Vergifteter Mais für Kühe Suche nach Schuldigen beginnt
02.03.2013, 10:34 Uhr
Sobald die Kühe anderes, nicht verseuchtes Futter bekommen, dauert es eine Woche, bis die Milch unbelastet ist.
(Foto: picture alliance / dpa)
Hunderte Höfe in Norddeutschland sind gesperrt, nachdem gefährliche Schimmelpilze in Futtermais aus Serbien entdeckt wurden. Fest steht: Das Gift gelangte in Milch. Für eine Verzehrwarnung gibt es offenbar keinen Anlass. Bauern fordern aber strengere Kontrollen. Doch wo genau waren die Lücken? Wer ist schuld an dem Skandal?
Im Skandal um Tausende Tonnen Schimmelpilz-verseuchten Tierfutters in Deutschland hat die Suche nach den Schuldigen begonnen. Der Generalsekretär des Bauernverbandes, Helmut Born, sieht den Importeur in der Verantwortung: "Schuld ist in Lebensmittel-Skandalen immer derjenige, der unmittelbar für das Produkt Verantwortung trägt", sagte Born. Im Fall des verseuchten Futtermaises habe ein großer Getreideimporteur offenbar eine große Charge Mais mit zu hohen Aflatoxin-Werten in Serbien gekauft. Diese habe er an Futtermittelwerke weitergeliefert. "Das durfte er nicht. Das ist schlicht und einfach gesetzeswidrig", erklärte Born. Damit sei die Schuldfrage eindeutig. Rechtliche Konsequenzen ließ Born offen.
Auch der Ruf nach mehr und wirkungsvolleren Kontrollen von Lebensmitteln und deren Erzeugerketten wurde laut. Um einen Befall mit Schimmelpilzen auszuschließen, müsse das Futtermittelmischwerk entsprechende Kontrollen machen, zum Beispiel Eingangskontrollen der Rohprodukte, sagte Bauernverbandspräsi dent Joachim Rukwied der "Rheinischen Post". Die Landwirte, die das mit gefährlichem Schimmelpilz-Gift verseuchte Futtermittel verfütterten, treffe keine Schuld. Sie müssten davon ausgehen, dass sie Futtermittel in einwandfreiem Zustand geliefert bekämen und hätten keine Chance, einen Schimmelpilz wie Aflatoxin zu erkennen, sagte Rukwied weiter.
Niedersachsen Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) sagte, die Eigenkontrollen der Agrarindustrie hätten nicht hinreichend funktioniert. "Wir brauchen mehr staatliche Kontrollen und mehr Personal", so Meyer zum "Focus". Die Kosten dafür sollten der Wirtschaft in Rechnung gestellt werden. So könne der Staat 30 bis 50 Millionen Euro im Jahr sparen. Es sei nicht einzusehen, dass der Steuerzahler dafür aufkommen müsse.
Bauern werden misstrauisch
Der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Bernd Voß, warnt unterdessen vor den Gefahren weltweiter Futtermittel-Geschäfte. "Wenn Landwirte Getreide abliefern, müssen sie penibelst auf Mykotoxinbelastungen achten. Es ist daher sehr unverständlich beziehungsweise muss sehr misstrauisch machen, wie im vorliegenden Fall eine solch riesige Lieferung an offenbar hoch belastetem Mais sämtliche Kontrollstellen beim Importeur, bei Zwischenhändlern und Mischfutterwerken ungehindert passieren konnte", erklärte der AbL-Vorsitzende.
Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch kritisiert unterdessen die Informationspolitik der Hersteller. Im konkreten Fall habe die Firma offenbar bereits im Dezember gewusst, dass der importierte Mais aus Serbien mit dem krebserregenden Schimmelpilz verseucht war, sagte Vize-Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt dem Radiosender NDR Info. Die Behörden seien aber nach Angaben des Unternehmens erst am vergangenen Donnerstag informiert worden.
"Das ist ein Muster, das wir aus der Vergangenheit kennen: dass die Beteiligten der Futtermittelwirtschaft sich erst dann an die Behörden wenden, wenn bestimmte Teile oder auch ganze Lieferungen von Futtermitteln nicht nur eingemischt, sondern auch verfüttert worden sind", erklärte Wolfschmidt.
Verzehrwarnung nicht nötig
Am Freitag war bekannt geworden, dass rund 10.000 Tonnen aus Serbien importierter, verseuchter Mais als Futtermittel an 3560 Betriebe mit Rindern, Schweinen und Geflügel verteilt wurden. Hunderte Milchbetriebe in Niedersachsen, das am stärksten betroffen ist, wurden vorsorglich gesperrt. Auch in andere Bundesländer wurde Futtermittel mit verseuchtem Mais geliefert, aber nur an wenige Höfe und Betriebe. Bio-Betriebe sind nach ersten Erkenntnissen nicht betroffen.
Eine Gefährdung der Verbraucher ist nach Angaben der Behörden unwahrscheinlich. "Aflatoxine sind besonders gefährlich in der Milch. Sie setzen sich nicht in Fleisch ab, nicht in Eiern", sagte Landwirtschafts-Staatssekretär Udo Paschedag. Seit Freitag wird daher die Milch in allen mit belastetem Futter belieferten Betrieben kontrolliert. Sollte der Höchstwert überschritten werden, bleibt die Sperre bestehen, und die Betriebe müssen auf anderes Futter umstellen. Nach einer Woche geben die Tiere nach wissenschaftlichen Erkenntnissen keine bedenklich hochbelastete Milch mehr.
Bei Kontrollen auf Aflatoxin ist nach Angaben des Bauernverbandes Landvolk bislang nur eine Probe mit zu hohen Schadstoffwerten aufgefallen. Die Ware sei nicht in Verkehr gebracht worden. Alle anderen Kontrollen auf Aflatoxin in der Milch seien dagegen ohne Beanstandung gewesen.
Bedroht sind auch Nüsse und Kaffee
Dass Schimmelpilzgifte wie Aflatoxine in Getreide und anderen Feldfrüchten auftauchen, ist nicht ungewöhnlich. Sie gelten unter Experten als gefährlichste chronische Belastung in Lebensmitteln. Bedroht sind grundsätzlich neben Mais auch anderes Getreide sowie Nüsse, Pistazien und Kaffee. Aflatoxine können sich vor oder nach der Ernte auf den Pflanzen ansiedeln.
Da Aflatoxine giftig sind, liegen die Grenzwerte für die Belastung von Nahrungsmitteln entsprechende niedrig. Bei Nüssen dürfen es nicht mehr als vier Mikrogramm pro Kilo sein, bei Futtermitteln, die indirekt zu belasteten Lebensmitteln führen können, maximal 20 Mikrogramm pro Kilo. Die nun gefundene Belastung in den 45.000 Tonnen Futtermais aus Serbien lag beim Zehnfachen des Grenzwertes.
Quelle: ntv.de, asc/AFP/dpa