegfrieds Tod, der zweite erzählt von Kriemhilds Rache. Die "Bühne" für die Handlung reicht vom Reich der Burgunden am Rhein, quer durch das heutige Deutschland bis hinein nach Ungarn, den Ort des finalen Gemetzels. Nicht nur der Schauplatz Worms, sondern auch Siegfrieds vermeintliche Todesstätte Odenwald und das Kloster Lorsch der Königswitwe Ute in Südhessen finden ihren Platz.
"Es ist gut, dass das Lied wahrgenommen wird als ein Text, der uns allen in Europa wichtig ist", sagt Ute Obhof. Sie betreut in Karlsruhe Laßbergs Nachlass und weitere überwiegend deutschsprachige Handschriften des Donaueschinger Adelshauses Fürstenberg. "Das Lied ist nicht deutsch, dazu haben es erst die Nationalsozialisten gemacht", ist sie überzeugt.
Quelle: ntv.de, dpa