Fünf Jahre nach Eishallen-Katastrophe Trauer und Wut in Bad Reichenhall
02.01.2011, 09:00 UhrVergessen werden sie den 2. Januar 2006 nie - an dem Tag stürzte das Dach der Eislaufhalle von Bad Reichenhall ein. Die Trümmer erschlugen 15 Kinder und Mütter. Die Hinterbliebenen empfinden am 5. Jahrestag der Katastrophe Trauer, aber auch Wut auf die Justiz.
Tagelang hatte es unentwegt geschneit. Tonnenschwer lag das nasse Weiß auf den Hausdächern - auch auf der Eislaufhalle von Bad Reichenhall. Mehrmals kontrollierten Mitarbeiter die Last - kein Problem, hieß es. Was sie nicht wissen konnten: Das Dach war anders gebaut worden als erlaubt, die zulässige Schneelast basierte auf einer falsch berechneten Statik. Zudem war das Gebäude nach 30 Jahren marode. Am 2. Januar 2006 - die Uhr zeigte 15.54 Uhr - krachte das Dach aufs Eis. Zwölf Kinder und drei Mütter wurden von den Trümmern erschlagen, sechs Eisläufer schwer verletzt.
Zum fünften Jahrestag der verheerenden Katastrophe werden sich vor der erst kürzlich fertiggestellten Gedenkstätte die Eltern der toten Kinder treffen und still an ihre Liebsten erinnern. Auch Dagmar und Robert Schmidbauer wollen kommen. Sie verloren vor fünf Jahren beide Töchter - Marina (8) und Christina (11). Der Tod der Kinder wird das Ehepaar lebenslang begleiten. "Man sieht, wie die Kinder von Freunden oder Nachbarn wachsen, schon den Führerschein machen oder in der Berufsausbildung stehen", sagt Dagmar Schmidbauer. "Uns bleibt nur noch, ans Grab unserer Kinder zu gehen."
Streit um die Gedenkstätte
Bis heute hat die Stadt Bad Reichenhall, so scheint es, nicht den rechten Weg im Umgang mit der Katastrophe gefunden. Immerhin gehörte ihr die Eislaufhalle. Um die Errichtung der Gedenkstätte - 15 bunte aus einem Brunnen ragende Glassäulen - gab es jahrelang Streit mit den Hinterbliebenen. Der Termin der Einweihung wurde beinahe wie eine geheime Kommandosache behandelt.
Nur kein Aufsehen heißt die Devise im Rathaus, wenn es um das Unglück geht. So auch am 5. Jahrestag: Es wird am 2. Januar 2011 im Münster St. Zeno lediglich die jährlich von der Stadt in Auftrag gegebene Totenmesse gefeiert. "Darüber hinaus gibt es keine Gedenkveranstaltungen", verlautet in dürren Worten.
Kein Wunder, dass die Katastrophe in der Stadtverwaltung ungute Gefühle weckt: In den Amtsstuben wurde bei der Instandhaltung der Eislaufhalle samt angebautem Hallenbad jahrelang geschlampt. Statt das Gebäude gründlich zu sanieren, wurden Eimer aufgestellt, die das ständig von den Dachbalken herabtropfende Wasser auffingen. Wichtige Baupläne fehlen - oder sind auf seltsame Weise verschwunden. Im Prozess wurden 2008 eklatante Mängel aufgedeckt. Dem Vorsitzenden Richter platzte bei der Vernehmung von Rathaus-Bediensteten mehrmals der Kragen ob deren Ahnungslosigkeit.
Nur der Ingenieur wurde verurteilt
Doch verurteilt wurde nur der Ingenieur, der das Hallendach konstruiert hatte. Er erhielt vom Traunsteiner Landgericht eineinhalb Jahre Haft auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung. Einen Gutachter und einen Architekten sprach die Große Strafkammer frei. Während der Bundesgerichtshof (BGH) den Freispruch für den Gutachter Anfang dieses Jahres kassierte und den Fall zur Neuverhandlung ans Traunsteiner Landgericht zurückverwies, bestätigte er die Verurteilung des Hallendachplaners.
Der neue Prozess hätte längst beginnen sollen. Doch weil die Richterbank gegenüber dem ersten Verfahren komplett neu besetzt sein muss und der Vorsitz der nun zuständigen 6. Strafkammer erst jüngst wechselte, wird es frühestens im Frühjahr 2011 zur Neuauflage kommen. Schließlich muss sich die mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzte Große Strafkammer in umfangreiche Gerichtsakten einlesen.
Quelle: ntv.de, Paul Winterer, dpa