Panorama

Nutzen versus Risiko Soll ich mein Kind impfen lassen?

Impfen oder lieber warten? Viele Eltern sind verunsichert.

Impfen oder lieber warten? Viele Eltern sind verunsichert.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Manche Eltern warten seit Wochen darauf, andere sind skeptisch: Ab nächster Woche können Kinder zwischen fünf und elf Jahren gegen Corona geimpft werden. Was spricht für und was gegen den Piks? ntv.de klärt auf.

Die Kinder-Impfungen gegen Corona stehen in Deutschland in den Startlöchern. Doch die Debatte um Nutzen und Risiken des Piks für unter Zwölfjährige reißen nicht ab. Viele Eltern sind verunsichert und fragen sich derzeit, ob sie ihren Nachwuchs impfen lassen oder doch lieber warten sollten. Die Antwort ist nicht ganz einfach.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat zwar noch keine finale Entscheidung getroffen, die Impfung nun aber vorab für die Fünf- bis Elfjährigen empfohlen, die Vorerkrankungen oder Kontakt zu Risikogruppen haben. Demnach sollen vor allem Kinder geimpft werden, die ein zusätzliches Risiko haben, zum Beispiel Adipositas (starkes Übergewicht), Immunschwächen oder Lungenerkrankungen. Oder auch, wenn im Umfeld Menschen ein erhöhtes Risiko haben, beispielsweise die Eltern oder Großeltern. Doch auch die Impfung gesunder Kinder ist möglich.

Wenn es keine Risiken gebe, dann sei die Entscheidung für eine Impfung eine, die vom eigenen Sicherheitsbedürfnis abhänge, sagte Virologin Ulrike Protzer von der TU München im ZDF. Denn gesunde Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren haben ein sehr geringes Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken. Der Nutzen einer Impfung ist also relativ gering.

Hinzu kommt: Der Impfstoff wurde an weniger als 2000 Kindern erprobt. Diese Ergebnisse fielen positiv aus. Sehr seltene Nebenwirkungen kann man bei so wenigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht entdecken. Allerdings wurde das Vakzin in den USA bis Ende November schon Millionen Kindern verabreicht. Neue Nebenwirkungen sind bis dahin nicht gemeldet worden. Die Impfung an sich ist als sicher zu bewerten, sagt Protzer.

Kinder sollen nicht für den Schutz von Impfunwilligen sorgen

Langfristige Schäden durch Impfungen seien generell sehr selten, ungefähr vergleichbar mit dem Risiko, von einem Blitz getroffen zu werden, so die Virologin. Ähnlich selten seien Schäden auch bei den Coronavirus-Impfstoffen. Anders verhalte es sich hingegen mit Impfreaktionen, die dadurch entstehen, dass das Immunsystem auf die Impfung anspringt. Diese können "auch mal eine Woche oder zwei" anhalten.

Für das Infektionsgeschehen spielen Kinder nur eine untergeordnete Rolle, wie bereits früh in der Pandemie in mehreren Studien festgestellt worden ist. Und auch in der aktuellen vierten Welle weisen Modellierungen laut STIKO-Chef Thomas Mertens darauf hin, dass der tatsächliche Effekt des Impfens der jungen Altersgruppe auf den weiteren Verlauf des Infektionsgeschehens in Deutschland "eher gering" sei.

Das Hauptproblem sind die fehlenden Impfungen bei Erwachsenen, insbesondere der über 60-Jährigen. Denn sie haben ein wesentlich höheres Risiko als kleine Kinder, im Fall einer Infektion eine aufwendige und langwierige Intensivbehandlung zu benötigen. Kinder müssten somit nicht durch Impfungen ungeimpfte Erwachsene schützen, die eine Impfung ablehnen, sagt Immunologe Reinhold Förster ntv. Noch ungeimpfte ältere Menschen mit höherem Risiko seien demnach zuerst in der Verantwortung, für einen Schutz zu sorgen.

Gründe für eine Impfung

Dennoch gibt es auch Gründe für eine Impfung der unter 12-Jährigen: Mit ihr könne man mögliche Langzeit- und Spätfolgen wie PIMS bei jüngeren Kindern verhindern, argumentieren einige Expertinnen und Experten. Das "Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome" ist eine Entzündungs-Erkrankung, die bei Kindern einige Wochen nach der Corona-Infektion auftreten kann. Es gilt zwar als gut behandelbar, betroffene Kinder müssen jedoch ins Krankenhaus. Etwa drei von 10.000 infizierten Kindern entwickeln PIMS.

Christian Drosten unterstrich außerdem die Bedeutung von Kinderimpfungen zur Vermeidung von Schulschließungen. Er könne "wirklich nur raten, die Kinder impfen zu lassen", betonte der Charité-Virologe in der ARD mit Blick auf den regulären Schulbetrieb. Ähnlich sieht das auch Immunologe Förster: "Was passiert mit den Kindern aufgrund der ständigen Lockdowns? Wenn sie nicht ihre Freunde sehen können, wenn sie nicht in die Schule gehen können, wenn sie nicht zum Sport gehen und wenn man den Kindern dadurch ihr soziales Umfeld zurückgeben kann, dann spricht schon sehr viel mehr dafür, die Kinder impfen zu lassen."

Wo kann ich mein Kind impfen lassen?

Sollten sich Eltern nun für eine Immunisierung ihrer Kinder entscheiden, sollten sie sich zunächst an ihre Kinderärztin oder ihren Kinderarzt wenden. Sie haben die meiste Erfahrung damit, Impfungen möglichst kindgerecht zu verabreichen und Eltern entsprechend medizinisch beraten zu können.

In den meisten Bundesländern sollen zusätzlich Impfangebote bei kommunalen Stellen an Start gehen. So auch in Nordrhein-Westfalen: Die Kinder-Impfung sei für viele Eltern ein sensibles Thema, deshalb werde es auch in den kommunalen Impfstellen ausreichend Beratungsmöglichkeiten durch Ärztinnen und Ärzte geben, betonte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Informationen zu den kommunalen Impfangeboten soll es auf den entsprechenden Informationsseiten der Kommunen geben. Mindestens die Hälfte der Kinderimpfungen dort sollen mit Termin vergeben werden.

Mehr zum Thema

In Thüringen sind die ersten Impf-Termine für Kinder seit dem 8. Dezember im zentralen Impfportal buchbar. Mädchen und Jungen zwischen fünf und elf Jahren können laut Kassenärztlicher Vereinigung bis zum 23. Dezember zunächst nachmittags in ausgewählten Impfstellen geimpft werden. Auch Zweittermine im Januar werden gleich mit vergeben.

In Berlin stehen neben Kinder- und Jugendärzten auch die großen Impfzentren der Hauptstadt für die Kinder-Impfungen bereit, wie Gesundheitssenatorin Kalayci im RBB bestätigt. Geplant sind zudem mobile Impfteams, die die Spritzen in Schulen verteilen sollen. Da gebe es allerdings noch Gesprächsbedarf mit den Bezirken.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen