Panorama

Verhandlung zum Nachtflugverbot Teures Spiel mit der Gesundheit

Nachts ist in Frankfurt derzeit Ruhe.

Nachts ist in Frankfurt derzeit Ruhe.

(Foto: REUTERS)

In Leipzig entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über ein Nachtflugverbot in Frankfurt. Befürworter und Gegner der nächtlichen Ruhephase warten auf ein Urteil. Die einen fürchten um ihr Wohlbefinden, die anderen um ihren Job. Experten sind sicher: Lärm macht krank. Für die Richter ist es heikles Abwägen - zwischen Gesundheit und Arbeitsplätzen.

"Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Ruhe klaut!" skandiert eine kleine Gruppe Anwohner des Frankfurter Flughafens vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Sie sind gekommen, um eine viel größere Gruppe zu repräsentieren. Mehrere zehntausend Haushalte leiden in den Wohngebieten um den Frankfurter Flughafen unter dem Fluglärm. Die Richter in Leipzig verhandeln derzeit über ein Nachtflugverbot am Flughafen in Frankfurt am Main. Dabei prallen Interessen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Rund 70.000 Menschen arbeiten am Frankfurter Flughafen.

Rund 70.000 Menschen arbeiten am Frankfurter Flughafen.

(Foto: REUTERS)

Zum Einen sind es die Anwohner, die sich um ihre Gesundheit sorgen. Zum anderen ist da das Land Hessen, mit rund einem Drittel der größte Teilhaber des Flughafenbetreibers Fraport AG. Dort sieht man vor allem den volkswirtschaftlichen Nutzen des Flughafens, der mit 70.000 Beschäftigten die größte Arbeitsstätte in Deutschland ist. "Wir erhoffen uns ein praktikables Nachtflugverbot, um nachts weiter den Verkehr nach Asien und Nordamerika abwickeln zu können", erläuterte Ralf Müller, Betriebsratsvorsitzender von Lufthansa Cargo, ihr Anliegen. Auch sie sind nach Leipzig gekommen, um ihr Anliegen deutlich zu machen. "Da stehen viele Arbeitsplätze auf dem Spiel. Das sind Menschen, die nicht so schnell Arbeit in den Frankfurter Bankentürmen finden", sagt Müller.

Das Land Hessen klagt gegen einen Eilbeschluss des hessischen Verwaltungsgerichtes im Oktober 2011, mit dem ein vorläufiges Verbot von Nachtflügen zwischen 23 Uhr und 5 Uhr verfügt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt sich nun dieser Sache in einer mündlichen Verhandlung an. Ob danach ein Urteil gesprochen wird, ist noch unklar. Möglicherweise lässt ein Richterspruch noch einige Wochen auf sich warten und wird an einem separaten Verhandlungstermin verkündet. Die Chancen der betroffenen Anwohner auf einen Erfolg stehen nicht schlecht. Ihre Klage war die Grundlage für das vorläufige Nachtflugverbot des hessischen Verwaltungsgerichtes.

Finanzielles Desaster – für Fluglinien und Gesundheitssystem

Lärm wird als gesundheitsschädlicher Faktor so oft unterschlagen wie kaum ein anderer. Denn Lärm macht krank, da sind sich Experten sicher. "Alle Studien sind sich einig: Lärm führt vor allem zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der Körper stößt Stresshormone aus, der Blutdruck steigt und versetzt den Körper in eine Art andauernden Alarmzustand", sagt Thomas Myck vom Umweltbundesamt gegenüber n-tv.de. Im speziellen Fall von Fluglärm seien auch Depressionen eine Folge der Schallbelastung, erklärt er weiter. Deshalb lautet die Forderung des Umweltbundesamtes: Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr an Flughäfen in Stadtnähe.

Jeden Montag demonstrieren Opfer des Fluglärms im Frankfurter Flughafen.

Jeden Montag demonstrieren Opfer des Fluglärms im Frankfurter Flughafen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Den wirtschaftlichen Einbußen der Unternehmen und Fluglinien, die mit einem solchen Nachtflugverbot einhergehen, steht eine andere Zahl gegenüber. Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamts, warnt gegenüber dem "Spiegel" vor horrenden Kosten für die Behandlung der gesundheitlichen Folgen des Fluglärmes. Schätzungen der Behörde zufolge handelt es sich um rund 400 Millionen Euro in den nächsten zehn Jahren, allein im Raum Frankfurt. Myck bestätigt diese Zahl. "Allerdings bezieht sie sich nur auf diesen konkreten Fall in Frankfurt", erklärt er. "Es gibt Analysen seitens der EU, die die sozialen Kosten des Lärms in Europa auf 40 Milliarden Euro pro Jahr schätzen." Soziale Kosten heißt: die Gesellschaft bezahlt am Ende dafür. Hauptverursacher sei jedoch nicht der Flug- sondern der Straßenlärm, der in Europa insgesamt sehr hoch sei, so Myck.

Unabsehbare Folgen für Betroffene

Michael Jäcker-Cüppers ist Leiter des Arbeitsrings Lärm der Deutschen Gesellschaft für Akustik. "Es gibt eine Fülle von Studien, die die gesundheitsschädliche Wirkung von Lärm nachweisen", erklärt er gegenüber n-tv.de. Speziell zu Fluglärm erwähnt er Untersuchungen, die etwa einen Mehrverbrauch von Medikamenten oder einen Krankheitsanstieg in betroffenen Gebieten nachweisen. Nachtruhe sei dabei besonders wichtig: "Menschen sind in der Nacht besonders sensibel", sagt der Lärm-Experte. Schlafstörungen seien vor allem auf stoßweise Lärmereignisse zurückzuführen. Also zum Beispiel Fluglärm. Aus Sicht des Gesundheitsschutzes gebe es zum Nachtflugverbot an stadtnahen Flughäfen keine Alternative, sagt Jäcker-Cüppers.

Tagsüber müssen die betroffenen Bürger am Frankfurter Flughafen rund 500.000 Starts und Landungen pro Jahr ertragen. Bis zum Jahr 2022 sollen es nach Angaben des Fraport-Chefs Stefan Schulte bis zu 700.000 werden. Die im Oktober 2011 eröffnete neue Landebahn trägt ihren Teil dazu bei. Nachts ruhen derzeit die Flüge - mindestens so lange, bis in Leipzig ein Urteil gesprochen wurde.

Doch was kann gegen Lärm getan werden? Nach nicht abbrechen wollenden Protesten haben das Land Hessen und der Flughafenbetreiber Fraport gemeinsam ein mehr als 100 Millionen Euro schweres Befriedungs-Programm gestartet. Demnach haben rund 81.000 Haushalte Anspruch auf den Einbau besonderer Schallschutzfenster, zudem sollen in den besonders betroffenen Gebieten bis zu 230 Häuser von Lärmopfern aufgekauft werden. Gutachter sollen dabei den Wert des Hauses ermitteln, und zu diesem Preis muss die Fraport AG die Immobilie dann erwerben. Das Problem dabei: die Gutachter beziehen den Lärm in die Schätzung mit ein. Für Betroffene heißt das oft, dass sie mit enormen finanziellen Einbußen rechnen müssen, wenn sie ihr Haus aufgeben und umziehen.

Technik, Flugverbot und Belastungsgrenzen

Sowohl Umweltverbände wie auch das Umweltbundesamt hoffen bei ihrem Kampf gegen den Lärm vor allem auf zwei Dinge. Erstens auf die "Begrenzung von Flugbewegungen, wo die Belastungen der Anwohner besonders hoch sind", wie es der BUND formuliert. Etwa durch ein dauerhaftes Nachtflugverbot und eine Höchstbelastungsgrenze. Zweitens setzen alle beteiligten Parteien auch auf den technischen Fortschritt: Moderne Flugzeuge sollen leiser werden. Umweltorganisationen zeigen sich bei technischen Neuerungen aber höchstens vorsichtig optimistisch. Durch die Langlebigkeit der Flugzeuge zeigten diese nur langsam Wirkung, so die Interessengruppen.

Unabhängig vom Urteil der Bundesverwaltungsrichter wünscht sich das Umweltbundesamt vor allem mehr Sensibilität für das Thema Lärm. "Ein Nachtflugverbot wäre wünschenswert – allein schon aus Gründen des präventiven Gesundheitsschutzes", sagt Thomas Myck. Es ist eine politische Abwägung, die die Richter in Leipzig vornehmen müssen. Denn die Argumente beider Seiten sind nicht einfach von der Hand zu weisen.

Quelle: ntv.de, mit dpa, AFP, rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen