Ceausescus Familienpolitik Rumäniens Heimkinder sind erlöst
15.12.2009, 08:38 UhrKinder, die unter Ceausescu im Heim aufgewachsen sind, wurden notdürftig am Leben erhalten. Der Sturz des Diktators war ihre Rettung. Seitdem hat sich vieles verbessert.

Da Ceausescu die Einwohnerzahl Rumäniens steigern wollte, waren Abtreibungen, Verhütung und schulische Aufklärung strengstens verboten.
(Foto: picture-alliance / dpa)
Bis auf die Knochen abgemagerte, apathische Kinder, die ihr Dasein in schmutzigen, überfüllten Heimen fristen - diese Bilder gingen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Rumänien vor 20 Jahren um die Welt. Erschüttert erfuhr die Weltöffentlichkeit, dass die Heimkinder in dem osteuropäischen Land vielleicht notdürftig am Leben erhalten, aber nicht ihren Bedürfnissen entsprechend gefördert wurden. Viele waren körperlich und geistig verkümmert, sie lernten nicht sprechen und waren verhaltensauffällig. Doch Rumänien hat gelernt. Heute werden die vielen von ihren Eltern allein gelassenen Kinder im Land in einer möglichst familiären Atmosphäre betreut.
Es hat sich viel getan, seit im Dezember 1989 die Herrschaft des rumänischen Diktators Nicolae Ceausescu endete - das bestätigt Edmond McLoughney, der das UN-Kinderhilfswerk UNICEF in Rumänien vertritt. "Der Unterschied ist riesig, die Bedingungen sind viel humaner und die Kinder erhalten individuelle Betreuung." Zwar sei nicht alles perfekt, weil die Neuerungen Zeit bräuchten, sagt McLoughney. Die bisher erzielten Fortschritte seien aber durchaus "beeindruckend".
Nur genetisch geeignete Kinder überlebten
Davon hat auch die elfjährige Iulia profitiert. Sie lebt in einem Heim, das vor sechs Jahren von einer französischen Kinderschutzorganisation im südwestrumänischen Targu-Jiu gebaut wurde. Mit drei Jahren konnte Iulia weder laufen noch sprechen, erzählt Heimleiter Dumitru Aribasoiu. Heute geht sie in die Schule und ist ein fröhliches Kind. Bis auf leichte Schwierigkeiten im Bewegungsablauf und bei der Aussprache schwieriger Wörter hat sie keine Schäden zurückbehalten.

Gegen Aufständische wurde ein regelrechter Terror ausgeübt.
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"Im Kommunismus überlebten nur die genetisch dafür geeigneten Kinder", sagt die Leiterin der Kinderschutzbehörde im ostrumänischen Buzau, Claudia Rosioru. Heute bemühten sich die Behörden hingegen darum, sich "nach den besonderen Bedürfnissen eines jeden zu richten, um ihnen gleiche Chancen zu geben". Während früher bis zu 200 Kinder in einem Heim lebten, seien die Einrichtungen heute kleiner, um eine familiäre Atmosphäre zu schaffen. Auch mit simplen Neuerungen ist aus Rosiorus Sicht viel erreicht worden. "Wir haben begonnen, die Kinder mit ihren Vornamen anzureden", sagt sie und macht damit deutlich, in welch' Menschen verachtenden Umständen die Heimkinder zu Zeiten der kommunistischen Herrschaft lebten.
Von den Eltern im Stich gelassen
Während Ceausescus Diktatur wurden sehr viele Kinder in Rumänien von ihren Eltern im Stich gelassen. Dazu trug seine Familienpolitik wesentlich bei. Da Abtreibungen grundsätzlich verboten waren, wurden unerwünschte Kinder oft in schmutzige, ungepflegte Heime mit zu wenig und schlecht ausgebildeten Personal abgeschoben.
Heute gibt es in Rumänien rund 70.000 Kinder, die von ihren Eltern allein gelassen wurden. Um ihren Bedürfnissen besser gerecht zu werden, gibt es für sie verschiedene Unterbringungsmöglichkeiten. Nur 19.000 dieser Kinder leben in staatlichen Heimen, knapp 45.000 weitere werden von anderen Angehörigen oder von Pflegeeltern versorgt. Die übrigen Kinder leben in privat geführten Heimen oder in betreuten Wohngemeinschaften.
Kampf um Anerkennung und Vertrauen
In Buzau werden in etwa einem Dutzend Sozialwohnungen 69 Jugendliche betreut, deren Eltern sich nicht ums sie kümmern. Eine von ihnen ist die 18-jährige Florentina. In der Drei-Zimmer-Wohnung, die sie mit sechs Mitbewohnern teilt, fehle es ihr an nichts, sagt sie. Sie alle gehen zum Gymnasium.
Elena Dragomir, eine von Florentinas Betreuerinnen, sagt, dass die betreuten Wohngemeinschaften am Anfang mit Feindseligkeit betrachtet wurden. "In den 90er Jahren war ich schockiert über den Grad der Ablehnung der Nachbarn, der Lehrer und Eltern anderer Kinder", sagt Dragomir. "Heute haben die Leute begriffen, dass - wenn die im Stich gelassenen Kinder ihren Eltern nicht zurückgegeben werden können, ihnen doch wenigstens Zuneigung und Vertrauen geschenkt werden kann."
Quelle: ntv.de, Mihaela Rodina, AFP