Mordfall Lena in Emden Polizei nimmt 18-Jährigen fest
31.03.2012, 18:22 Uhr
Übertragungswagen vor dem Polizeirevier in Emden.
(Foto: dpa)
Neue Entwicklung im Fall der ermordeten elf Jahre alten Lena aus Emden: Die Polizei nimmt einen 18-Jährigen vorläufig fest. Ein DNA-Test soll den jungen Mann überführt haben. Details werden auf einer Pressekonferenz am Sonntag mitgeteilt. Das Ergebnis bestätigt auch, dass ein zunächst festgenommener 17-Jähriger unschuldig ist.
Vorläufige Festnahme im Mordfall Lena: Die Polizei verdächtigt nun einen 18-Jährigen, das Mädchen getötet zu haben. Das teilten die Staatsanwaltschaft Aurich und die Polizeiinspektion Leer/Emden mit. Der Verdacht gegen den 18-Jährigen habe sich im Laufe des Tages konkretisiert. Ein DNA-Test habe dies untermauert.
Das Ergebnis habe zugleich bestätigt, dass ein zunächst festgenommener 17-Jähriger unschuldig ist. Dieser war bereits am Freitag aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Die elfjährige Lena wurde am vergangenen Samstag in einem Parkhaus im ostfriesischen Emden getötet. Das Mädchen war am Freitag im engsten Familienkreis beigesetzt worden.
"Man kann davon ausgehen, dass die Tat sexuell motiviert war", sagte Polizeisprecherin Angelika Grüter. Weitere Angaben wollte die Polizei zunächst nicht machen. Sie verwies auf eine gemeinsame Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft am Sonntag um 15.00 Uhr in Emden.
Kritik am bisheringen Vorgehen
Zuvor war nach der offensichtlichen Ermittlungspanne und der Freilassung eines zunächst Tatverdächtigen die Kritik an den Behörden in Emden immer lauter geworden. Die Staatsanwaltschaft sei mit den Sachverhalten zu offensiv an die Öffentlichkeit gegangen, sagte der Berliner Strafrechtsprofessor Martin Heger der "Welt". Ähnlich kritisch äußerte sich der Kriminologe Christian Pfeiffer in der ARD. Oberstaatsanwalt Bernard Südbeck verteidigte das Vorgehen der Beamten.
Der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl kritisierte die Sicherheitsbehörden. Polizei und Staatsanwaltschaft hätten "ein Interesse an einem raschen Fahndungserfolg", sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Deshalb seien sie "manchmal etwas voreilig und riskieren zu häufig einen zu schnellen Gang an die Öffentlichkeit." Dies sei immer häufiger zu beobachten.
Die Vorfälle in Emden zeigten zudem, "welche Kräfte im Internet frei gesetzt werden können", sagte Uhl. Das sei nicht immer zu begrüßen. Das Internet könne "das zivilgesellschaftliche Verhalten der Menschen zum Negativen verändern". In Emden hatten Polizei und Staatsanwaltschaft einen 17-Jährigen als tatverdächtig verhaftet, diesen später aber wieder frei lassen müssen, weil er sich als unschuldig erwies. In der Zwischenzeit hatten Bürger sowohl vor der Emdener Polizeiwache als auch im Internet Drohungen gegen den Jugendlichen ausgestoßen.
Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte, Menschen, die zur Lynchjustiz aufriefen, müssten "unnachgiebig verfolgt werden." Er kritisierte "Teilaspekte eine Lynchatmosphäre" im Internet. "So schön das Internet ist: Dies ist eine seiner dunklen Seiten", sagte der Politiker.
Auch Heger kritisierte die Staatsanwaltschaft. Zwar sei es vermutlich korrekt gewesen, den 17-jährigen Berufsschüler aufgrund der Indizien und Beweise zu verhaften, sagte er. Die Staatsanwaltschaft sei mit den Sachverhalten aber "zu offensiv an die Öffentlichkeit gegangen". Zur Rehabilitierung des Jungen müsse sie nun ebenso massiv an die Öffentlichkeit gehen. "Die Staatsanwaltschaft hat nun eine Pflicht zur Offenlegung der Entlastungsgründe - auch unter Inkaufnahme der Gefährdung des Untersuchungszwecks", sagte Heger.
Details bleiben aus
Der bisher Tatverdächtige war am Freitag aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Er befindet sich nun in psychotherapeutischer Obhut. Oberstaatsanwalt Südbeck sagte, der Berufsschüler sei durch neue Fakten als Täter ausgeschlossen worden.
Welche Erkenntnisse den Verdacht entkräfteten, dazu wollten aber weder Polizei noch Staatsanwaltschaft Stellung nehmen. Polizeisprecherin Grüter sagte auf die Frage, ob der Abgleich der DNA-Spuren vom Tatort dafür ausschlaggebend gewesen sei: "Das kann die Polizei weder bestätigen noch dementieren." Die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" hatte berichtet, dass der Vergleich von Tatortspuren mit der DNA des bisher Beschuldigten keine Übereinstimmung gebracht habe.
Nun geht die Polizei auch gegen die Urheber von Lynchaufrufen im Internet vor. Gegen einen 18-Jährigen aus Ostfriesland wurde deswegen ein Verfahren eingeleitet, sagte Südbeck. Der junge Mann habe Hetzparolen im Netz gegen den zu Unrecht Verdächtigten veröffentlicht.
Die Festnahme des 17-Jährigen war über das soziale Netzwerk Facebook schnell verbreitet worden. Danach waren Hassparolen im Internet aufgetaucht, eine aufgebrachte Menschenmenge war vor die Polizeistation in Emden gezogen.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa