Streit um Fehmarnbeltquerung "Stuttgart 21"-Schichtung als Vorbild
11.12.2010, 12:58 Uhr
So könnte die Fehmarnbelt-Brücke aussehen (Computergrafik).
(Foto: picture alliance / dpa)
Die geplante Fehmarnbeltquerung sorgt seit langem für Streit. Jetzt schlagen Politiker eine Schlichtung nach dem Stuttgarter Vorbild vor. Aber nicht alle sind von dieser Idee begeistert.
Das Verkehrsgroßprojekt Fehmarnbeltquerung soll Nord- und Mitteleuropa verbinden, an ihm scheiden sich aber die Geister. Seit Jahren regt sich Protest gegen den Bau einer Straßen- und Bahnverbindung zwischen der schleswig-holsteinischen Ostseeinsel Fehmarn und dem dänischen Eiland Lolland. Seit der Schlichtung zum umstrittenen Bahnprojekt "Stuttgart 21" mehren sich auch in Deutschlands hohem Norden die Forderungen nach einer Bürgerbeteiligung nach dem Vorbild der von dem ehemaligen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler geleiteten Gesprächsrunden in Stuttgart.

Die Luftaufnahme zeigt den Fehmarnbelt zwischen Puttgarden auf der Insel Fehmarn und dem dänischen Rödby (Lolland).
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Als erster schleswig-holsteinischer Spitzenpolitiker brachte SPD-Landeschef Ralf Stegner eine sogenannte Mediation für die geplante Ostseequerung ins Gespräch. Die Vorgänge um "Stuttgart 21" sollten Warnung und Hinweis sein, schrieb er vor einer Woche in der Zeitung "Schleswig-Holstein am Sonntag". Diese seien "eine Warnung, dass auch förmlich korrekte Wege der Entscheidungsfindung nicht immer als legitim wahrgenommen werden". Das Stuttgarter Modell der "veröffentlichten Debatte" sollte übernommen werden, schrieb der Oppositionspolitiker mit Blick auf die Schlichtung, in denen Gegner und Befürworter zusammenkamen.
Widerstand gegen die Straßen- und Schienenverbindung regt sich vor allem in den Gemeinden im Osten von Schleswig-Holstein, die von Bau und Zubringerverkehr betroffen wären. Das Bauprojekt selbst, 2008 in einem Staatsvertrag zwischen Deutschland und Dänemark besiegelt, ist noch in einem frühen Planungsstadium. Es ist bislang offen, ob die Verbindung auf der sogenannten Vogelfluglinie zwischen Hamburg und Kopenhagen als Brücke oder Tunnel realisiert werden soll. Die zuständige dänische Projektgesellschaft A/S Femern empfahl jüngst den Bau eines Tunnels. Die Entscheidung darüber liegt beim dänischen Verkehrsminister.
"Ergebnisoffene" Diskussion gefordert
Aus schleswig-holsteinischer Sicht gravierender ist ohnehin die sogenannte Hinterlandanbindung des nach offiziellen Angaben mehr als fünf Milliarden Euro teuren Großbauwerks, das ab 2014 entstehen soll. Um die Fehmarnbeltquerung zur transeuropäischen Hauptverkehrsachse zu machen, soll die Bahnstrecke zwischen Hamburg, Lübeck und Fehmarn durchgehend zweigleisig ausgebaut werden und laut Betriebsprognose 75 Güterzügen pro Tag und Richtung als Transporttrasse dienen.
Das stößt in den schleswig-holsteinischen Küstenorten, die vor allem vom Tourismus leben, auf Kritik. Eine vom Kreis Ostholstein in eigener Initiative vorgelegte Betroffenheitsanalyse warnt vor den Folgen. Vor diesem Hintergrund begrüßt auch das Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung den Vorstoß für eine neue Debatte über das Projekt im Rahmen eines Mediationsverfahrens nach dem Vorbild von "Stuttgart 21".
Der Sinn der festen Querung müsse dringend "ergebnisoffen" neu diskutiert werden, fordert Malte Siegert, für das Großprojekt zuständiger Referent der Umweltschutzorganisation NABU und Vorsitzender des Aktionsbündnisses. Der Bau nütze zwar den Dänen, habe für Deutschland aber nur negative Folgen. "Es gibt keine vernünftige Lösung für Ostholstein." Es sei dringend an der Zeit, das bei einem transparenten neuen Verfahren in der Diskussion deutlich herauszustellen.
Carstensen sieht Mediation skeptisch
Die schleswig-holsteinische Landesregierung wiederum bleibt mit Blick auf eine Mediation bisher skeptisch. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) verwies mit Blick auf Stegners Forderung auf jene Diskussionsveranstaltungen, die Landesregierung, Bahn und dänische A/S Femern seit Jahren veranstalten. Es gebe bereits eine "intensiven Dialog mit den Betroffenen", betonte der Chef der in Kiel regierenden schwarz-gelben Koalition, der sich im September bei einer dieser Veranstaltungen sogar mit Eier hatte bewerfen lassen müssen. Die Situation sei nicht mit der in Stuttgart vergleichbar, heißt es auch bei der Bahn. Es gebe Gespräche, betonte ein Sprecher. "Hier wird miteinander geredet."
Quelle: ntv.de, Sebastian Bronst, AFP