Benedikts Privatsekretär Georg Gänswein bringt Kardinäle gegen sich auf
11.01.2023, 10:55 Uhr (aktualisiert)
Georg Gänswein verabschiedet sich vom aufgebahrten Papst Benedikt XVI.
(Foto: IMAGO/ZUMA Press)
Es ist eine außergewöhnliche Situation, die über Jahre anhält: Ein ehemaliger Papst verfolgt das Schaffen seines Nachfolgers. Privatsekretär Gänswein enthüllt, dass Benedikt XVI. nicht immer zufrieden mit den Entscheidungen Franziskus' war. Das kommt bei Kirchenvertretern nicht gut an.
Nach dem Tod des emeritierten Papstes gibt es in der katholischen Kirche Kritik an Äußerungen von Benedikts Privatsekretär Georg Gänswein über Papst Franziskus. "Es wäre besser gewesen, zu schweigen", sagte der deutsche Kardinal Walter Kasper im Interview der italienischen Zeitung "La Repubblica". Nach dem Tod Benedikts am Silvestermorgen im Alter von 95 Jahren wurden in katholischen Medien Interviews mit seinem langjährigen Vertrauten und Weggefährten Gänswein veröffentlicht. "Jetzt ist nicht der Moment für solche Sachen", befand der 89 Jahre alte Kasper.
Gänswein sagte etwa im Gespräch mit der "Tagespost", dass Benedikt Franziskus' Entscheidung, die sogenannte alte Messe stark einzuschränken, "mit Schmerz im Herzen" gelesen habe. Joseph Ratzinger - Benedikts bürgerlicher Name - ließ diesen Ritus während seines Pontifikats (2005 bis 2013) unter bestimmten Voraussetzungen wieder zu. Gänswein kritisiert darüber hinaus in seinem bald erscheinenden Buch "Nient'altro che la Verità" (Nichts als die Wahrheit) den amtierenden Pontifex. 2020 sei er "geschockt" gewesen, als Franziskus ihn als Präfekt des Päpstlichen Hauses beurlaubte und dies auch bis heute nicht änderte.
Auch andere Kirchenvertreter äußerten sich kritisch. "Ich denke, wenn man Kritik an den Heiligen Vater richten will, muss man das nicht über die Massenmedien manchen, sondern direkt an ihn persönlich", sagte der Chef der US-amerikanischen Bischofskonferenz, Timothy Broglio, der Zeitung "La Repubblica". Man müsse den gesamten Kontext kennen, sagte Kardinal Gerhard Ludwig Müller "La Stampa". "Leider ist das eine der Kontroversen, die dem Volk Gottes nicht gut tun." Don Alberto Varinelli aus der Diözese Bergamo in Norditalien rief Gänswein in einem offenen Brief auf, den Buchverkauf zu stoppen, sollte es sich dabei um eine Sammlung von Angriffen handeln.
Gänswein als Testamentsvollstrecker Benedikts
In seinem Buch schreibt Erzbischof Gänswein auch, dass er die privaten Schriftstücke von Papst Benedikt XVI. zerstören soll. "'Private Aufzeichnungen jeder Art müssen vernichtet werden. Das gilt ohne Ausnahmen und Hintertüren' hat er schwarz auf weiß verdeutlicht." Der Ex-Papst habe außerdem "präzise Anweisungen" darüber gegeben, was mit seiner Bibliothek, seinen Manuskripten und Büchern passieren solle. Nähere Details nannte Gänswein dazu aber nicht.
Der Heilige Stuhl veröffentlichte kurz nach dem Tod von Benedikt XVI. sein geistliches Testament, das auf das Jahr 2006 datiert ist, jedoch den Nachlass nicht regelt. Gänswein schreibt in dem Buch aus dem Verlag Piemme, dass es Anmerkungen des gebürtigen Bayern zu einigen Hinterlassenschaften und persönlichen Geschenken gebe. "Für diese Erfüllung habe ich die Aufgabe des Testamentsvollstreckers." Zuletzt seien diese Anmerkungen im Jahr 2021 aktualisiert worden.
In einem Beitrag für die "Bild"-Zeitung verteidigte der Privatsekretär überdies kurz nach seinem Ableben den emeritierten Papst. Benedikt sei "kein gefühlloser Papstautomat" gewesen, so Gänswein. "Er war und blieb auch auf dem Thron Petri ganz und gar Mensch." Mit seinem Rücktritt im Jahr 2013 habe Joseph Ratzinger "überaus kühn das Tor für einen neuen Abschnitt der Kirchengeschichte" geöffnet. Er habe "aus freiem Entschluss seinen Fischerring" abgelegt, seinen Namen als emeritierter Papst aber weiter getragen. Der Fischerring gehört zu den Insignien der Päpste.
Der aus dem Schwarzwald stammende Gänswein wurde Anfang des Jahrtausends Assistent Ratzingers, der damals die Kongregation für die Glaubenslehre im Vatikan leitete. Nach der Wahl des Kardinals zum Papst wurde er Sekretär des Papstes. Auch nach dem Rücktritt Benedikts blieb der heute 66-Jährige an seiner Seite.
(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 08. Januar 2023 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, fzö/dpa