Bundesländer und Experten uneins Sollten Handys aus Schulen verbannt werden?
19.06.2025, 16:05 Uhr Artikel anhören
Absolutes Smartphone-Verbot an einem Stuttgarter Gymnasium: In Baden-Württemberg können Schulen solche Vorgaben inzwischen eigenverantwortlich treffen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Smartphones sind aus dem Alltag von Kindern und Jugendlichen nicht mehr wegzudenken. Auch in der Schule sind sie ständige Begleiter. Das sorgt für Diskussionen. Sollte die Nutzung von Handys strenger reguliert oder sogar verboten werden? Was spricht dagegen? Ein Überblick.
Wie ist die Handynutzung an Schulen derzeit geregelt?
Bildung ist Ländersache. In welchem Umfang Kinder und Jugendliche während der Schulzeit über ihr Smartphone verfügen dürfen, liegt also in den Händen der jeweiligen Bildungsministerien. Die Regelungen sind entsprechend uneinheitlich. Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen etwa setzen auf Eigenverantwortung der Schulen. Baden-Württemberg hat dazu im Juni das Schulgesetz geändert. Jede Schule soll demnach verbindlich regeln, "wann und ob mobile Endgeräte auf dem Schulgelände genutzt werden dürfen".
Andere Bundesländer sind strenger. So gilt an allen bayerischen Grundschulen ein Handyverbot für Schülerinnen und Schüler. Das Land Hessen will ab dem kommenden Schuljahr 2025/2026 die private Handynutzung in Schulen grundsätzlich untersagen. In Bremen trat eine solche Regelung kürzlich in Kraft, mit Lockerungen erst ab der Oberstufe. Auch das Saarland plant ein Verbot, zumindest an Grundschulen.
Bundesbildungsministerin Karin Prien sprach sich kürzlich für ein bundesweites Verbot der privaten Handynutzung an Grundschulen aus. "An den weiterführenden Schulen sollten möglichst altersgerechte Regeln gefunden werden", sagte Prien der Funke Mediengruppe.
Welche Risiken birgt das Smartphone für Kinder und Jugendliche?
Prien begründet ihre Forderung wissenschaftlich: "Die Studienlage wird zunehmend klarer: Zu lange Bildschirmzeiten führen zu schlechteren Lernleistungen, zu geringeren sozialen Kompetenzen und zu psychischen Problemen", so die CDU-Politikerin. "Wir müssen uns damit sehr schnell und sehr intensiv beschäftigen."
Auch die Psychologin und Psychotherapeutin Isabel Brandhorst betont: "Hohe Nutzungszeiten gehen mit mehr Problemen einher." Dazu gehörten vor allem Internetnutzungsstörungen: Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung, Onlineshopping-, Onlinepornografie- und Online-Glücksspiel-Störung. "Was es nicht gibt, ist eine Handysucht oder Smartphonesucht. Das Smartphone ist nur ein Gefäß - wie die Flasche beim Alkoholkonsum", erklärt Brandhorst im Gespräch mit ntv.de.
Was spricht für ein Komplettverbot?
Der hessische Bildungsminister Armin Schwarz begründet die restriktive Handhabung in seinem Bundesland mit Folgen auf die psychische Gesundheit und Lernfähigkeit junger Menschen. Die Smartphone-Nutzung ufere zunehmend aus. "Unsere Schulen müssen geschützte Räume sein, in denen unsere Kinder und Jugendlichen frei von Ablenkung und Ängsten lernen können", sagt Schwarz.
Diese Ansicht teilt auch der Bildungsforscher Klaus Zierer. Er fordert ein generelles Verbot an Schulen: "Das private Gerät, das wissen wir aus Forschungen, lenkt zu sehr ab", sagt der Forscher der Universität Augsburg dem Bayerischen Rundfunk. Smartphones und Handys müssten daher "weggesperrt" und auch nicht in den Pausen herausgeholt werden. Es sei wichtig, dass die Handys außer Reichweite seien, etwa in sogenannten "Handygaragen".
Zierer begründet das mit Ergebnissen aus der Neuropsychologie. Der für die Impulskontrolle zuständige Gehirnbereich sei bis mindestens zum 16. Lebensjahr noch nicht ausgereift. Er spricht sich dagegen aus, Schulen selbstständig entscheiden zu lassen. Stattdessen sei die Bildungspolitik in der Verantwortung.
Und was spricht dagegen?
Der Deutsche Lehrerverband lehnt ein absolutes Handyverbot an Schulen aus mehreren Gründen ab. Der Verband plädiere vielmehr für einen "kritisch-reflektierten Handygebrauch, um Heranwachsende auf ihrem Weg zur emanzipierten Person an eine überlegte Nutzung heranzuführen", schreibt Verbandspräsident Stefan Düll in einer aktuellen Stellungnahme.
Das Smartphone könne gezielt für Lernzwecke eingesetzt werden, erklärt Düll weiter. "Durch ein absolutes Verbot wird für viele ein heimlicher Gebrauch attraktiv, der sich nur schwer kontrollieren lässt." Sinnvoller seien klare und altersgerechte Nutzungsregeln.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält ein Komplettverbot zudem für rechtlich unsicher. "Hier geht es um sensible Punkte wie Eigentumsrechte oder Kommunikation mit den Eltern", sagt er.
Welche Rolle könnte bei der Entscheidung das Alter der Schülerinnen und Schüler spielen?
Wie die meisten Bundesländer unterscheidet auch Bildungsministerin Prien zwischen Grundschülern und Jugendlichen auf weiterführenden Schulen. Das entspricht in etwa den Empfehlungen der Medienexperten von "Schau hin! Was dein Kind mit Medien macht". Demnach sollten sie das erste eigene Smartphone ungefähr erst im Alter zwischen elf und zwölf Jahren haben. Allerdings nur mit Einschränkungen: Die Kinder sollten zugleich eine ausreichende Reife besitzen, um mit den vielen Funktionen verantwortungsvoll umzugehen. Die Experten empfehlen, dass Eltern mit ihrem Kind den Umgang mit dem Smartphone oder Tablet üben. Um den Reifegrad zu überprüfen, bieten sie auf der Webseite internet-abc.de eine Art "Internet-Schein" an.
Wie bedeutet das also für die Schulen?
Die Schule als "Smartphone-freie-Zone" ist bislang die Ausnahme. Debattiert wird es vor allem für Grundschulen. Einschränkungen wollen aber alle Länder, in unterschiedlichen Abstufungen. In Nordrhein-Westfalen etwa wird über einen "handyfreien Vormittag" diskutiert.
Mehrheitlich liegt die Verantwortung jedoch bei den Schulen selbst. Bei der Konzeptentwicklung plädiert Expertin Brandhorst für ein überlegtes Vorgehen. Schulen sollten sich folgende Fragen stellen: "Was möchte man mit den Regeln erreichen? Möchte man einen digitalen Schonraum schaffen? Möchte man fördern, dass mehr Bewegung und soziale Interaktion in den Pausen stattfindet, oder geht es um weniger Ablenkung vom Unterricht?"
Wo gibt es bereits Handyverbote?
In mehreren europäischen Ländern wie etwa Frankreich oder den Niederlanden greifen Handyverbote im Unterricht schon länger. Italien verbietet ab dem neuen Schuljahr 2025/2026 die Smartphonenutzung auch in den höheren Klassen. Schülerinnen und Schüler unter 15 Jahren dürfen Handys im Unterricht dort schon seit Längerem nicht mehr nutzen.
Und was sagt die Bevölkerung in Deutschland?
Einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge wünschen sich mehr als 90 Prozent der Menschen in Deutschland Einschränkungen bei der privaten Handynutzung an Schulen. Demnach sprechen sich 50 Prozent der Befragten für ein generelles Verbot der privaten Handynutzung an Schulen aus, 41 Prozent befürworten ein Teilverbot zu bestimmten Uhrzeiten. Neun Prozent finden, dass die private Handynutzung an Schulen generell nicht verboten sein sollte.
Hier zeigen sich auch deutliche Unterschiede zwischen den Generationen: Die größte Zustimmung für Einschränkungen der privaten Handynutzung an Schulen gab es mit 97 Prozent unter den Befragten ab 55 Jahren. 60 Prozent von ihnen befürworten demnach ein generelles Verbot, 37 Prozent sprachen sich für ein Verbot zu bestimmten Zeiten aus.
Unter den 18- bis 24-Jährigen ist die Zustimmung zu einem generellen Verbot mit 26 Prozent am niedrigsten. Immerhin fast die Hälfte der jungen Menschen in dieser Altersgruppe gab aber an, ein Verbot zu bestimmten Zeiten zu befürworten. Ein Viertel der Befragten in dieser Altersgruppe sprach sich gegen ein Verbot oder sonstige Einschränkungen aus.
Quelle: ntv.de, mdi/dpa